Die Aussicht auf eine anhaltend lockere Geldpolitik hat den japanischen Börsen am Freitag den größten Kurssprung seit einem Monat beschert. Der Tokioter Leitindex Nikkei stieg um 1,3 Prozent auf 27.453 Punkte. Der breiter gefasste Topix-Index gewann 0,7 Prozent. Am Donnerstag waren die japanischen Märkte wegen eines Nationalfeiertags geschlossen gewesen.
Eine Parlaments-Rede des designierten Chefs der Bank of Japan, Kazuo Ueda, hat die Anleger offenbar beruhigt. Ueda bezeichnete die anhaltende lockere Geldpolitik als "angemessen" und "notwendig". Zuvor hatten sich Investoren über einen möglichen Kurswechsel der Zentralbank unter der im April startenden Ägide Uedas Gedanken gemacht.
"Er hat taubenhaft geklungen, wie erwartet - oder zumindest hatte er nichts Spezifisches über einen geldpolitischen Kurswechsel zu sagen," sagte Nomura-Stratege Naka Matsuzawa. Japans Verbraucherpreise waren im Januar auf den höchsten Stand seit 41 Jahren geklettert. Die Kernverbraucherpreise, die Ölprodukte einschließen, aber Preise für frische Lebensmittel ausschließen, sind im Januar im Vergleich zum Vorjahr um 4,2 Prozent gestiegen.
Laut ihrem Noch-Gouverneur Haruhiko Kuroda will Japans Notenbank an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten, sagte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz beim Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs aus der G20-Staaten im südindischen Bangalore. Kuroda geht davon aus, dass die Kerninflation in Japan im Fiskaljahr 2023 und auch im Fiskaljahr 2024 unterhalb der Notenbank-Zielmarke von 2 Prozent liegen wird.
Der scheidende Notenbankchef Kuroda und sein designierter Nachfolger Ueda stießen ins gleiche Horn, als sie am Freitag die schlimmsten Inflationszahlen für Japan seit 1981 gemeldet wurden. Von der extrem lockeren Geldpolitik wollen sie deshalb nicht abrücken. Vielmehr sagen sie, die hohe (und schnell steigende) Inflation sei nur temporär und werde bald von selbst wieder verschwinden.
Japans Inflation gerät außer Kontrolle
Damit hält Kuroda, der bereits seit März 2013 japanischer Zentralbankchef ist, auch in den letzten Wochen seiner Amtszeit an seiner langjährigen Politik fest. Und sein designierter Nachfolger Ueda "kann ihm nicht widersprechen", schreibt der Analyst Wolf Richter auf seinem Blog WOLF STREET. Zumindest könne Ueda solange nicht widersprechen, bis er im April die Nachfolge von Kuroda antreten wird.
Doch dann erwartet Richter, dass es "irgendwann eine Überprüfung der Geldpolitik geben wird, bei der man feststellen wird, dass diese Politik gut funktioniert hat, dass es aber vielleicht an der Zeit ist, sie ein wenig anzupassen". Diese Wende erwartet der Analyst für ab der zweiten Jahreshälfte, und bis dahin werde die Bank of Japan die Inflation mit aller Macht weiter anheizen.
Der Verbraucherpreisindex für alle Waren und Dienstleistungen stieg im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Prozent, was (wie die Kerninflationsrate) ebenfalls den höchsten Wert seit 1981 darstellt. Im Vergleich zum Vormonat stieg der Index um 0,5 Prozent. In den gesamten Aufzeichnungen gab es bisher nur drei Anstiege von Monat zu Monat um 0,5 Prozent oder mehr. Dies war im Januar 2023, im Oktober 2022 und im Juli 2022.
Die Inflation hat sich also nicht verlangsamt und basiert auf hohen Preissteigerungen bei einer breiten Palette von Waren und Dienstleistungen. Auch die staatlichen Energiehilfen, welche die Inflation in Schranken halten, haben die Inflation nicht wieder abgesenkt. Auffällig sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln um 7,3 Prozent, bei Strom, Gas, Wasser, Abwasser für private Haushalte um 14,9 Prozent und bei Gebrauchsgütern für Haushalte um 11,1 Prozent.
Und auch die Tatsache, dass der Staat die Inflation überall dort niedrig, wo er die Preise kontrolliert, konnte die Inflation nicht wieder aufhalten. Hierzu zählt etwa die medizinische Versorgung, die sich binnen Jahresfrist lediglich um 0,5 Prozent verteuerte, Medikamente (+1,6%), medizinisches Material und Geräte (+1,2%), medizinische Dienstleistungen (-0,3%), öffentliche Verkehrsmittel (+0,6%) und Bildung, die sich um 0,7 Prozent verteuerte.
Das Kalkül der Bank of Japan
Zwischen etwa 1993 und 2021 bewegte sich der japanische Verbraucherpreisindex mit einigen wenigen Schwankungen in einer engen Spanne. Wolf Richter bezeichnet diese Jahre als "eine Ära, in der eine milde Inflation und eine milde Deflation aufeinander folgten, die Ära einer mehr oder weniger echten Preisstabilität, wie sie in der modernen Welt selten vorkommt". Doch diese Ära ist nun vorbei.
Denn auch unter der neuen Führung wird die Notenbank Monate brauchen, um zunächst wenigstens eine Überprüfung der lockeren Geldpolitik einzuleiten. Derweil wird die Inflation weiter angeheizt. Offensichtlich ist es eine politische Entscheidung, die Inflation anzuheizen. Denn die japanische Notenbank könnte den anderen Zentralbanken der Welt darin folgen, die Zinsen zu erhöhen und die Wertpapierkäufe zurückzufahren.
Wolf Richter sieht in dem Beharren der Bank of Japan an ihrer extrem lockeren Geldpolitik das Bemühen, die fiskalischen Probleme des Landes zu lösen. "Während die Inflation die japanischen Haushalte plündert, ist sie auch ein Mittel, um Japans gigantische und unhaltbare Staatsverschuldung abzubauen", schreibt er. Die Staatsschuldenquote liegt in Japan bei 260 Prozent der Wirtschaftskraft. Das ist etwa fünfmal so hoch wie in Deutschlands