Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, übt scharfe Kritik an der neuen israelischen Regierung. „Einschlägig vorbestrafte Rechtsextreme im Kabinett oder Gesetzesänderungen, damit korrupte Politiker Minister werden können, sind ein Tiefpunkt der israelischen Politikgeschichte“, schrieb Schuster in einem Beitrag im Tagesspiegel. Doch mahnte er zugleich: „Es darf keine reflexartige Abkehr von Israel geben.“
Schuster schrieb, es bewege viele Juden in aller Welt, wenn im jüdischen Staat eine neue Regierung vereidigt werde: „Es geht nicht spurlos an den jüdischen Gemeinschaften der Diaspora vorüber - nicht, wenn Minister dieser Regierung sich in rassistischer, diskriminierender und verstörender Weise äußern.“ Solche Positionen seien in der jüdischen Welt nicht mehrheitsfähig.
„Das moderne Israel ist als Gegenmodell zu Menschenverachtung und Ungerechtigkeit entstanden“, betonte Schuster. „Dem Land und seinen Menschen gehört auch in diesen Zeiten unsere Solidarität.“ Man solle nun nicht in „rein gefühlsmäßige Bewertungen verfallen, sondern Vernunft und Maß halten, wie es unter demokratischen Staaten üblich ist, auch wenn einzelne Positionen und Handlungen aus diesem Wertekanon fallen mögen.“
Weite Teile der israelischen Bevölkerung lehnten den angekündigten Kurs der neuen Regierung ab, schrieb Schuster weiter. „Die Mehrheit der Menschen haben Angst und Sorge um ihr Land.“ Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hätten in Israel jahrzehntelang Kriege und Krisen überstanden. Nun stünden sie vor einer erneuten Bewährungsprobe, meinte Schuster.
Am Wochenende hatten Tausende Menschen in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv gegen die neue ultrarechte Regierung des wiedergewählten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu demonstriert. Sie war Ende Dezember vereidigt worden. Erstmals sind rechtsextreme Politiker in der Koalition vertreten.
Scharfe Kritik an geplanter Justiz-Reform
In Israel haben mehrere ehemals hochrangige Justizbeamte äußerst scharfe Kritik an der geplanten Justizreform der neuen rechts-religiösen Regierung geübt. „Wir sind überzeugt, dass dieser Plan keine Verbesserung des (Justiz-)Systems verspricht, sondern es vielmehr zu zerstören droht“, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung, die von elf früheren General- und Staatsanwälten unterzeichnet wurde. Sie seien entsetzt gewesen, als sie von den Plänen des neuen Justizministers Jariv Levin hörten.
Die geplante Änderung bei der Ernennung von Richtern führe dazu, den Obersten Gerichtshof von einer unabhängigen Institution in ein „pseudopolitisches Gremium zu verwandeln, das verdächtigt werden kann, Entscheidungen zugunsten der Regierung zu fällen“, heißt es in dem Schreiben weiter. Sie forderten die Regierung auf, die Pläne aufzugeben.
Am Mittwochabend war ein erster Gesetzentwurf zu den Reformplänen veröffentlicht worden. Eine Mehrheit im Parlament soll demnach ein Gesetz verabschieden können, auch wenn es nach Ansicht des Höchsten Gerichts gegen das Grundgesetz verstößt. Levin will außerdem die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. „Ich denke, dass (diese Reform) für die Existenz der Demokratie und die Wiederherstellung des Vertrauens der Öffentlichkeit unerlässlich ist“, sagte Levin. Er wirft dem Höchsten Gericht etwa eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor.
Der frühere Ministerpräsident Ehud Barak rief angesichts der Pläne zu Protest auf. Die neue Regierung wolle „das Regierungssystem stürzen und die Unabhängigkeitserklärung sowie die Grundwerte, für die der Staat Israel gekämpft hat und zu deren Förderung er gegründet wurde“ zerstören, schrieb Barak in einem Gastbeitrag in der israelischen Zeitung Jediot Achronot. Es sei Pflicht eines jeden Bürgers, sich dem Kampf für das Heimatland anzuschließen.
Am Samstag ist in Tel Aviv erneut eine Demonstration mit mehreren Tausend Menschen gegen die neue Regierung geplant. Israel neuer Polizeiminister, Itamar Ben-Gvir, hatte bereits ein härteres Vorgehen gegen Demonstrationen und Demonstranten angekündigt.