Finanzen

EZB-Zinserhöhung am Donnerstag um 0,5 Punkte gilt als sicher

Lesezeit: 2 min
28.01.2023 12:15
Alles deutet darauf hin, dass die EZB eine erneute kräftige Zinserhöhung ankündigen wird. Doch über den weiteren Kurs im Februar und März sind Ökonomen uneins.
EZB-Zinserhöhung am Donnerstag um 0,5 Punkte gilt als sicher
EZB-Präsidentin Christine Lagarde beim Treffen der Finanzminister der Eurogruppe am 16. Januar. (Foto: dpa)
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Im Kampf gegen die hohe Inflation wird die EZB bei ihrer ersten Zinssitzung im neuen Jahr voraussichtlich erneut kräftig an der Zinsschraube drehen. Anleger und Experten gehen davon aus, dass die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde auf ihrem Treffen am Donnerstag die Schlüsselsätze wie zuvor im Dezember um einen halben Prozentpunkt anheben werden.

Das Augenmerk richtet sich vor allem darauf, wie sich Lagarde nach dem Beschluss zum weiteren Zinspfad äußern wird. Die EZB-Chefin hatte zwar im Dezember mehrere Zinserhöhungen um jeweils 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt. Doch an den Finanzmärkten wurde zuletzt auch spekuliert, die EZB könne bereits im März auf eine weniger aggressive Gangart umschalten und die Zinsen dann lediglich um einen Viertel Prozentpunkt anheben.

Höhere Kosten hätten wahrscheinlich viele Unternehmen veranlasst, weitere Preiserhöhungen durchzusetzen, vor allem zu Beginn des Jahres, meint Europa-Volkswirtin Ulrike Kastens von der Fondsgesellschaft DWS. Sie verwies auf die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet sind. Diese könne in den nächsten Monaten sogar in Richtung 5,5 Prozent von 5,2 Prozent im Dezember steigen. "All dies spricht für weitere Zinserhöhungen: 50 Basispunkte sind unserer Meinung nach im Februar gesetzt", so die Expertin. Auch ING-Chefökonom Carsten Brzeski ist sich für Donnerstag sicher: "Eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte scheint beschlossene Sache zu sein." Kein einziger EZB-Vertreter habe eine divergierende Ansicht geäußert.

Die Inflation war im Dezember zwar infolge sinkender Energiepreise auf 9,2 Prozent von 10,1 Prozent im November zurückgegangen. Von Entwarnung zu reden wäre aber verführt. Denn die Teuerung liegt damit immer noch mehr als vier mal so hoch wie das Ziel der EZB von zwei Prozent Inflation. Zudem war die Kernrate zuletzt von 5,0 Prozent im November auf 5,2 Prozent angestiegen. Die jüngsten Projektionen der EZB-Volkswirte vom Dezember waren davon ausgegangen, dass die Inflation auch 2025 mit 2,3 Prozent noch über der Notenbank-Zielmarke liegen wird.

Was die darauffolgende März-Zinssitzung angeht, sprechen die Kurse an den Finanzmärkten keine eindeutige Sprache. Die Volkswirte der US-Großbank Citigroup verweisen auf die Beschlüsse vom Dezember. "Wir interpretieren das Ergebnis der Dezembersitzung des EZB-Rats dahingehend, dass eine Reihe von Zinserhöhungen um 50 Basispunkte, zumindest im Februar und März, mehr als nur eine Erwartung war," schreiben die Citigroup-Ökonomen. "Es war eine feste Absicht." Dieser Ausblick sei Bestandteil der Entscheidung gewesen - die Hürde für eine Abänderung werde daher sehr hoch sein.

Aus Sicht von DZ-Bank-Analyst Christian Reicherter ist ein ausgeprägter Konjunktureinbruch zuletzt zwar weniger wahrscheinlich geworden. Doch mit Blick auf die kommenden beiden Quartale sollte eine rezessive Phase nicht ausgeschlossen werden. Letztendlich rechne er damit, dass die EZB-Führung mit Blick auf die März-Sitzung an ihrer Orientierung für eine weitere Anhebung um einen halben Prozentpunkt festhalten wird. "Für eine Abkehr vom avisierten Zinserhöhungspfad bräuchte es ansonsten gute Gründe, um nicht die Glaubwürdigkeit der Notenbank zu untergraben", sagt Reicherter.

Die Volkswirte der US-Bank Morgan Stanley gehen davon aus, dass die EZB auch im März die Zinsen um 0,50 Prozentpunkte anhebt, dann aber im Mai das Tempo auf 0,25 Prozentpunkte verlangsamen wird. "Wir denken, dass sie im Juni ihren Zinserhöhungszyklus beenden wird mit Erreichen eines Zinsgipfels bei 3,25 Prozent", schätzt das Geldhaus. Aktuell liegt der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der aktuell am Finanzmarkt der maßgebliche Zins ist, bei 2,0 Prozent.

ING-Chefvolkswirt Brzeski sieht jetzt vor allem die Kommunikation der EZB gefragt. "Wenn EZB-Währungshüter nicht zufrieden sind wie die Finanzmärkte ihre Kommunikation wahrnehmen, sollten sie sich vielleicht selbst fragen, warum das geschieht, und über die Botschaften nachdenken, die sie gesendet haben." (Reuters)


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