Indien will bei den anstehenden Beratungen der Finanzminister aus den 20 führenden Industrie- und Schwellenländern (G20) einen eigenen Vorschlag für mehr Steuergerechtigkeit durchsetzen. Indischen Regierungsvertretern zufolge sollen weltweit tätige Konzerne einen größeren Anteil ihrer Steuerzahlungen in Staaten entrichten, in denen sie „Übergewinne“ erzielen. Die seit längerem geplante globale Steuerreform stockt, weil eine Umsetzung in den USA nicht in Sicht ist. Außerdem kommen die Detailverhandlungen über die erste Säule der Reform, mit der Schwellenländer besser gestellt werden sollen, nicht richtig voran. Als zweite Säule ist eine weltweite Mindeststeuer von 15 Prozent für größere Firmen vorgesehen. Einige Experten fürchten, dass das gesamte Projekt, auf das sich knapp 140 Staaten verständigt hatten, vor dem Kollaps steht.
Den indischen Regierungsvertretern zufolge wird das Thema am Montag und Dienstag beim G20-Treffen in Gandhinagar im Nordwesten von Indien intensiv diskutiert. Indien wolle für sich und andere Massenmärkte ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen, sagten die Insider, ohne jedoch eine genaue Größenordnung zu nennen. Nach der bisherigen Vereinbarung geht es um Konzerne, die Jahresumsätze von mehr als 20 Milliarden Euro aufweisen. Übergewinne werden unterstellt, wenn das jährliche Gewinnwachstum bei mehr als zehn Prozent liegt. Auf diese Übergewinne wird dann eine Sondersteuer von 25 Prozent fällig, die unter mehreren Ländern aufzuteilen ist.
Lindner nimmt nicht teil
Weitere Themen beim G20-Treffen, an dem Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht teilnehmen wird, sind mehr Kredithilfen für Entwicklungsländer, der Umgang mit überschuldeten Staaten sowie die Regulierung von Kryptowährungen. Indischen Regierungsvertretern zufolge wird es bei der Bewertung des russischen Angriffs auf die Ukraine erneut keinen Konsens geben. Streitigkeiten darüber hatten die jüngsten Treffen überschattet.
US-Finanzministerin Janet Yellen ist dagegen vor Ort in Gandhinagar. Sie sagte am Sonntag bei einer Pressekonferenz, sie sei erpicht darauf, enger mit China zusammenzuarbeiten, etwa bei Schuldenrestrukturierungen für ärmere Länder. Die Volksrepublik ist bei vielen hoch verschuldeten Staaten, etwa aus Afrika, der größte Gläubiger. Ihr jüngster Besuch in Peking habe geholfen, die angespannten Beziehungen der beiden weltgrößten Volkswirtschaften auf ein stärkeres Fundament zu stellen. „Es liegt aber noch viel Arbeit vor uns.“ Es gebe weiterhin Bedenken wegen unfairer Handelspraktiken Chinas.
Der US-Klimabeauftragte John Kerry traf unterdessen am Sonntag zu einem mehrtägigen Besuch in China ein. Es ist der jüngste Besuch eines hochrangigen US-Vertreters binnen weniger Wochen. Die beiden Länder liefern sich bereits seit längerem einen Handelsstreit.