Deutschland

Teure Energie: Deutsche Wirtschaft warnt vor Verlagerung ins Ausland

Lesezeit: 2 min
17.01.2023 16:55
Die hohen Energiekosten treiben zahlreiche deutsche Firmen ins Ausland. Die Energiepreisbremsen beantragen viele Firmen wegen der hohen Hürden erst gar nicht.
Teure Energie: Deutsche Wirtschaft warnt vor Verlagerung ins Ausland
Die im Vergleich zu anderen Staaten extrem teure Energie ist weiterhin ein massives Problem für die deutsche Wirtschaft. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die deutsche Wirtschaft sieht ihre globale Wettbewerbsfähigkeit wegen der hohen Energiepreise zunehmend gefährdet. Zunehmend in der Kritik stehen Auflagen für Unternehmen und ein hoher bürokratischer Aufwand bei den Energiepreisbremsen.

Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte am Dienstag in Berlin, Deutschland gerate immer mehr ins Hintertreffen gegenüber anderen Regionen der Welt. Der drastische Energiepreissprung sei eine erhebliche Bedrohung für den Standort. Russwurm warnte vor Produktionsverlagerungen.

So koste in den USA lokal gefördertes Gas gegenwärtig gerade einmal ein Fünftel dessen, was in Deutschland zu bezahlen sei. Der Kostenfaktor Energie schwäche längst nicht nur energieintensive Unternehmen, sondern habe spürbare Auswirkungen auf die gesamten Wertschöpfungsketten der Industrie, sagte Russwurm. Produktionsverlagerungen auch in anderen Branchen seien nicht auszuschließen.

Die Bundesregierung müsse die Rahmenbedingungen verbessern. So müssten «sehr schnell» Blockaden für die Energiepreisbremsen aufgelöst werden. Viele Betriebe könnten die Preisbremsen aufgrund der zu restriktiven Randbedingungen gar nicht in Anspruch nehmen.

Die Gas- und Wärmepreisbremse greift für Großverbraucher seit dem Januar, für private Privathaushalte und kleine Firmen dann ab März - mit einer rückwirkenden Entlastung für die Monate Januar und Februar.

Russwurm nannte als eine «Hauptbremse» für Entlastungen die Vorgabe, dass ein Unternehmen für die volle Förderung einen Rückgang des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um mehr als 40 Prozent verzeichnen muss. Das wüssten die Firmen aber erst beim Jahresabschluss im kommenden Jahr. Deswegen müssten Unternehmen Rückstellungen bilden für eine mögliche Rückzahlung staatlicher Hilfen. Russwurm nannte es außerdem «weltfremd», dass es für weite Teile der Wirtschaft im Falle einer staatlichen Unterstützung ein Verbot von Dividenden sowie variabler Einkommen gebe.

Die Energiepreisbremsen seien eigentlich als «Versicherung gegen Preisspitzen» geplant gewesen, sagte Russwurm, der als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) Co-Vorsitzender der Gaspreiskommission war. Dies hatte einen Vorschlag für die Preisbremsen gemacht.

Auch die Familienunternehmer beklagten zu viel Bürokratie bei den Preisbremsen. Reinhold von Eben-Worlée, Präsident der Familienunternehmer, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Viele Unternehmer sind verunsichert über die für eine Bewilligung erforderlichen Angaben. Die Hilfen können voraussichtlich nur unter enormem bürokratischen Aufwand beantragt werden.»

Die zu befürchtenden Rückzahlungen durch falsche Einschätzung der Zukunft oder drohende gefährliche Haftungsfragen bei Fehlern in den Anträgen schreckten viele Unternehmer ab. Große Konzerne könnten dafür extra neue Leute einstellen und Berater engagieren. «Viele Mittelständler aber werden bei diesen Hilfsprogrammen erst gar nicht einsteigen. Wer aber die Hilfen nicht bekommt, verliert Wettbewerbsfähigkeit und wird seine Produktion drosseln, verlagern oder einstellen», sagte Eben-Worlée.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Preisbremsen für die Industrie seien so pauschal ausgestaltet wie es das europäische Beihilferecht zulasse. Die Vorgabe der Europäischen Kommission sehe besondere Regelungen für die Entlastung von größeren Unternehmen vor, die insgesamt um mehr als 2 Millionen Euro je Unternehmensverbund entlastet werden. Für besonders große industriellen Verbraucher gelten demnach unterschiedliche Regelungen abhängig vom Gewinnrückgang des Unternehmens, der Einordnung als energieintensiver Betrieb oder der Energie- und Handelsintensität der jeweiligen Branche.

Russwurm forderte, die EU müsse das Beihilferecht anpassen, auch unabhängig von der unmittelbaren Krisenhilfe. Die Bundesregierung solle außerdem Steuern und Abgaben auf Energie senken.

Zu einer befürchteten tiefen Rezession in Deutschland wegen der Energiepreiskrise oder Problemen bei weltweiten Lieferketten wird es aber nicht kommen, wie Russwurm deutlich machte. Der BDI rechne für das Jahr 2023 mit einem leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent. Ab Frühjahr sollte es aufwärts gehen. Die Bundesregierung rechnet bisher damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpft. (dpa)


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...