Finanzen

IWF droht am Ukraine-Konflikt zu zerbrechen

Lesezeit: 2 min
14.04.2023 11:58  Aktualisiert: 14.04.2023 11:58
Der IWF steht vor dem Aus als globale Institution. Ukraine-Krieg und Klima haben ihn vollends von seinem erklärten Ziel abgebracht, den ärmeren Staaten zu helfen.
IWF droht am Ukraine-Konflikt zu zerbrechen
Pakistan. Der IWF stellt bei der Kreditvergabe strengere Anforderungen an den globalen Süden, als an die Ukraine. (Foto: dpa)
Foto: Muhammd Sajjad

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die wirtschaftlichen Folgen des Kampfes gegen Corona haben in den letzten Jahren eine Rekordzahl von Entwicklungsländern an den Rand einer Schuldenkrise getrieben. Und der Unmut im globalen Süden über den Internationalen Währungsfonds und über die Weltbank nimmt zu. Denn die Institutionen haben die Ukraine zuletzt mit Geld geflutet, während die Hilfen für die hoch verschuldeten Staaten im Süden der Welt deutlich geringer ausfallen.

Selbst der scheidende Chef der Weltbank, David Malpass, hat eingeräumt, dass "der Umschuldungsprozess nur schleppend vorankommt und es noch nicht genügend Diskussionen darüber gibt, wie man auf eine tragfähige Verschuldung hinarbeiten kann." Das langsame Tempo bei der Umschuldung der hoch verschuldeten Staaten im globalen Süden stellt inzwischen den IWF und die Weltbank als Institutionen der Nachkriegsordnung insgesamt in Frage.

Die barbadische Premierministerin Mia Amor Mottley und der Präsident der Rockefeller Foundation, Rajiv J. Shah, schrieben letzte Woche in Foreign Affairs, dass der Kampf der Institutionen zu einem "grundlegenden Zusammenbruch des fast 80 Jahre alten Bündnisses" zwischen reichen und ärmeren Ländern zu führen droht. Auf wenig Verständnis im globalen Süden trifft zudem die neue Fokussierung von IWF und Weltbank auf das Klima.

Doch die ärmeren Staaten werden nicht nur gegenüber der Ukraine benachteiligt und mit dem Klima vor den Kopf gestoßen, sondern sie werden nun außerdem dafür bestraft, dass sie an ihren oftmals guten Beziehungen zu Russland festhalten. Der indische Außenminister etwa sagte letztes Jahr, dass "Europa aus der Denkweise herauswachsen muss, dass seine Probleme die Probleme der Welt sind, aber die Probleme der Welt nicht die Probleme Europas sind".

IWF bricht eigene Regeln, um Ukraine zu unterstützen.

Das Direktorium des IWF beschloss im März, die Kreditvergabe an Länder zuzulassen, die sich in einer "Situation außergewöhnlich hoher Unsicherheit" befinden. In den acht Jahrzehnten seines Bestehens hat der IWF die Kreditvergabe an Länder, die in Konflikte verwickelt sind, sorgfältig vermieden. Dies wurde erst vor zwei Jahren deutlich, als die zugesagten Gelder für Äthiopien nicht ankamen, nachdem im Norden des Landes ein Bürgerkrieg ausgebrochen war.

Doch nur vier Tage nach der Entscheidung des Direktoriums nutzte der IWF diese neuen Finanzierungsregeln, um der Ukraine 15,6 Milliarden Dollar zu leihen. Das Land ist schon seit mehr als einem Jahrzehnt der drittgrößte Kreditnehmer des Fonds. Der globale Süden sieht in der Regeländerung eine unverhohlene Bevorzugung der Ukraine und entsprechend eine Benachteiligung des globalen Südens, wie Bloomberg berichtet.

Asien und Afrika sind verärgert, seit der von Europa geführte IWF während der Euro-Krise enorme Mittel eingesetzt hat. Der damalige Bericht des Fonds warnte davor, dass die Hilfe "den Eindruck erweckt hat, dass die europäischen Mitgliedsländer im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft ein übermäßiges Gewicht bei den Entscheidungen des IWF haben und dass die IWF-Programme in der Europäischen Union mildere Bedingungen haben als die in Asien".

Der Eindruck der Voreingenommenheit, so der Bericht weiter, untergrabe den Auftrag der Organisation: "Fast die Hälfte der Leiter von IWF-Ländermissionen war der Ansicht, dass sich der Eindruck mangelnder Ausgewogenheit negativ auf ihre Arbeit mit den Schwellenländern ausgewirkt hat". Das war vor einem Jahrzehnt. Mit dem offenen Regelbruch zugunsten der Ukraine dürfte sich der Frust nun noch deutlich verstärkt haben.

In Südasien erhalten drei Staaten derzeit Hilfen vom IWF oder versuchen, diese zu bekommen: Bangladesch, Pakistan und Sri Lanka. Alle drei müssen eine schmerzhafte Umstrukturierung durchlaufen, nur um ein paar Milliarden Dollar an Krediten zu erhalten. Zugleich erhält die Ukraine weitaus mehr Hilfen, obwohl das Land unmöglich ähnliche Bedingungen erfüllen kann und das Geld voraussichtlich auch niemals wird zurückzahlen können.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis: Nicht jeder Anleger ist von Trump-Aktienrally überzeugt - was nun wichtig ist!
14.11.2024

Seit der Wiederwahl von Donald Trump steigen die Aktienkurse an den US-Börsen kräftig. Aktien von Unternehmen wie Tesla oder Anbieter aus...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission verhängt Millionenstrafe gegen Meta
14.11.2024

Die EU-Kommission hat Meta eine Strafe von fast 800 Millionen Euro auferlegt, weil der Facebook-Mutterkonzern seinen Online-Marktplatz...

DWN
Politik
Politik EU-Chefdiplomat schlägt vor, Dialog mit Israel auszusetzen
14.11.2024

Als Reaktion auf die israelische Kriegsführung im Gazastreifen plant EU-Chefdiplomat Josep Borrell, den regelmäßigen politischen Dialog...

DWN
Politik
Politik Trumps illustres Kabinett: Ein Tech-Milliardär, ein TV-Moderator und eine Ex-Demokratin
14.11.2024

Es geht Schlag auf Schlag: Donald Trump als designierter US-Präsident verkündet seine Kandidaten für die Regierung. Mit dabei: ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratie in Deutschland kostet jährlich 146 Milliarden Euro
14.11.2024

Bürokratie-Abbau soll Kosten sparen. Durch die überbordende Bürokratie entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an...

DWN
Politik
Politik BSW: Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen
14.11.2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht begrüßt die vorgezogene Neuwahl des Bundestages. Logistisch ist das für die junge Partei aber eine...

DWN
Panorama
Panorama Zufriedenheit mit der Demokratie nimmt stark ab, Ausländerfeindlichkeit steigt
14.11.2024

Eine Studienreihe der Universität Leipzig untersucht seit 2002, wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft sind. Vor...

DWN
Politik
Politik Nato-Raketenabwehrschirm: Polen verstärkt seine Sicherheitsmaßnahmen - und Russland droht
14.11.2024

In einer klaren Reaktion auf die anhaltende Bedrohung aus Russland wurde in Polen kürzlich ein Stützpunkt für den...