Der ehemalige BILD-Chefredakteur Julian Reichelt war kürzlich zu Gast in der Show „Chez Krömer“ im RBB des Moderators und Komikers Kurt Krömer. In den Fernsehstudios des RBB nahm Krömer den ehemaligen BILD-Chef in die Zange und konfrontierte ihn mit seinen größten Fehltritten in seiner Zeit als Chefredakteur.
Der 47-jährige Moderator machte im Vorfeld der Sendung keinen Hehl daraus, dass er den ehemaligen BILD-Chefredakteur nicht ausstehen kann. Und so verlief dann auch das Interview, bei dem Krömer immer wieder dadurch auffiel, dass er Reichelt mitten im Satz ins Wort fiel, um ihn in die gewünschte Ecke zu treiben.
Krömer nimmt Reichelt genüsslich auseinander
Zu kritisieren gibt es an der „Ära Reichelt“ als BILD-Chefredakteur genug, wie Krömer dann auch während des Interviews herausarbeitet. Da wäre die Berichterstattung während der Flüchtlingskrise 2015. Die BILD bejubelte zunächst die Willkommenskultur, nur um dann polemisch gegen syrische Einwanderer anzuschreiben.
Oder aber die Berichterstattung zur Causa Jerome Boateng, bei der Krömer der BILD indirekt vorwarf, durch ihre gezielte Kampagne gegen Boatengs Ex-Freundin Kasia Lenhardt mitverantwortlich für ihren späteren Suizid gewesen zu sein. Die BILD habe private Chats des Opfer veröffentlicht, so Krömer und damit gegen den Pressekodex verstoßen.
Ähnliches Vorgehen bei Amokläufern, die BILD immer wieder unverpixelt darstellt, obwohl dies nach Expertenansicht Nachahmungstäter motiviert. Und so arbeitet sich Krömer durch die verschiedenen Rügen, die der Presserat während der „Ära Reichelt“ gegenüber der BILD-Zeitung ausgesprochen hat. Manche gibt Reichelt bereitwillig zu, gegen andere verteidigt er sich.
Der eigentliche Skandal der Sendung
Während nach der Sendung die meisten Medien – auch solche, die eigentlich nichts mit Boulevard am Hut haben – genüsslich auf Krömers Fragen nach Reichelts Drogenkonsum stürzten („Nehmen Sie Drogen? Nehmen Sie Kokain?“), ging der eigentliche Skandal unter: die Einflussnahme der BILD-Verlegerin Friede Springer auf die Corona-Berichterstattung.
Krömer leitet diesen Teil damit ein, dass er die BILD-Kampagne gegen Christian Drosten als Reichelts „größte journalistische Niederlage“ bezeichnet. „Sogar Friede Springer soll interveniert haben. Die [Friede Springer] war so angepisst, die soll ihnen sogar den Handschlag verweigert haben“, so Krömer.
Das mit dem Handschlag stimme nicht, wendet Reichelt ein. Die Kommunikation habe immer am Telefon stattgefunden. „Der Streit ging nicht um Christian Drosten“, so Reichelt weiter. „Der Streit ging um die Corona-Berichterstattung insgesamt, wo Friede Springer die Vorstellung hatte – und das mir gegenüber auch sehr deutlich gemacht hatte – das BILD in der beginnenden Corona-Krise […] ab sofort unterstützend für die Bundesregierung und die Kanzlerin berichten sollte. Und das war nicht meine Auffassung von Journalismus.“
Brachte Friede Springer die BILD auf Linie?
Die Verlegerin der auflagenstärksten Zeitung Deutschlands versuchte also nach Reichelts Aussage die Redaktion auf Regierungslinie zu bringen. Was eigentlich ein Skandal der Pressefreiheit sein sollte, geht vollkommen unter. Denn anstatt weiter nachzufragen, bemüht sich Krömer das Thema wieder auf die vermeintlich falsche BILD-Berichterstattung zu lenken.
Es geht in der Folge um die ominöse Studie Christian Drostens, nach der Kinder ansteckender sind als Erwachsene – was, wir heute wissen, nicht stimmt. Inzwischen hat sogar der Gesundheitsminister zugegeben, dass Kitas keine Pandemietreiber waren. Auf dieser Studie baute damals der gesamte Lockdown der Bundesregierung inklusive Kita- und Schulschließungen auf.
Die BILD griff die Fehler dieser Studie damals als eine der einzigen Zeitungen auf. Der Zeitung wurde darauf eine Kampagne gegen den Charité-Virologen vorgeworfen, obwohl dieser die Fehler in der Studie eingestand. In der Folge berichtete die BILD zurückhaltender gegenüber Drosten. „Wurden Sie dann im Fall Christian Drosten von Friede Springer gecancelt?“, fragt Krömer etwas desinteressiert nach. „Also nicht im Fall von Christian Drosten“, antwortet Reichelt etwas nebulös.