Die russischen Ölexporte auf dem Seeweg steigen. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Erstens: Russland exportiert mehr Öl auf dem Seeweg, weil Deutschland und Polen die Importe über Pipelines nahezu eingestellt haben. Zweitens: Moskau bereitet sich auf das bevorstehende Verbot von Brennstoffkäufen durch die Europäische Union vor.
Russlands Rohölexporte stiegen der Woche bis zum letzten Freitag wieder an und holten den Rückgang der Vorwoche fast wieder auf. Das Gesamtvolumen stieg um 480.000 Barrel pro Tag auf 3,6 Millionen, wie Bloomberg berichtet. Die Verschiffungen aus den Häfen an Ostsee und Pazifik stiegen gegenüber der Vorwoche um jeweils 310.000 Barrel pro Tag, während die Verschiffungen aus der Arktis rückläufig waren. Die Verschiffungen über das Schwarze Meer blieben unverändert.
Schon seit dem 5. Dezember ist in der EU der Import von Rohöl aus Russland über den Seeweg verboten. Zudem gilt für russisches Rohöl eine Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel, die Unternehmen einhalten müssen, wenn sie weiterhin Rohöl von Russland kaufen wollen und dafür Dienstleistungen wie Versicherungen aus der EU in Anspruch nehmen wollen.
Am 5. Februar setzt die EU entsprechende Maßnahmen auch für Raffinerieprodukte in Kraft. Das EU-Importverbot auf raffiniertes Öl wird ebenfalls von einem Preisdeckel begleitet, der Lieferungen an außereuropäische Abnehmer verhindern soll, wenn die Ladungen über der noch zu vereinbarenden Preisobergrenze gekauft werden.
Höchste Öl-Exporte auf dem Seeweg seit Juni
Der jüngste Anstieg der Ölexporte hat den Vier-Wochen-Durchschnitt in die Höhe getrieben, der Spitzen und Talsohlen in den wöchentlichen Daten glättet, die von den Abfahrtszeiten der einzelnen Sendungen und von Faktoren wie Wetterbedingungen und Arbeit in den Häfen beeinflusst werden. Gemessen an diesem Wert waren die Ölexporte auf dem Seeweg aus Russland mit 3,34 Millionen Barrel pro Tag die höchsten seit Juni.
Die russischen Ölgesellschaften konnten ihr Rohöl, das nun von den traditionellen europäischen Kunden gemieden wird, an willige neue Abnehmer umleiten, vor allem in Indien. Doch es ist noch nicht klar, ob es ihnen genauso leicht fallen wird, raffinierte Produkte auf Märkte umzulenken, die von ihren eigenen Raffinerien gut versorgt werden.
Die Tanker, die russisches Rohöl transportieren, werden hinsichtlich ihrer endgültigen Bestimmungsorte immer vorsichtiger. In den vier Wochen bis zum 27. Januar verließen Schiffe mit mehr als 33 Millionen Barrel russischem Rohöl die Häfen, ohne ein klares Endziel anzugeben. Das entspricht 1,19 Millionen Barrel Exporten pro Tag.
Im Vier-Wochen-Durchschnitt stiegen die Gesamtexporte auf dem Seeweg um 237.000 Barrel pro Tag gegenüber einer revidierten Zahl für den Zeitraum bis zum 20. Januar. Die Verschiffungen nach Asien - sowie die Ladungen, die wahrscheinlich Asien als Bestimmungsort bestätigen, wenn die Schiffe ihre Signale aktualisieren - stiegen stark an, während die Verschiffungen nach Europa fast vollständig zum Erliegen kamen.
Die Zahlen schließen kasachisches Öl der Sorte KEBCO aus. Dabei handelt es sich um Exporte von KazTransoil JSC, die mit russischem Öl gemischt werden, um eine einheitliche Exportqualität zu erhalten, und dann für den Export über Ust-Luga und Novorossiysk durch Russland geleitet werden. Transit-Rohöl ist ausdrücklich von den EU-Sanktionen ausgenommen.
Die Menge an Rohöl auf Schiffen, die für China, Indien und die Türkei bestimmt sind auf Schiffen, deren endgültiger Bestimmungsort noch nicht feststeht, stiegen in den vier Wochen bis zum 27. Januar auf 3,12 Millionen Barrel pro Tag. Das sind 267.000 Barrel pro Tag mehr als in der Vorwoche und der höchste Wert, seit Bloomberg Anfang 2022 mit der detaillierten Überwachung der Lieferströme begonnen hat.
Der Vier-Wochen-Durchschnitt der Lieferungen an asiatische Abnehmer, zuzüglich der Lieferungen auf Schiffen ohne endgültigen Bestimmungsort, die in der Regel in Indien oder China landen, stieg in der Vier-Wochen-Periode bis zum 27. Januar auf einen neuen Höchststand von 3,03 Millionen Barrel pro Tag.
Auch wenn die nach Indien gehenden Mengen anscheinend zurückgegangen sind, zeigt die Vergangenheit, dass die meisten Ladungen auf Schiffen, die zunächst keinen endgültigen Bestimmungsort angeben, dort landen. Das Äquivalent von mehr als 681.000 Barrel pro Tag befand sich auf Schiffen, die als Bestimmungsort entweder Port Said oder Suez angaben oder die vor dem südkoreanischen Hafen Yeosu von einem Schiff auf ein anderes umgeladen werden. Diese Fahrten enden in der Regel in Indien.
Die unbekannten Mengen, die sich in den vier Wochen bis zum 27. Januar auf 510.000 Barrel pro Tag beliefen, stammen von Tankern, die als Bestimmungsort Ceuta, Kalamata oder gar nichts angeben. Die meisten dieser Ladungen gehen weiter nach Asien, aber einige könnten in der Türkei landen.
Auch Europa importiert noch russisches Öl
Die Ziele für russisches Rohöl in Asien sind nun viel teurer und zeitaufwändiger zu bedienen, als die bisherigen nahe gelegenen Abnehmer in Europa. Eine zunehmende Zahl wird im Mittelmeer von einem Schiff auf ein anderes umgeladen, um durch den Suezkanal oder auf größeren Schiffen rund um Afrika weiterzufahren.
Russlands Rohölexporte auf dem Seeweg in europäische Länder stiegen in den 28 Tagen bis zum 27. Januar auf 146.000 Barrel pro Tag, wobei Bulgarien das einzige Ziel war. In der Vergangenheit verbrauchte Europa täglich mehr als 1,5 Millionen Barrel, die über Exportterminals in der Ostsee, im Schwarzen Meer und in der Arktis geliefert wurden.
Die Zuflüsse nach Bulgarien, das nun Russlands einziger Markt am Schwarzen Meer ist, machten die Hälfte des Verlustes der Vorwoche wieder wett und stiegen auf 146.000 Barrel pro Tag. Bulgarien scheint die teilweise Befreiung vom EU-Importverbot in vollem Umfang zu nutzen. Das Land importiert seit Inkrafttreten des Embargos mehr als dreimal so viel russisches Rohöl wie in den ersten acht Wochen des Jahres 2022.
Die Türkei war der einzige Bestimmungsort für russische Rohöl-Exporte auf dem Seeweg ins Mittelmeer. Die Lieferungen dorthin sind zwar in den letzten Wochen leicht angestiegen. Sie liegen aber nach wie vor deutlich unter dem Niveau, das über weite Strecken des vergangenen Jahres erreicht wurde.
Die Türkei gehörte zu den Ländern, die ihre Importe nach Kriegsbeginn erhöhten, und es ist überraschend, dass die Ströme so gedämpft sind, da das Land nicht unter das EU-Importverbot fällt und als wichtiger Markt für russisches Rohöl galt, nachdem die europäischen Käufer russisches Rohöl gemieden hatten.
Russland hat Anfang Januar die Ausfuhrzollsätze halbiert, die bei einem bestimmten Rohölpreis pro Barrel zu zahlen sind. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Regierung zudem aufgefordert, die russischen Ölabgaben zu reformieren, um die Auswirkungen der Sanktionen auf den Staatshaushalt auszugleichen. Die Beamten sollen bis zum 1. März Vorschläge für eine neue Methode zur Bewertung der Preise für russisches Rohöl und Produkte ausarbeiten, die für die Festlegung der Zollsätze verwendet werden.