Großbritannien wird das einzige G7-Mitglied sein, dessen Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen wird. Höhere Zinssätze und Steuern in Verbindung mit staatlicher Ausgabenzurückhaltung werden die aktuelle Lebenshaltungskostenkrise in dem Land noch weiter verschärfen. Das geht aus einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor.
Die IWF-Prognose unterstreicht die Herausforderungen, vor denen die Regierung von Premierminister Rishi Sunak vor den nächsten Wahlen steht. Einem Bloomberg-Bericht zufolge deutete Schatzkanzler Jeremy Hunt an, dass sich die britische Wirtschaft wahrscheinlich besser entwickeln wird als vom IWF erwartet.
„Der Gouverneur der Bank of England sagte kürzlich, dass eine eventuelle Rezession in Großbritannien in diesem Jahr wahrscheinlich geringer ausfallen wird als bisher angenommen“, so Hunt in einer Erklärung. „Wir sind nicht immun gegen den Druck, der auf fast allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften lastet. Kurzfristige Herausforderungen sollten unsere langfristigen Aussichten nicht verdunkeln“.
Erste Rezession in Großbritannien seit Finanzkrise
Laut Bloomberg stufte der in Washington ansässige IWF seine aktuelle Prognose für die britische Wirtschaft im Vergleich zum Oktober um 0,9 Prozentpunkte herab. Die Institution erwartet, dass es im Jahr 2024 nur eine langsame Erholung geben wird, und Großbritannien damit – zusammen mit Japan und Italien – am unteren Ende der G7-Wachstumstabelle liegen wird.
Die Prognose geht von der ersten Rezession seit der Finanzkrise 2009 in Großbritannien aus. In den zwei Jahren bis zur Frist für die Einberufung von Neuwahlen durch Premierminister Rishi Sunak wird die Wirtschaft effektiv stagnieren, und nur um 0,3 Prozent wachsen.
Die Institution hat in diesem Jahr keine andere G7-Wirtschaft herabgestuft und ihre globale Wachstumsprognose von 2,7 Prozent auf 2,9 Prozent angehoben. Eine Eskalation des Krieges in der Ukraine, oder eine Gesundheitskrise in China – sollte es eine Ausbreitung von Covid geben – könnte die Weltwirtschaft zurückwerfen, so der IWF. Allerdings hätten sich die negativen Risiken seit Oktober abgeschwächt.
Bloomberg zufolge ist die Herabstufung des britischen Wirtschaftswachstums insofern bemerkenswert, als die IWF-Oktoberprognose noch vor dem 45-Milliarden-Pfund schweren ungedeckten Steuergeschenk im Septemberhaushalt der kurzlebigen Premierministerin Liz Truss erstellt wurde. Damals sagte der IWF, dass die Finanzspritze das Wachstum angekurbelt hätte.
Steigende Kreditkosten für Firmen und Haushalte
Seitdem haben sich die finanziellen Bedingungen in Großbritannien verschärft, und die Kreditkosten für Unternehmen und Haushalte sind rasant gestiegen. Die Bank of England hat die Zinssätze von 2,25 Prozent auf 3,5 Prozent angehoben, und die Märkte erwarten nun, dass sich die Zinssätze bei 4,5 Prozent einpendeln werden. Der IWF erklärte, seine Herabstufung spiegele auch eine „straffere Finanzpolitik“ wider, doch nach Angaben des britischen Finanzministeriums ist die Finanzpolitik in diesem Jahr lockerer als bei der letzten Prognose.
Im Oktober griff der IWF den massiven Ausgabenwahn Großbritanniens an, mit dem Argument, dass Finanz- und Geldpolitik nicht aneinander vorbei arbeiten sollten und die Regierung die öffentlichen Finanzen unter Kontrolle bringen müsse. Der Chefvolkswirt des IWF, Pierre-Olivier Gourinchas, wiederholte diese Warnung. In einem Blogbeitrag zur Prognose erklärte er, viele Länder seien zu großzügig mit ihren Energiestützungen, die „kostspielig und zunehmend unhaltbar“ seien. Stattdessen sollten die Länder „gezielte Maßnahmen ergreifen, die den fiskalischen Spielraum erhalten und eine übermäßige Stimulierung der Wirtschaft vermeiden,“ so Gourinchas.
In Großbritannien gibt es seit Ende letzten Jahres massive Streiks im öffentlichen Bereich, vom Bahnverkehr und der Postzustellung bis hin zu Krankenschwestern, Krankenwagenfahrern und Lehrern. Gewerkschaften haben angesichts der britischen Lebenshaltungskostenkrise die Arbeit niedergelegt und Streiks werden aktuell fortgesetzt, da es immer noch keine Einigung gibt zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern über Löhne und Arbeitsbedingungen.