„Kartoffelchips, Computerchips … wo ist der Unterschied?“ fragte Anfang der 1990er Jahre angeblich ein führender Wirtschaftsberater von US-Präsident George H.W. Bush. „Hundert Dollar hiervon oder hundert Dollar davon sind noch immer hundert Dollar.“ Zu jener Zeit drängten japanische Unternehmen ihre amerikanischen Konkurrenten aus dem Markt für Speicherchips, doch die marktgläubigen Eliten in Washington widersetzten sich erbittert jeder Form von industriepolitischen Maßnahmen zum Schutz der heimischen Halbleiterindustrie. Wenn ausländische Unternehmen Chips billiger produzieren könnten, so argumentierten sie, würden die amerikanischen Verbraucher die Kostenersparnisse einstecken und ihre Ausgaben auf andere Sektoren richten.
Die Chiphersteller im Silicon Valley waren verständlicherweise konsterniert. Doch sie waren durchaus nicht die einzige Branche, die unter der japanischen Konkurrenz litt, und die US-Regierung konnte es sich nicht leisten, sie alle zu schützen. (Und sie konnte auch den politischen Gegenwind nicht riskieren, den es verursacht hätte, wenn sie einige, aber nicht alle Branchen geschützt hätte.) In den Folgejahren entwickelten sich die Struktur und Zusammensetzung der US-Wirtschaft entsprechend. Der amerikanische Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion fiel von 37 % (1990) auf heute 12 %. Inzwischen entfallen mehr als 70 % der Halbleiterproduktion auf Asien, wobei die fortschrittlichsten Chips heute ausschließlich in Taiwan und Südkorea hergestellt werden.
Doch erst während der COVID-19-Pandemie schien den USA (und der übrigen Welt) aufzugehen, dass Computerchips tatsächlich etwas komplett anderes sind als Kartoffelchips. Weil Halbleiter in einem riesigen Spektrum von Waren zum Einsatz kommen – von Computern, Smartphones und Kaffeemaschinen bis hin zu Spielzeug, Autos und Waffensystemen –, kostete der globale Mangel an Chips des Jahres 2021 die US-Wirtschaft rund 240 Milliarden Dollar (etwa 1 % vom BIP). Die weltweite Autoindustrie produzierte 7,7 Millionen Autos weniger, als sie das sonst getan hätte, und auch die Gesundheits-, Verteidigungs-, Raumfahrt- und Energiesektoren erlitten sämtlich hohe Verluste.
Als Auslöser einer Kettenreaktion aus Produktionsunterbrechungen und Auftragsrückständen trug der Chipmangel zu dem Inflationsdruck bei, den die Notenbanken jetzt mühsam zu unterdrücken suchen. Im Rahmen einer breiter angelegten politischen Reaktion setzen sowohl Europa als auch die USA nun Maßnahmen um, um ihre heimischen Produktionskapazitäten zu stärken. Das im vergangenen Februar angekündigte Europäische Chip-Gesetz soll öffentliche und private Investitionen in Milliardenhöhe mobilisieren, um künftige Störungen innerhalb der Lieferketten zu verhindern.
In ähnlicher Weise soll der im vergangenen August verabschiedete US CHIPS & Science Act eine Renaissance im Bereich der heimischen Fertigung in den USA unterstützen. Parallel dazu haben die USA die Halbleiterbranche im Rahmen ihrer strategischen Rivalität mit China zur Waffe gemacht und weitreichende Exportkontrollen verhängt, um chinesische Unternehmen am Zugang zu den fortschrittlichsten Chips und Maschinen zur Chipherstellung zu hindern.
Die Halbleiterindustrie hat sich somit im Laufe ihrer Entwicklung zugleich zu einem der wichtigsten geopolitischen und wirtschaftlichen Themen unserer Zeit entwickelt.
Das neue El Dorado: Silicon Valley
Chips sind die Bausteine der künstlichen Intelligenz, der 5G-Kommunikation, des Internets der Dinge, der Quantencomputer und anderer Zukunftstechnologien. Gemäß dem Moore’schen Gesetz (das in Wahrheit lediglich eine kluge Beobachtung ist), hat sich die Zahl der Transistoren auf einem Mikrochip seit den 1960er Jahren alle zwei Jahre in etwa verdoppelt, was zu einer Zunahme der Rechenleistung um das Eine-Billion-Fache geführt hat. Ein modernes Smartphone verfügt über rund 100.000 Mal so viel Rechenleistung wie der Computer, der bei den Apollo-Mondmissionen zum Einsatz kam.
Obwohl ein Teil dieser Geschichte globaler Art ist, wären derart außergewöhnliche Fortschritte unmöglich gewesen ohne die visionären Unternehmer, die das Silicon Valley zu dem gemacht haben, was es heute ist. Jedoch widerlegt die Historikerin Margaret O’Mara von der University of Washington in ihrem Buch The Code den Gründungsmythos des Silicon Valley von den einsamen Genies, die die Welt von ihren Garagen aus veränderten. „Das Silicon Valley ist weder eine Geschichte des Big Government noch des freien Marktes“, schreibt sie. „Es ist beides.“ Es würde ohne seine führenden Köpfe nicht existieren, doch hätte es ohne die öffentlich finanzierte Forschung und Innovation, die Menschen auf den Mond gebracht und zur Entwicklung des Internets geführt hat, nicht derart viel erreicht.
Natürlich ist diese Argumentation nicht neu. Doch ist O’Mara eine talentierte Autorin, und ihre Darstellung stützt sich auf akribische Recherchen. Während die Computerelite im Silicon Valley in einzigartiger Weise darauf fokussiert sein mag, den Status quo zu erschüttern und die Zukunft zu erfinden, muss, wer ihre Welt verstehen will, bei ihrer frühen Geschichte ansetzen.
Diese beginnt 1939, als zwei Absolventen der Universität Stanford, William Hewlett und David Packard, eine Reihe verbesserter Vakuumröhren für Funk- und andere elektronische Anwendungen entwickelten. In einer Garage in der Addison Avenue 367 in Palo Alto – die heute als Geburtsort des Silicon Valley gilt – starteten sie gemeinsam ein Unternehmen, und ihr Timing war unschlagbar. Dank Großbestellungen des US-Verteidigungsministeriums während des Zweiten Weltkriegs stieg die Hewlett-Packard Company rasch zu globaler Prominenz auf, was die anschließende Kommerzialisierung der neuen Elektronikindustrie erleichterte.
Der Kanzler der Universität Stanford, Frederick Terman, reformierte derweil seine Hochschule, indem er die naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen mit Geldern aus dem US-Verteidigungshaushalt ausbaute und Land der Universität an Hightech-Unternehmen vermietete. So entstand der Stanford Industrial Park. Zu den Firmen, die sich hier niederließen, gehörten u. a. HP und ein William Shockley, dem Miterfinder des Transistors, gehörendes Unternehmen. Die Halbleiterbranche begann, Gestalt anzunehmen.
Der Wendepunkt kam 1957, als einige von Shockleys begabtesten Mitarbeitern – die „verräterischen Acht“ – (wegen Shockleys widerwärtigem Führungsstil) das Unternehmen verließen und Fairchild Semiconductor gründeten. Fairchild verdankte sein frühes Wachstum seiner Rolle als Auftragnehmer der Regierung für das Apollo-Programm der 1960er Jahre. Doch im Laufe der Zeit leiteten und investierten seine Gründer in hunderte von Start-ups, die die Entwicklung des Silicon Valley bestimmen sollten – darunter Intel, das den ersten Mikroprozessor einführte, und das Wagniskapitalunternehmen Kleiner Perkins.
Die US-Bundesregierung ihrerseits kaufte nicht einfach nur Chips und Schaltkreise von diesen Unternehmen. Sie setzte aktiv Anreize, um die wissenschaftliche Forschung voranzutreiben. Den Unternehmern wurden jede Menge Freiheiten gewährt, um die Grenzen der Technologie auszureizen. „Die US-Regierung“, so O’Mara, „stieg ins Elektronikgeschäft ein und wurde gewissermaßen zum ersten und womöglich größten Wagniskapitalgeber des Silicon Valley.“
Natürlich wollten spätere Köpfe des Silicon Valley die Rolle der Regierung als Katalysator nicht wahrhaben. So prahlte 1996 etwa der künftige CEO von Apple, Steve Jobs: „Silicon Valley ist traditionell nicht an Almosen interessiert.“ Dabei würde seine größte Leistung, das iPhone, ohne eine Reihe im Laufe der Jahre von der US-Bundesregierung geförderter Schlüsseltechnologien nicht existieren.
Chip-Kriege
Zum Schluss ihres Buches konstatiert O’Mara, dass das Silicon Valley „nicht länger bloß ein Ort in Nordkalifornien“ sei, sondern das Zentrum einer sich über drei Kontinente erstreckenden „enormen Lieferkette“. Eine detaillierte Schilderung der Entwicklung der Branche, die u. a. Interviews mit einigen der zentralen Akteure enthält, bietet Chris Miller, Historiker an der Tufts University, in seinem Buch Chip War. Ab den 1970er Jahren fanden die Halbleiterunternehmen es (wie viele andere auch) vorteilhaft, ihre Produktion nach Ostasien zu verlegen. Dort gab es billige Arbeitskräfte en masse, und die für die Chipherstellung benötigten giftigen Chemikalien waren weniger streng reguliert. Den Rest besorgte der erbitterte Wettbewerb am Markt.
Als der US-Halbleitersektor in den 1960er Jahren noch in den Kinderschuhen steckte, hatte er fast keine Konkurrenz. Zwar entwickelten die Sowjets rasch eine „Kopierstrategie“. Doch diese erwies sich als unzureichend für eine Technologie, die sich mit dem Tempo des Moore’schen Gesetzes weiterentwickelte. Bis die Sowjets einen Chip des neusten Modells nachbauen konnten, war er schon wieder veraltet. In den 1980er Jahren jedoch trat dann mit Japan ein ernsthafter Herausforderer auf den Plan. Intel (das damals unter der Leitung von Andy Grove stand) wurde aus dem Speicherchipmarkt gedrängt und musste sich als Anbieter von Mikroprozessoren neu erfinden.
Diese Entscheidung machte sich bezahlt und bereitete den Boden für den Aufstieg der US-Computerbranche. Die Halbleiterindustrie im engeren Sinne jedoch entwickelte sich auf sonderbare Weise. Einerseits gehört sie zu den international am stärksten integrierten Sektoren weltweit; die unterschiedlichen Phasen der Forschung, des Designs, der Produktion und des Einbaus sind über Nordamerika, Europa und Ostasien verteilt. US-Halbleiterunternehmen arbeiten im Schnitt mit etwa 16.000 Lieferanten zusammen.
Andererseits ist die Branche auch eine der am stärksten konzentrierten Branchen der Welt. In jedem Stadium der globalen Wertschöpfungskette spielen einige wenige Unternehmen eine überproportional große Rolle. Das liegt an der Komplexität der Technologien und der Höhe der Investitionen, die diese erfordern. Probleme bei jedem einzelnen dieser Unternehmen können die gesamte Branche aus dem Tritt bringen.
Während eine Handvoll US-Unternehmen die vorgelagerten Teile der Lieferkette – insbesondere das Softwaredesign – kontrollieren, gibt es bei der Chipproduktion noch zwei weitere Engpässe. Das niederländische Unternehmen ASML hat ein Monopol auf die hochmodernen Lithographie-Maschinen, die zum Drucken der winzigen Muster genutzt werden, welche bestimmen, was die jeweiligen Chips tun.
In ähnlicher Weise stellt die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company über 90 % der Hochleistungschips her, die in elektronischen Geräten als „Gehirne“ fungieren (sogenannte Logikchips, die zur Durchführung einer Aufgabe Informationen verarbeiten. Sie sind zu unterscheiden von den technologisch weniger komplexen Speicherchips, in denen Informationen gespeichert werden.) In seinem modernsten Werk (Fab 18) kann TSMC hochmoderne Chips mit Merkmalen produzieren, die nur drei Nanometer klein sind – etwa ein Vierzehntel der Größe des Coronavirus. Und was die Anfälligkeit der Lieferkette unterstreicht: Die Schicksale von ASML und TSMC sind miteinander verknüpft, weil TSMC ohne die Lithographie-Technologien, die ASML verkauft, nicht arbeiten könnte.
Taiwans Siliziumglanz
TSMC wurde 1987 von Morris Chang gegründet, der in China geboren wurde, aber für einen Großteil seiner Karriere bei Texas Instruments in den USA arbeitete, wo er eine Schlüsselrolle bei der Optimierung der Chipproduktion spielte. Nachdem er bei TI bei der Besetzung der Rolle des CEO übergangen wurde, machte er sich auf nach Taiwan, um dort sein Chipimperium zu errichten.
Wie im Falle des Silicon Valley war dafür öffentliches Geld grundlegend. Die staatliche Unterstützung war von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Halbleiterunternehmen, die damals nicht nur in Taiwan, sondern auch in Japan und Südkorea Wurzeln schlugen. Hätte man Chang damals in Texas den Spitzenjob angeboten, wäre Taiwan heute vermutlich geopolitisch und wirtschaftlich deutlich weniger relevant. Die derzeitigen Spannungen zwischen China und den USA in Bezug auf die Insel sind teils durch die chinesische Innenpolitik bedingt, aber auch durch Befürchtungen beider Seiten, den Zugriff auf die modernsten Chips zu verlieren. Taiwans Hoffnung ist, dass sein „Siliziumschild“ China von einem direkten Angriff abschrecken und den Westen zum Schutz des Landes veranlassen wird. Doch wie China mit seinen Manövern im Gefolge des Besuchs der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan im August 2022 unter Beweis gestellt hat, kann es faktisch verhindern, dass Waren die Insel verlassen.
Sollte China in Taiwan einmarschieren – womöglich sogar mit der ausdrücklichen Absicht, die Kontrolle über TSMC zu erlangen –, bliebe das Unternehmen wohl kaum lebensfähig, und die weltwirtschaftlichen Auswirkungen wären enorm. TSMC-Chairman Mark Liu hat im August darauf hingewiesen, dass „niemand TSMC gewaltsam kontrollieren kann“. Eine Invasion würde die Werke in Taiwan „inoperabel“ machen, denn die Chipproduktion sei „abhängig von der Echtzeit-Verbindung zur Außenwelt: zu Europa, Japan und den USA“. Zudem könnten die Taiwanesen im Falle einer Invasion die Fabriken einfach zerstören.
Unternehmen und Regierungen sind sich dieser Risiken zunehmend bewusst – und zunehmend besorgt über Taiwans zentrale Rolle innerhalb der Branche. Die Privatwirtschaft bemüht sich, ihre Lieferketten durch Verträge mit anderen asiatischen Ländern von der Insel weg zu diversifizieren, und die Regierungen versuchen, wieder heimische Kapazitäten aufzubauen, indem sie die betreffenden Unternehmen in ihre Länder locken. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat TSMC vor kurzem überredet, neue Fabriken in Arizona zu bauen, und dabei eine Form staatlicher Unterstützung eingesetzt, die an die Industriepolitik der asiatischen Regierungen während der 1980er Jahre erinnert.
Verführerische Sanktionen
Die USA haben diesen Prozess des „Reshorings“ beschleunigt, indem sie ihre eigene Stellung innerhalb der globalen Halbleiterbranche zur Waffe gemacht haben. Laut Bidens nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan können die USA nicht länger darauf bauen, dass es reicht, ihren Wettbewerbern bei Schlüsseltechnologien lediglich ein paar Generationen voraus zu sein. „Angesichts der grundlegenden Beschaffenheit bestimmter Technologien, wie z. B. fortschrittlichen Logik- und Speicherchips“, so äußerte er im September, „müssen wir uns einen möglichst großen Vorsprung bewahren.“
Mit ihrem Exportverbot vom Oktober nahm die Biden-Regierung den Verkauf von Hochleistungschips an China ins Visier. Es untersagt US-Unternehmen, moderne Computerchips, Maschinen zur Chipherstellung oder verwandte Produkte ohne eine Sonderlizenz an chinesische Käufer zu liefern. Das Verbot gilt auch für ausländische Unternehmen, die US-Halbleitertechnologie nutzen.
Ziel dabei ist es, einen Würgegriff bei hochmodernen Computer- und Halbleitertechnologien anzusetzen. Da sich Chinas Chipproduzenten auf die Herstellung weniger fortschrittlicher Mikroprozessoren (für den Einsatz in Geräten wie Kühlschränken und Waschmaschinen) spezialisiert haben, verfügen sie nicht über die Fähigkeit zur Herstellung der in KI-Anwendungen eingesetzten Hochleistungschips. Indem sie es am Zugriff auf derartige Chips und auf die zu ihrer Herstellung benötigten Fachleute und Maschinen hindern, versperren die USA China faktisch einen Pfad der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung.
In Backfire erläutert Agathe Demarais, Prognostikdirektorin der Economist Intelligence Unit, die Risiken derartiger Maßnahmen. Auch wenn ihr Manuskript vor dem Exportverbot für Chips fertiggestellt war, ist ihre Argumentation klarsichtig: Sanktionen, so schreibt sie, haben eine geringe Erfolgsquote, hohe wirtschaftliche Kosten und massive unbeabsichtigte Folgen. Um wirksam zu sein, sollten sie zielgerichtet und kurzzeitig eingesetzt werden und von Verbündeten unterstützt werden.
Das Exportverbot für Chips erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Sein Ziel – Chinas wirtschaftlichen Aufstieg zu stoppen – ist breit und langfristig angelegt, und die US-Verbündeten wurden diesbezüglich nicht vorab konsultiert. Schlimmer noch ist, dass derartige Sanktionen zu Vergeltungsmaßnahmen einladen: einer weiteren Eskalation der Spannungen in Bezug auf Taiwan, einem Exportstopp für seltene Erden (von denen 81 % aus China kommen) oder verstärkten chinesischen Anstrengungen zum Aufbau heimischer Kapazitäten.
Zwar können chinesische Unternehmen ohne US-Knowhow die kleinsten und modernsten Chips nicht produzieren. Doch könnte China laut einer glaubwürdigen Analyse ca. 70 % seines Bedarfs an Mikrochips durch außeramerikanische Lieferanten decken. Die politischen Entscheider lenken zudem Investitionen in heimische Unternehmen, die den Schwerpunkt auf das Chip- und Softwaredesign und auf Maschinen zur Halbleiterfertigung setzen. Und über den Versuch zum Aufbau nationaler Champions in diesen Bereichen hinaus baut die chinesische Führung derzeit ein Ökosystem kleinerer, hochgradig spezialisierter, für die Chipproduktion zentraler Branchen auf – etwa die Aufdampfung, die Wafer-Reinigung, die schnelle thermische Bearbeitung und die Messtechnik.
Im Rahmen von Präsident Xi Jinpings Plan „Made in China 2025“ verfolgt das Land das Ziel, bis Mitte des Jahrzehnts im Halbleiterbereich weitgehend autark zu werden; dazu sollen heimische Zulieferer 70 % des chinesischen Bedarfs decken. Zu Finanzierung dieser Bemühungen setzt die Regierung auf staatlich gestützte Anlagefonds, die das Kapital für den Aufbau heimischer Kapazitäten zur Halbleiterentwicklung und -fertigung zur Verfügung stellen sollen. Es wurden bereits rund 120 Milliarden Dollar bereitgestellt, um bis 2035 technologisch zu den USA aufzuschließen.
Eine Technologie, zwei Systeme
Der Wettbewerb bei den Halbleitern ist Teil eines umfassenderen geopolitischen Konflikts. Chips stellen die Rechenleistung zur Verfügung, die erforderlich ist, um Daten zu analysieren, und je mehr Daten Sie produzieren, desto mehr Rechenleistung brauchen Sie. China produziert enorme Datenmengen, was bei der KI ein Vorteil ist. Doch ohne Zugriff auf die leistungsstärksten Chips kann es seine führende Rolle bei KI-Entwicklungen nicht aufrechterhalten (die wiederum genutzt werden, um Chinas datenhungrigen Überwachungsstaat zu stärken).
In The Wires of War diskutiert Jacob Helberg, ehemaliger globaler Leiter für Nachrichtenpolitik bei Google, wie „technototalitäre“ Regime versuchen, die Hardware und Software des Internets zu nutzen, um die Welt in Einflusssphären im Stile des 20. Jahrhunderts zu spalten. Helberg beschreibt, wie böswillige ausländische Mächte das Internet zur asymmetrischen Kriegführung nutzen. Der „Software-Krieg“ besteht aus der Verbreitung von Falschinformationen in den sozialen Medien, während es beim „Hardware-Krieg“ mehr darum geht, illegal auf technologische Geräte und private Informationen zuzugreifen. Russland ragt bei Ersterem und China bei Letzterem heraus.
Amerikas eigenes Reshoring der Halbleiterproduktion ist ein klares Beispiel einer strategischen Positionierung, die derartigen Entwicklungen Rechnung trägt. Anders als in den 1980er Jahren, als die wirtschaftliche Konkurrenz durch Japan zu einer Neuorganisation der Halbleiterbranche führte, ist der wichtigste Treiber für Veränderungen heute die geopolitische Rivalität. Länder konkurrieren um den Zugang zu den modernsten Chips, und Regierungen entwickeln sich zu aktiven Planern der industriellen Entwicklung, statt bloße Kunden zu sein. Selbst in Washington gilt Industriepolitik nicht länger als Teufelszeug.
Infolgedessen dürften die Lieferketten kürzer und regionaler werden. Die Folgen wären höhere Produktionskosten und deutliche Effizienzverluste. Die zentrale Rolle Taiwans dürfte stark abnehmen. Vorhersehbare technische Beschränkungen werden die Branche einmal mehr verändern, weil die immer weitere Verkleinerung der Chips an ihre physischen Grenzen stoßen wird. (Das Moore’sche Gesetz muss irgendwann enden.)
Damit sich das Silicon Valley seine Vorherrschaft bewahrt, reicht es nicht, wenn es bei der Innovation führend bleibt. Es muss zugleich seine Partnerschaft mit der US-Regierung stärken und sich wieder auf die Produktion physischer Güter statt lediglich digitaler Dienstleistungen konzentrieren. Und es muss die potenziellen Quellen künftiger Krisen ermitteln, damit es sich auf die Art abrupter Anpassungsmaßnahmen vorbereiten kann, die das neue geopolitische Umfeld erfordern könnte. Grove hat es bei der Beschreibung seines radikalen Umbaus von Intel unter dem Druck der japanischen Konkurrenz so ausgedrückt: „Nur wer paranoid ist, überlebt.“ Dasselbe gilt für die heutigen Technologie-Unternehmer. Disruption ist keine Einbahnstraße.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Edoardo Campanella ist Senior Fellow am Mossavar-Rahmani Center for Business and Government der Harvard Kennedy School und Verfasser (zusammen mit Marta Dassù) von Anglo Nostalgia: The Politics of Emotion in a Fractured West (Oxford University Press, 2019).
Copyright: Project Syndicate, 2023.