Politik

Ein Land versinkt im Chaos: Wird Sudan zum Schauplatz globaler Konflikte?

Der Konflikt in Sudan könnte die gesamte Region destabilisieren. Je länger die Kämpfe in Sudan andauern, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass der Konflikt sich zu einem Stellvertreterkrieg entwickeln könnte.
16.05.2023 09:00
Aktualisiert: 16.05.2023 09:00
Lesezeit: 3 min

Seit mehr als fast vier Wochen kommt Sudan nicht zur Ruhe. In einem der größten Länder Afrikas bekämpfen sich zwei Flügel der Streitkräfte mitten in den Städten, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.

Das sudanesische Militär ist gespalten

Die paramilitärische Truppe RSF (Rapid Support Forces) trat Mitte April in den Aufstand gegen die reguläre Armee. Die RSF griff in der Hauptstadt Khartum das Regierungsviertel mit dem Präsidentenpalast und dem Armeehauptquartier sowie den internationalen Flughafen an. Die Gefechte weiten sich bereits auf andere Ortschaften aus. Berichten zufolge wurde zuletzt in zwölf der achtzehn Bundesstaaten Sudans gekämpft. Insbesondere in Darfur im Westen des Landes gab es demnach massive Gewalt und Ausschreitungen.

Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Seit Langem haben Afrika-Experten davor gewarnt, dass die reguläre Armee und die weitgehend unabhängig von ihr operierende RSF-Miliz in Sudan aneinandergeraten könnten. Nun sind die Risse innerhalb des sudanesischen Militärs aufgebrochen. Hintergrund ist ein seit Monaten schwelender Machtkampf unter den zwei rivalisierenden Generälen der Armee und der RSF, die den Sudan seit einem Putsch im Jahr 2021 gemeinsam regiert haben.

Es gibt quasi zwei Armeen, die über jeweils eigene Befehlsstrukturen verfügen. Der Konflikt in Sudan könnte die gesamte Region destabilisieren. Je länger die Kämpfe in Sudan andauern, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Konflikt in dem nordostafrikanischen Land zu einem Stellvertreterkrieg entwickeln könnte.

Ausländische Mächte sind im Sudan aktiv

Der Konflikt in Sudan ist geprägt vom Einfluss ausländischer Mächte. Vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Saudi-Arabien, China, Russland und die USA sind im Land engagiert. Der Staat, auf dessen Rolle in Sudan derzeit am häufigsten verwiesen wird, sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Golfstaat pflegt enge Beziehungen zu der RSF-Milizgruppe, dessen Top-General Mohammed Daglo sich weigert, sich der regulären Streitkräfte des Sudans, befehligt vom De-facto-Präsidenten General Abdel Fattah al-Burhan, unterzuordnen.

Daglo wirft unter anderem Ägypten vor, die sudanesische Armee mit Kampfflugzeugen und Soldaten zu unterstützen. Kairo hat schon längst Truppen in Sudan stationiert und begründet die Präsenz ägyptischer Truppen in Sudan offiziell mit einer Trainingsmission. Die ägyptische Führung unterhält traditionell seit Jahrzehnten enge Beziehungen zum sudanesischen Militär. Die jetzige Eskalation begann, als Daglos Lager den Abzug ägyptischer Truppen aus Sudan forderte.

China ist ebenfalls in Sudan aktiv, aber dürfte nicht auf Eskalation setzen. Denn China arbeitet gerade daran, die USA als Ordnungsmacht nach der Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien im Nahen Osten und Nordafrika abzulösen. Eine neue Eskalationsspirale in Sudan würde zudem den Export sudanesischen Öls in die Volksrepublik bedrohen. Allerdings dürfte China von dem Abzug der westlichen Diplomaten aus Sudan profitieren, vor allem nachdem französische Truppen sich nach der Demütigung und den Misserfolgen in der Sahelzone aus Mali im vergangenen Sommer zurückgezogen hatten.

Der Konflikt in Sudan ist unter anderem ein weiterer Rückschlag für Israel in der Region, nachdem Iran und Saudi-Arabien sich versöhnt hatten. Denn Sudan gehört zu den arabischen Ländern, die ihre Beziehungen im Rahmen des sogenannten Abraham-Abkommens zu Israel normalisiert hatten. Nach Axios-Informationen arbeitet Israel derzeit daran zwischen den Kriegsparteien im Sudan zu schlichten. Israel hat vergeblich in letzter Zeit versucht, eine arabische Allianz in der Region unter US-Führung gegen Iran zu schmieden.

Stellvertreterkrieg zwischen Washington und Moskau?

Vor dem geopolitischen Hintergrund wird vor allem darüber spekuliert, dass Russland in Sudan die Fäden zieht und das afrikanische Land sich zum Schauplatz eines weiteren Stellvertreterkrieges zwischen Moskau und Washington entwickelt. Moskau plant längst in der Hafenstadt Port Sudan einen Marinestützpunkt zu errichten, um sich die Kontrolle über den Handel am Roten Meer zu sichern und ein Gegengewicht zur US-Militärpräsenz in Dschibuti aufzubauen.

Der De-facto-Präsident General Burhan soll bislang gezögert haben, das grüne Licht für die Einrichtung der russischen Basis zu geben. Als der russische Außenminister Sergej Lawrow im Februar nach Sudan reiste, kam keine Bewegung in die Angelegenheit. Insofern ist Moskau auf die Unterstützung von RSF-Anführer Daglo angewiesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass Daglo unbedingt eine pro-russische Linie fährt. RSF-Milizen gehörten zu den Söldnergruppen, die im Jemen-Konflikt an der Seite der saudischen Koalition gegen die pro-iranische Huthi-Bewegung gekämpft hatten. Die USA unterstützten seinerzeit zur Eindämmung Irans in der Region wiederrum den saudischen Krieg gegen die Huthi.

Das Sudanesische Paramilitär (RSF) wird schon längst durch den General Chalifa Haftar in Ostlibyen unterstützt, der wiederum gute Beziehungen zur Kremlführung unterhält. Die Gefahr besteht bereits, dass Sudan zum Schauplatz der regionalen und globalen Rivalitäten wird. Die Dynamik ist bereits aus dem Nachbarstaat Libyen bekannt, wo Parallelregierungen im Osten und Westen des Landes herrschen und jeweils von verschiedenen ausländischen Mächten unterstützt werden. Das heißt, sollten die RSF-Truppen der Armee in der Hauptstadt unterlegen sein, würden sie sich sehr wahrscheinlich nach Darfur im Westen Sudans zurückziehen und damit die Spaltung des Landes forcieren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen CBDCs und Gold – Kontrolle oder Freiheit?

In einer Zeit rasanter Veränderungen stellt sich mehr denn je die Frage: Wie sicher ist unser Geld wirklich? Die Einführung von CBDCs...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Neue Regierung: Üppige Übergangsgelder für Ex-Minister - AfD und Steuerzahlerbund fordern Reform
01.05.2025

Dauerversorgung auf Kosten der Steuerzahler: Bisher bekommen Minister und Kanzler nach ihrem Ausscheiden bis zu 2 Jahren staatliche...

DWN
Politik
Politik Trump gegen die Welt: Warum Streit mit Verbündeten das China-Problem nur verschärft
01.05.2025

Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben zweifellos dem internationalen Ruf der USA auf den Finanzmärkten geschadet und das...

DWN
Technologie
Technologie PwC-Studie: Künstliche Intelligenz könnte Weltwirtschaft bis 2035 um 15 Prozent beflügeln – doch der Preis ist hoch
01.05.2025

Während viele Volkswirtschaften unter dem Druck multipler Krisen taumeln – Energiepreise, geopolitische Spannungen, ein fragiles...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Politik schwächt den Dollar – Rogoff sieht Machtverschiebung zugunsten Europas
01.05.2025

Kenneth Rogoff sieht in Trumps Politik den Katalysator für das Ende des Dollar-Zeitalters. Europa steht vor der historischen...

DWN
Finanzen
Finanzen JPMorgan: Zinsschock voraus – Warum US-Bonds Europa ausstechen
01.05.2025

JPMorgan sieht in US-Anleihen den neuen Renditetreiber – Europas zögerliche EZB-Politik wirkt abschreckend auf Investoren.

DWN
Panorama
Panorama Jung oder KI: Zwei Wege zur Lösung des Lkw-Fahrermangels
01.05.2025

Angesichts des anhaltenden Fahrermangels setzt die EU auf die Senkung der Altersgrenze für Lkw-Führerscheine, während die USA auf eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Unternehmer weltweit in Alarmbereitschaft: Handelskriege, Schuldenkrisen und KI – Was kommt als Nächstes?
01.05.2025

UBS-Report: Unternehmer zwischen Angst vor Handelskriegen, Hoffnungen auf KI und dem Wettlauf um Nachhaltigkeit.

DWN
Finanzen
Finanzen Versteckte Risiken: Wie die Rentenversprechen zur Illusion werden
01.05.2025

Vorsorge mit Risiko: Warum viele Pensionslösungen nur scheinbar sicher sind – und wie mangelnde Transparenz zum größten Feind der...