Seit mehr als fast vier Wochen kommt Sudan nicht zur Ruhe. In einem der größten Länder Afrikas bekämpfen sich zwei Flügel der Streitkräfte mitten in den Städten, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.
Das sudanesische Militär ist gespalten
Die paramilitärische Truppe RSF (Rapid Support Forces) trat Mitte April in den Aufstand gegen die reguläre Armee. Die RSF griff in der Hauptstadt Khartum das Regierungsviertel mit dem Präsidentenpalast und dem Armeehauptquartier sowie den internationalen Flughafen an. Die Gefechte weiten sich bereits auf andere Ortschaften aus. Berichten zufolge wurde zuletzt in zwölf der achtzehn Bundesstaaten Sudans gekämpft. Insbesondere in Darfur im Westen des Landes gab es demnach massive Gewalt und Ausschreitungen.
Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Seit Langem haben Afrika-Experten davor gewarnt, dass die reguläre Armee und die weitgehend unabhängig von ihr operierende RSF-Miliz in Sudan aneinandergeraten könnten. Nun sind die Risse innerhalb des sudanesischen Militärs aufgebrochen. Hintergrund ist ein seit Monaten schwelender Machtkampf unter den zwei rivalisierenden Generälen der Armee und der RSF, die den Sudan seit einem Putsch im Jahr 2021 gemeinsam regiert haben.
Es gibt quasi zwei Armeen, die über jeweils eigene Befehlsstrukturen verfügen. Der Konflikt in Sudan könnte die gesamte Region destabilisieren. Je länger die Kämpfe in Sudan andauern, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Konflikt in dem nordostafrikanischen Land zu einem Stellvertreterkrieg entwickeln könnte.
Ausländische Mächte sind im Sudan aktiv
Der Konflikt in Sudan ist geprägt vom Einfluss ausländischer Mächte. Vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Saudi-Arabien, China, Russland und die USA sind im Land engagiert. Der Staat, auf dessen Rolle in Sudan derzeit am häufigsten verwiesen wird, sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Golfstaat pflegt enge Beziehungen zu der RSF-Milizgruppe, dessen Top-General Mohammed Daglo sich weigert, sich der regulären Streitkräfte des Sudans, befehligt vom De-facto-Präsidenten General Abdel Fattah al-Burhan, unterzuordnen.
Daglo wirft unter anderem Ägypten vor, die sudanesische Armee mit Kampfflugzeugen und Soldaten zu unterstützen. Kairo hat schon längst Truppen in Sudan stationiert und begründet die Präsenz ägyptischer Truppen in Sudan offiziell mit einer Trainingsmission. Die ägyptische Führung unterhält traditionell seit Jahrzehnten enge Beziehungen zum sudanesischen Militär. Die jetzige Eskalation begann, als Daglos Lager den Abzug ägyptischer Truppen aus Sudan forderte.
China ist ebenfalls in Sudan aktiv, aber dürfte nicht auf Eskalation setzen. Denn China arbeitet gerade daran, die USA als Ordnungsmacht nach der Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien im Nahen Osten und Nordafrika abzulösen. Eine neue Eskalationsspirale in Sudan würde zudem den Export sudanesischen Öls in die Volksrepublik bedrohen. Allerdings dürfte China von dem Abzug der westlichen Diplomaten aus Sudan profitieren, vor allem nachdem französische Truppen sich nach der Demütigung und den Misserfolgen in der Sahelzone aus Mali im vergangenen Sommer zurückgezogen hatten.
Der Konflikt in Sudan ist unter anderem ein weiterer Rückschlag für Israel in der Region, nachdem Iran und Saudi-Arabien sich versöhnt hatten. Denn Sudan gehört zu den arabischen Ländern, die ihre Beziehungen im Rahmen des sogenannten Abraham-Abkommens zu Israel normalisiert hatten. Nach Axios-Informationen arbeitet Israel derzeit daran zwischen den Kriegsparteien im Sudan zu schlichten. Israel hat vergeblich in letzter Zeit versucht, eine arabische Allianz in der Region unter US-Führung gegen Iran zu schmieden.
Stellvertreterkrieg zwischen Washington und Moskau?
Vor dem geopolitischen Hintergrund wird vor allem darüber spekuliert, dass Russland in Sudan die Fäden zieht und das afrikanische Land sich zum Schauplatz eines weiteren Stellvertreterkrieges zwischen Moskau und Washington entwickelt. Moskau plant längst in der Hafenstadt Port Sudan einen Marinestützpunkt zu errichten, um sich die Kontrolle über den Handel am Roten Meer zu sichern und ein Gegengewicht zur US-Militärpräsenz in Dschibuti aufzubauen.
Der De-facto-Präsident General Burhan soll bislang gezögert haben, das grüne Licht für die Einrichtung der russischen Basis zu geben. Als der russische Außenminister Sergej Lawrow im Februar nach Sudan reiste, kam keine Bewegung in die Angelegenheit. Insofern ist Moskau auf die Unterstützung von RSF-Anführer Daglo angewiesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Daglo unbedingt eine pro-russische Linie fährt. RSF-Milizen gehörten zu den Söldnergruppen, die im Jemen-Konflikt an der Seite der saudischen Koalition gegen die pro-iranische Huthi-Bewegung gekämpft hatten. Die USA unterstützten seinerzeit zur Eindämmung Irans in der Region wiederrum den saudischen Krieg gegen die Huthi.
Das Sudanesische Paramilitär (RSF) wird schon längst durch den General Chalifa Haftar in Ostlibyen unterstützt, der wiederum gute Beziehungen zur Kremlführung unterhält. Die Gefahr besteht bereits, dass Sudan zum Schauplatz der regionalen und globalen Rivalitäten wird. Die Dynamik ist bereits aus dem Nachbarstaat Libyen bekannt, wo Parallelregierungen im Osten und Westen des Landes herrschen und jeweils von verschiedenen ausländischen Mächten unterstützt werden. Das heißt, sollten die RSF-Truppen der Armee in der Hauptstadt unterlegen sein, würden sie sich sehr wahrscheinlich nach Darfur im Westen Sudans zurückziehen und damit die Spaltung des Landes forcieren.