Politik

USA verlieren ihren Einfluss im Nahen Osten

Die Entspannung zwischen Iran und Saudi-Arabien wurde allein durch China vermittelt. Dies zeigt den Machtverlust der USA im Nahen Osten und im globalen Süden insgesamt.
11.03.2023 13:07
Aktualisiert: 11.03.2023 13:07
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Als die Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran am Freitag überraschend die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen bekannt gaben, fielen die weltweiten Reaktionen auffallend unterschiedlich aus. In den USA und Deutschland wurde der Schritt knapp und eher zurückhaltend kommentiert.

In der Nahost-Region gab es breite Zustimmung von Oman über die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bis zu der libanesischen Hisbollah-Miliz. Aber in China, wo in den Tagen zuvor Verhandlungen stattfanden, jubelte man geradezu: "Dies ist ein Sieg für den Dialog, ein Sieg für den Frieden und eine wichtige gute Nachricht in einer Zeit großer Turbulenzen in der Welt", sagte Chinas Top-Diplomat Wang Yi. Und als Spitze gegen den Westen fügte er hinzu: "Die Welt ist nicht nur auf das Ukraine-Problem beschränkt."

DIE USA VERLIEREN AN EINFLUSS - CHINA KOMMT

Tatsächlich sind die chinesische Rolle und die Abwesenheit der USA als bisheriger Ordnungsmacht in der Region nach Ansicht von Experten die wichtigsten Aspekte bei der Vereinbarung zwischen Riad und Teheran, weil sie eine tektonische Machtverschiebung zeigen. So schreibt der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid die Vereinbarung zur Wiedereröffnung der gegenseitigen Botschaften in Riad und Teheran zwar eher den regionalen Vermittlern Oman und Irak zu als China. "Aber dass Iran und Saudi-Arabien die Annäherung symbolisch in China bekanntgaben, zeigt den Einflussverlust der USA in der Region", sagt Schmid zu Reuters. Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul sieht das ähnlich. Und auch in den USA, wo das Weiße Haus nur schmallippig reagierte, wird dies so gesehen: "Dies wird - wahrscheinlich zu Recht - als eine Ohrfeige für die Biden-Regierung und als Beweis dafür interpretiert werden, dass China die aufstrebende Macht ist", sagt Jeffrey Feltman vom amerikanischen Brookings Institution.

Auch der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sieht einen Umbruch. "Der Nahe Osten sortiert sich neu", sagt er zu Reuters. "Die Machthaber der Region arrangieren sich miteinander, wobei Kriterien wie Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte keine wesentliche Rolle spielen." Autoritäre Staaten wie Russland und China schauten sich das Ganze wohlgefällig an. "Die USA sind nicht mehr die dominierende Ordnungsmacht, der europäische Einfluss bleibt gering", meint Heusgen. Das gelte auch für Deutschland, das zwar zu den größten Gebern bei der humanitäre Hilfe und der Entwicklungshilfe zählt, dies aber nicht in politischen Einfluss umsetzen könne.

DER LANGE RÜCKZUG DER USA - AUCH WEGEN EIGENEM GAS UND ÖL

Dabei deutet sich der Umschwung seit langem an, nicht nur weil China zur Supermacht heranwächst. Vor allem die Tatsache, dass die USA wegen ihrer eigenen Gas- und Ölproduktion nicht mehr abhängig vom Nahen Osten sind, hat die Aufmerksamkeit Washingtons für die Region deutlich erlahmen lassen. Dazu kommt seit Präsident Barack Obama der Trend, sich aus Konfliktherden weltweit weitgehend zurückzuziehen. Dies hat etwa Russland und der Türkei in Syrien und Libyen viel Freiraum gegeben.

Klassische Verbündete der Vereinigten Staaten wie Saudi-Arabien, die auf den militärischen US-Schutz bisher angewiesen waren, müssen neu nachdenken, wie sehr sie diesem noch vertrauen. Denn mit der sinkenden Abhängigkeit stieg gerade unter Präsident Joe Biden die Bereitschaft, mit den Herrschern am Golf auch Menschenrechtsfragen deutlich anzusprechen. Deshalb fiel etwa der saudische Kronprinz und jetzige Premierminister Mohammed bin Salman nach dem Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi vorübergehend in Ungnade in den USA und Europa. China ist für bin Salman, der gleichzeitig seine Modernisierung und Öffnung der saudischen Gesellschaft preist, auch deshalb attraktiv, weil er von dort keine Kritik an fehlender Demokratie oder Unterdrückung einer Opposition befürchten muss.

"Je weniger sich die USA um die Region kümmern, desto selbständiger wird die Politik etwa Saudi-Arabiens", beschreibt Schmid die Folgen. Die USA hätten unter US-Präsident Donald Trump zudem durch die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens zudem die Chance auf eine Verbesserung der Beziehung mit Iran verpasst. In der Zwischenzeit aber hat China mit seinem Gas- und Ölhunger die wirtschaftlichen Beziehungen sowohl zu Riad als auch zu Teheran stetig ausgebaut.

Und die Interessen der drei Länder stimmen überein: China braucht für das nötige Wachsen zur dominierenden Supermacht vor allem stabile Wirtschaftsbeziehungen in der Welt. "Und auch alle Staaten am Golf brauchen Ruhe. Ein Krieg und Spannungen würden den Tourismus zusammenbrechen lassen", meint Schmid mit Blick auf die Pläne der VAE, Saudi-Arabiens oder Katars. "Auch die Diversifizierung weg von Öl und Gas funktioniert nur, wenn in der Region Stabilität herrscht." Die Frage ist für den ehemaligen US-Topdiplomaten Daniel Russel, ob China nun auch bei anderen Konflikten wie etwa dem Ukraine-Krieg eine aktivere Vermittlerrolle einnehmen wird. Als möglicher Friedensstifter in der Ukraine hat sich Peking bereits ins Spiel gebracht.

Und es bleibt abzuwarten, wie dauerhaft die Entspannung am Persischen Golf wirklich sein wird. Denn die saudische Sorge vor der Entwicklung einer iranischen Atombombe besteht weiterhin. Und beide Länder verstehen sich zudem als konkurrierende Schutzmächte für Schiiten einerseits und Sunniten andererseits - was etwa die Unterstützung unterschiedlicher Gruppen in den Bürgerkriegen in Syrien und dem Jemen erklärt.

Eine Lehre sehen die Außenpolitiker von SPD und Union aber schon jetzt. "Wir müssen unsere strategische Zusammenarbeit mit den USA verstärken. Keiner kann ohne den anderen seine eigenen Interessen und Werte durchsetzen", sagt Union-Fraktionsvize Wadephul zu Reuters. Und der SPD-Außenpolitiker Schmid mahnt, dass die Europäer den Nahen Osten nicht vergessen dürften. "Für uns ist es eine Nachbarregion." (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Tarnung 4.0: Bundeswehr rüstet sich für urbane Einsätze
17.08.2025

Die Bundeswehr stellt ihre Kampfbekleidung auf Multitarn um. Ab 2026 soll der Multitarndruck das alte Flecktarnmuster ablösen. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenturbulenzen? So machen Sie Ihr Wertpapierdepot krisenfest
17.08.2025

Börsenkurse schwanken, politische Unsicherheiten nehmen zu – und das Depot gerät ins Wanken. Wie schützen Sie Ihr Vermögen, ohne...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Digitale Erschöpfung: Wie Technologien helfen können, die Überlastung durch Technologien zu lindern
17.08.2025

Müde, obwohl Sie ausgeschlafen sind? Reizbar, obwohl nichts passiert ist? Der Grund könnte digitale Erschöpfung sein – ein stiller...

DWN
Finanzen
Finanzen Gruppeneffekt an der Börse: Wenn Freunde das Portfolio steuern
17.08.2025

Unsere finanziellen Entscheidungen sind oft weniger durchdacht, als wir glauben. Menschen in unserem Umfeld können erheblichen Einfluss...

DWN
Panorama
Panorama Dienstleister für Visa und ETA: Zwischen Hilfe und Abzocke – was Sie wissen müssen
17.08.2025

Reisen wird komplizierter: In vielen Ländern reicht der Reisepass nicht mehr. Visa, ETA oder digitale Einreisekarten sind nötig....

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerhinterziehung: Zahl der Betriebsprüfungen geht seit Jahren zurück - das bringt Probleme mit sich
17.08.2025

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung ist immer wieder ein erklärtes Ziel der Politik. Doch in der Realität gibt es immer weniger...

DWN
Technologie
Technologie Bionik, KI und Robotik: Der Innovationsschub, der alles verändert
16.08.2025

Von der Bionik bis zur KI-Konvergenz: Neue Technologien versprechen einen Innovationssprung – und könnten Wirtschaft, Gesellschaft und...

DWN
Panorama
Panorama Datenschutz und Oktoberfest - was sich im September ändert
16.08.2025

Die Tage werden kürzer und der Herbst naht im September. Welche Neuerungen bringt der neue Monat für Verbraucherinnen und Verbraucher?...