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Amerikas Bankenkrise, Teil 1: Individuelle Fehlentscheidungen oder eine strukturelle Krise?

Lesezeit: 9 min
03.06.2023 09:08  Aktualisiert: 03.06.2023 09:08
DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese noch nicht vorbei ist.
Amerikas Bankenkrise, Teil 1: Individuelle Fehlentscheidungen oder eine strukturelle Krise?
Die Bankenkrise in den USA wird sich wahrscheinlich fortsetzen. (Foto: dpa)

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Hohe Zinsrisiken in den Bilanzen - Amerikas Geschäftsbanken im Langfrist-Vergleich

Große amerikanische Regionalbanken vor allem aus dem Bundesstaat Kalifornien und eine Schweizer Großbank sind seit März 2023 zusammengebrochen. Ist dies eine zufällige Häufung oder besteht ein verborgener, tiefer liegender Zusammenhang? Was sind die Ursachen, über das augenfällige individuelle Management-Versagen und über die wenig rühmliche Inaktivität der Aufsichtsbehörden hinaus?

Hier ist nicht der Platz, um sich darüber lustig zu machen, was ein Leichtes wäre. Es stellt sich vielmehr die Frage, was die zugrunde liegenden Faktoren und Treiber sind, welche die Bedingungen geschaffen haben, so dass verfehltes Management sich so verhängnisvoll auswirken konnte. Bedeutet dies, dass auch andere Banken und Bankengruppen in den Strudel kommen könnten? Wäre sogar eine systemische Bankenkrise denkbar? Dieser mehrteilige Artikel versucht darauf Antworten zu geben.

In den USA wird von Regierung, Notenbank und Bankenvertretern folgende Erklärung kolportiert: Einzelne Geschäftsbanken haben sich verspekuliert und haben unerklärliche Anfängerfehler bei ihren Anlagen begangen. Sie haben 2020/21 hohe Depositenzuflüsse gehabt. Depositen sind Kundeneinlagen bei den Geschäftsbanken. Einige Banken haben diese Depositen in Anleihen mit langer Restlaufzeit bis zu Verfall, hauptsächlich in Hypotheken-besicherte Anleihen (‚Mortgage Backed Securities’, kurz MBS) und in Regierungsanleihen (‚Treasury-notes‘ und ‚Treasury-bonds‘) angelegt.

Die Inflation beschleunigte sich 2021/22 massiv und so stark wie seit den frühen 1980er Jahren nicht mehr. Die amerikanische Zentralbank hob in den beiden Folgejahren 2022/23 die Fed Funds Rate, den von ihr kontrollierten Marktsatz für Tagesgeld, erheblich von 0 auf über 5 Prozent bis heute an. Der Zinsanstieg erfasste das gesamte Spektrum der Dollarzinsen, und darüber hinaus auch der Zinssätze in anderen Wirtschaftsräumen. Der Zinsanstieg ist vor allem bei den längeren Laufzeiten nicht als übermäßig zu beurteilen. Er reflektiert vielmehr eine Normalisierung nach einer langen Phase zu niedriger Sätze.

Dieser Zinsanstieg bewirkte einen erheblichen Wertverlust der von den Banken neu erworbenen und bisher gehaltenen Kredite und Wertschriften, vor allem eben dieser Anleihen mit langer Laufzeit, dem aber kein entsprechender Wertverlust bei den Depositen gegenüberstand. Netto ergaben sich dadurch massive ökonomische, aber nicht unbedingt bilanzielle Eigenkapitalverluste. Weniger ausgeprägt, aber Ähnliches passierte auch in Europa.

Eine Bank, die Silicon Valley Bank, musste mit hohen Verlusten von 1.8 Mrd Dollar solche unter ‚hold-to-maturity’ verbuchten Wertschriften verkaufen, um zusätzliche Liquidität für beschleunigte Abflüsse zu beschaffen. Als die Verluste offensichtlich wurden, setzte die Panik erst recht ein. Zahlreich waren und sind Zentralbank-Offizielle, prominente Banker, Ökonomen und Politiker, die betonten, dass System an sich sei gesund, und die Depositen seien gesichert.

Das erscheint per se nicht unplausibel, auf den ersten Blick jedenfalls. Ein Blick hinter die Kulissen, respektive in einen größeren Zusammenhang gestellt, zeichnet ein anderes, komplexeres Bild, das erhebliche Unsicherheit über die Zukunft des amerikanischen und des globalen Bankensektors erkennen lässt.

In der Substanz handelt es sich um eine komplexe Situation, wahrscheinlich eine der schwierigsten oder vielleicht sogar die schwierigste der Nachkriegszeit. Eine über mindestens zwei Jahrzehnte hoch problematische Geldpolitik kombiniert sich mit einer erkennbar von Banken-Interessen getragenen Banken-Deregulierung auf globaler Ebene wie spezifisch in den Vereinigten Staaten.

Im Ergebnis rief dies zunächst die Große Finanzkrise von 2008/09 hervor oder trug jedenfalls maßgeblich dazu bei. Die daran anschließenden Re-Regulierungsversuche wie Basel III (2013) auf globaler Ebene oder Dodd-Frank in den Vereinigten Staaten (2010) sind gescheitert und haben im Effekt diese außergewöhnliche Situation geschaffen. Nach einem zeitlich langen Crescendo verdichteten sich die kumulierten Effekte einer übermäßig expansiven Geldpolitik und laxer Banken-Regulierung in einem in den Jahren 2020/2021 konzentrierten Finale furioso.

Um die heutige Situation verstehen und jedenfalls einordnen zu können, sind ein historischer Rückblick einerseits und eine Analyse der Banken-Regulierung und ihrer Effekte notwendig. Diese beiden anspruchsvollen Aufgaben können nicht in einem kurzen Artikel, sondern sollen im Rahmen einer kleinen Serie mit verschiedenen Schwerpunkten dargestellt werden. Als Referenz- und Ausgangspunkt dient die schwere Spar- und Leihkassenkrise der 1980er Jahre. Sie war der Auslöser für die Deregulierung des Finanzsektors in den Vereinigten Staaten. Die damals gefällten Entscheidungen sind bis heute wichtig und wirksam.

Die Bilanzen der amerikanischen Banken im Zeitraffer - Vieles ist nur oberflächlich so wie es früher war

Eine erste Spur findet sich in den Bilanzen der amerikanischen Geschäftsbanken (engl. ‚Commercial Banks‘), so wie sie aggregiert (aufsummiert) oder besser konsolidiert monatlich von der amerikanischen Zentralbank ausgewiesen werden. Anhand dieser lassen sich am einfachsten Antworten finden. Denn in den USA wurden die Trends gesetzt, die sich heute auch anderswo ähnlich replizieren. Dennoch weist die amerikanischen Entwicklung bedeutende Besonderheiten auf.

Der lange Abwärtstrend bei den Zinsen seit 1981, die Große Finanzkrise 2008/09 und zuletzt 15 Jahre Null— bzw. Niedrigzinsen und Quantitative Lockerung der Geldpolitik (Anleihenkäufe der Zentralbank) haben in den USA die Bilanzstrukturen der Geschäftsbanken grundlegend umgepflügt, dies bei den Vermögenswerten (Aktiven) wie besonders bei den Verpflichtungen (Passiven).

Auf einen kurzen Nenner gebracht wurden die Aktiven / Bilanzsummen der Geschäftsbanken deutlich ausgedehnt, vor allem in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Sie haben sich auf relativer Basis gegenüber vor 40 Jahren beinahe verdoppelt. Diese Ausdehnung erfolgte aber nicht gleichmässig auf alle Aktiven verteilt, sondern konzentriert auf Bau- und Immobilienkredite, Hypotheken, Hypotheken-besicherte Anleihen, und Staatsanleihen mit langen und vor allem sehr langen Laufzeiten. Die Duration oder Zinsempfindlichkeit des Portfolios hat sich über die Zeit hinweg massiv erhöht, zuletzt in den Jahren 2020 bis 2022.

Im Gegenzug haben seit 1980 in den USA fortschreitende regulatorische Lockerungen, kombiniert mit dem Zinstrend und zuletzt einem Jahrzehnt Nullzinsen die Passivseite in extremer Weise in die Gegenrichtung gelenkt. Sie haben dazu geführt, dass wir seit spätestens 2020 wieder beim Standard von 1929 in den USA sind. Viele oder fast alle Konti haben Transaktions-Charakter kombiniert mit fast unbeschränkten Rückzugsmöglichkeiten. Das hat die Grundlage für den Banken-Run bei der Silicon Valley Bank geschaffen und hängt wie ein Damokles-Schwert über der gesamten Bankensituation in den USA.

Die Depositen - eine amerikanische Sonderentwicklung

Diese beiden Trends sollen anhand von zwei Graphiken, welche die Entwicklung der Depositen einerseits und des ‚bank credit’ andrerseits aufzeigen, wie die Kategorie in der Statistik der Federal Reserve genannt wird.

Die Depositen stellen die Summe von Sichtguthaben (engl. ‚demand deposits’), Festgeldern / Termineinlagen (‚term deposits‘) und Sparguthaben (‚savings deposits‘) dar. Das entspricht dem, was wir aus den meisten Ländern mit einem modernen Bankensystem kennen. Wichtig daran sind die Besonderheiten dieser drei Komponenten der Kundeneinlagen. Und hier tauchen die Differenzen zu anderen Ländern auf.

Die Sichtdepositen (schwarze Linie in der Graphik) sind Transaktionskonti, die für laufende oder wiederkehrende Zahlungen verwendet werden können. Sie haben enorme Umsätze gemäß der Statistik (‚Bank Debits and Deposit Turnover’), dies vor allem bei den Geschäftsdepositen. Sie konnten und können für Haushalte uneingeschränkt für die Belastung durch Schecks, Debit- oder Kreditkarten sowie für Banküberweisungen benutzt werden. Sie konnten und können jederzeit geräumt werden und waren in den USA unverzinslich. Ihr Anteil an den Depositen ist über die Jahrzehnte trendmäßig gefallen, von knapp 70 Prozent im Jahr 1960 und noch höher in den 1950er Jahren auf noch knapp 20 Prozent 2019, dem letzten Jahresende, in dem sie noch separat ausgewiesen wurden. Das ist im internationalen Vergleich außergewöhnlich und wird erklärungsbedürftig sein.

Graphik: Prozentanteile an den Depositen der Geschäftsbanken

Quelle: Fredgraph, Monthly Bulletins der Federal Reserve, eigene Berechnungen

Termingelder (hellblaue Linie) sind verzinsliche Konti, die keine Transaktionen zulassen. Ihre Verzinsung richtet sich nach der Laufzeit der Anlage im Interbankenmarkt, und nach regulatorischen Vorschriften. Bei den Termingeldern gibt es in verschiedenen Phasen eine Sonderentwicklung.

Bis 1972 werden sie in der amerikanischen Statistik gar nicht isoliert ausgewiesen, sondern gemeinsam mit den Sparguthaben. Das dürfte damit zusammenhängen, dass in den USA Termin- und Spargelder seit 1936 gemeinsamen oder besser ausgedrückt identischen gesetzlichen Zinsobergrenzen ausgesetzt waren - wiederum eine amerikanische Besonderheit. Von 1972 an werden sie in der Statistik getrennt. Danach waren die noch bis 1983 gültigen Zinsobergrenzen unterschiedlich, was massive Verschiebungen zwischen Spar- und Termineinlagen auslöste.

In den 1970er Jahren wurden die Termingelder zur mit Abstand größten Komponente der Depositen. In der Spitze in den Jahren 1981/82 erreichte ihr Anteil über 50 Prozent. Danach haben sie sich über die Zeit hinweg bis zur Großen Finanzkrise 2008 gut gehalten. Seither ist ihr Anteil weit gefallen, bis 2021 auf deutlich unter 10 Prozent. Dieser Anteil hat sich erst im Jahresverlauf 2022/23 zu erholen begonnen. Das korrespondiert mit der Zinsentwicklung. Vor allem mit der Nullzinspolitik der Fed seit 2009 haben die Termingelder jeglichen Vorteil verloren. Die Termingelder sind dadurch arg gerupft geworden.

Zugenommen haben aber nicht in erster Linie die Sichteinlagen, wie man erwarten könnte, und wie es in vielen oder sogar den meisten anderen Ländern stattgefunden hat. Die Sichteinlagen blieben in einem langen Abwärtstrend, nur kurz unterbrochen zwischen 1983 und 1995, und haben sich erst nach der Großen Finanzkrise wieder etwas erholt. Für den außenstehenden Beobachter doch überraschend haben dafür die Spareinlagen massiv zugenommen und sind seither zur dominanten Komponente der Depositen geworden.1980 war dies noch die quantitativ mit Abstand kleinste Komponente der Depositen gewesen.

Spareinlagen waren ursprünglich verzinsliche Einlagen, die eine Mindest-Haltefrist hatten. Sie wurden vor allem von Haushalten im Rahmen von Sparplänen gehalten. Bis 1980 wurden nur selten Transaktionen oder Überträge ausgelöst. Von diesem Tiefpunkt an bis zum April 2020 nahm deren Anteil auf über zwei Drittel an den gesamten Depositen zu. Das erscheint merkwürdig und ist erklärungsbedürftig. Es entspricht dies, soweit ich das beurteilen kann, einer amerikanischen Sonderentwicklung. Die Ursachen im Detail darzustellen, übersteigt den Rahmen dieses Artikels.

Im Grunde geht es darum, dass die gesetzliche Regulation die zu Beginn der 1980er Jahre angeschlagenen Spardepositen privilegiert hat, um sie für die volkswirtschaftlich damals wichtigen Spar- und Leihkassen und sekundär die Geschäftsbanken, insbesondere auch für die kleinen und mittleren, zu bewahren.

So wurden in mehreren Schritten Nachteile gegenüber großen Termineinlagen, Geldmarktmarktfonds und anderen besser verzinslichen Sparvehikeln reduziert oder beseitigt. Gleichzeitig und in Etappen später mischte die Regulation den Spareinlagen aber immer mehr auch vollwertigen Transaktionscharakter bei. Technologischer Fortschritt bei den Transaktionen kamen hinzu. De facto wurden die Spareinlagen in den USA so sekundäre, aber verzinsliche Sichteinlagen mit einigen wenigen Restriktionen.

Die letzte Schranke wurde unmittelbar nach Ausbruch der Coronakrise im April 2020 von den Behörden gefällt. Die Fed entschied, dass es keine Beschränkung mehr auf den monatlichen Abzügen von Sparkonten geben sollte. Seither werden Sichtguthaben und Spareinlagen in der Statistik nicht mehr getrennt, sondern als ‚hoch liquide Depositen‘ (violette Linie, ganz oben rechts in der Graphik) gemeinsam ausgewiesen. Sie können jederzeit sofort von den Banken abgezogen werden. Kombiniert macht diese Position heute praktisch 90 Prozent der gesamten Depositen aus. Fakt ist also, dass in den USA die sofort abzugsfähigen Depositen vollständig dominieren.

Kredite und Wertschriften: Ein langer Immobilien-Boom

Genau das Gegenteil passierte auf der Anlageseite: Die Laufzeiten der Kredite und vor allem der Wertschriften wurden ausgeweitet, und zwar stark. Der erste Grund war die starke Ausdehnung der Immobilienkredite inklusive langfristiger Hypotheken sowie der Aufbau von Hypotheken-basierten Wertschriften-Portfolios (‚Mortgage-Backed Securities, kurz MBS). Der zweite Grund betraf die Ausdehnung der Staatsanleihen seit der Großen Finanzkrise. Auch dort dehnten die Geschäftsbanken vor allem die sehr langen Laufzeiten aus.

Die folgende Graphik zeigt die Entwicklung der prozentualen Anteile der wichtigsten Positionen der Kredite (engl. ‚loans and leases’) und Wertschriften (‚securities’) in der Nachkriegszeit. Das Aggregat der beiden Positionen wird in der Fed-Statistik als ‚bank credit’ bezeichnet. Das hängt damit zusammen, dass in den USA mit den früh entwickelten Geld- und Kapitalmärkten viele Bankkredite auch als Wertschriften verbrieft und somit handelbar waren.

Auffällig ist, wie die Bundesanleihen (schwarze Linie) im starken Wirtschaftswachstum der Nachkriegszeit massiv an Gewicht verloren, von rund 50 Prozent Anteil im Jahr 1950 auf etwas über 10 Prozent im Jahr 1974. Das reflektierte die Tatsache, dass die aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden, in Relation zum Bruttoinlandsprodukt sehr hohen Kriegsschulden erfolgreich abgetragen werden konnten.

Umgekehrt legte der Anteil der Kredite an den gesamten privaten Sektor kräftig zu. Bis Anfang der 1980er Jahre dehnten sich vor allem die gewerblichen und kommerziellen Kredite (hellblaue Linie) von rund 15 Prozent 1950 auf fast 30 Prozent im Jahr 1984 aus. Sekundär nahmen auch die Immobilienkredite (weinrote Linie) von rund 10 Prozent 1950 auf 22 Prozent 1983 zu. Der Anteil der Konsumkredite (hellgrüne Linie) stieg in den 1950er Jahr kräftig an, nahm bis 1982 leicht weiter zu, verlor seither wieder an Boden und verbleibt bis heute bei rund 10 Prozent.

Nicht eingezeichnet in dieser Graphik sind die von den Banken gehaltenen Wertschriften der Bundesstaaten, die vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit bedeutend waren.

Graphik: Prozentuale Aufteilung des 'bank credit' - Total der Kredite und Wertschriften - 1950-2022

Quelle: Fredgraph, Monthly Bulletins der Federal Reserve, eigene Berechnungen

Von 1983 an stiegen primär die Immobilienkredite weiter an. Ihr Anteil an den gesamten Anlagen verdoppelte sich bis 2007 auf über 40 Prozent. Die hohen Verluste in der Großen Finanzkrise von 2008 gerade auf diesen Krediten ließen die Banken ihre Engagements seither zurückfahren.

Was sie im Gegenzug ausdehnten, waren die Hypotheken-basierten Wertschriften (MBS, dunkelrote Linie, seit 2009) einerseits, und wieder die Staatsanleihen andrerseits. Die Summe von Immobilien-Krediten und MBS (hellrote Kurve, seit 2009) machen seither fast immer über 45 Prozent an den gesamten Krediten und Wertschriften aus. Der Anteil der Kredite an Gewerbe und Industrie ist hingegen wieder auf 15 Prozent zurückgegangen, auf das Niveau im Jahr 1950.

Zusammen machen Bau- und Immobilienkredite, Hypotheken, Hypotheken-basierte Wertschriften und Staatsanleihen heute über 70 Prozent, teilweise 75 Prozent der totalen ‚bank credits’ aus. Allen diesen Aktiven ist gemeinsam, dass sie lange und teilweise sehr lange Laufzeiten und damit eine sehr hohe Zinssensitivität haben. Zinssensitivität bedeutet, dass der Wert dieser Aktiven sich sehr stark bewegt bei Zinsveränderungen. Fallen die Zinsen, steigt die Bewertung dieser Aktiva, umgekehrt fällt sie, wenn die Zinsen steigen.

Summa summarum haben die Bilanzen der Geschäftsbanken in den Vereinigten Staaten eine massive Transformation erfahren. Heute dominieren auf der Aktivseite langfristige Immobilienkredite inklusive Hypotheken und Hypotheken-besicherte Wertschriften sowie Staatsanleihen mit sehr langer Restlaufzeit, alle mit hoher Zinssensitivität. Diese ‚bank credits‘ werden fast ausschließlich von Depositen mit sehr hoher Liquidität und Abzugsfähigkeit finanziert.

Damit ergeben sich zwei fundamentale Bank-Risiken: Ein Zinsrisiko und ein Liquiditäts- oder Abzugsrisiko. Das Zinsrisiko bezeichnet die Tatsache, dass Aktiven und Passiven unterschiedlich auf Zinsbewegungen reagieren. Und das Abzugsrisiko impliziert, dass Depositen rasend schnell von einer Bank oder ganzen Bankengruppen abgezogen und auf andere Banken oder Bankengruppen umverteilt oder in andere Liquiditäts-Formen reinvestiert werden können.

Es handelt sich somit um eine riskante Grund-Konstellation in der Bilanzsteuerung oder englisch im Asset- and Liability Management der Geschäftsbanken, die es in dieser Form in der Nachkriegs-Zeit bisher nicht gegeben hat. Im zweiten Teil des Artikels behandeln wir die Zins- und Abzugsrisiken etwas ausführlicher.

Lesen Sie hier Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?


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