Politik

Sicherheit statt Demokratie: Warum Präsident Bukele so populär ist

Lesezeit: 3 min
22.07.2023 15:51  Aktualisiert: 22.07.2023 15:51
Präsident Bukele regiert seit über einem Jahr im Ausnahmezustand, um mit teils brutalen Maßnahmen gegen die Kriminalität vorzugehen. Die Bevölkerung steht dabei hinter ihm - trotz aller Kosten.
Sicherheit statt Demokratie: Warum Präsident Bukele so populär ist
Mit Masseninhaftierungen hat Präsident Nayib Bukele die Kriminalität in El Salvador massiv reduziert. (Foto: dpa)
Foto: --

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  

Seit März letzten Jahres, als Präsident Nayib Bukele in El Salvador den Ausnahmezustand verhängte, wurden mehr als 71.000 Menschen verhaftet, was 7 Prozent der männlichen Bevölkerung zwischen 14 und 29 Jahren entspricht. Wer verdächtigt wird, Verbindungen zu einer kriminellen Bande zu haben, kann auf unbestimmte Zeit in ein überfülltes Gefängnis geworfen werden. Dafür sind nur wenige Beweise erforderlich, etwa eine verdächtige Tätowierung.

Die Regierung sagt, dass die Inhaftierten irgendwann ein ordentliches Verfahren bekommen werden. Denn bisher gab es nur oberflächliche Anhörungen, bei denen manchmal Hunderte von Verdächtigen gleichzeitig vor einem Richter erschienen. Bukele hat Fotos von Verdächtigen getwittert, die in Handschellen gefesselt, halbnackt und eng zusammengepfercht sind.

Bukele erklärt sein hartes Vorgehen gegen die Kriminalität in El Salvador wie folgt: "Fast jede Regierung der Welt ist 10- bis 1000-mal stärker als alle ihre Kriminellen zusammen. Der Grund, warum die Regierungen die Kriminalität nicht beenden, ist, dass sie mit ihr unter einer Decke stecken oder dass sie von ihr profitieren. Suchen Sie sich den Grund aus!"

Einwände aus dem Westen, er würde gegen die Menschenrechte verstoßen, weist Bukele umgehend zurück. "Manch einer mag argumentieren, dass Regierungen zwar mächtiger sind, aber in Wirklichkeit schwächer, weil sie die Menschenrechte achten müssen. Ja, sicher! Sagen Sie das mal den Dutzenden von Familien, die in jedem Gebäude im Irak getötet wurden, weil die MÖGLICHKEIT bestand, dass sich EIN Terrorist darin befand."

Das harte Durchgreifen gegen die kriminellen Banden in El Salvador hat klare Erfolge gebracht, wie der Economist berichtet. So ist die Mordrate von 51 pro 100.000 Einwohner im Jahr vor Bukele's Amtsantritt im Jahr 2019 auf nur noch 18 im Jahr 2021 und nur acht im vergangenen Jahr gesunken. Noch wichtiger ist, dass die Bürger heute weniger Angst vor den Kriminellen haben.

Wenn früher ein Gangster Schutzgeld verlangte, riefen nur wenige die Polizei, da dies wenig Aussicht auf Erfolg hatte und wahrscheinlich zum Tod führte. Heute sind es die Gangster, die Angst haben und sich verstecken, da schon ein anonymer Hinweis sie auf unbestimmte Zeit hinter Gitter bringen kann. Dieser Rückzug der Kriminellen hat das Leben unzähliger Menschen in El Salvador deutlich verbessert.

Eine Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass sich die jährlichen Kosten der Bandengewalt in El Salvador auf 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts belaufen. Heute sind die Viertel ruhig und die Geschäftsleute haben den Optimismus aufgebracht, neue Geschäfte zu eröffnen. Deshalb ist Präsident Bukele so beliebt. Seine Zustimmungsrate bewegt sich stabil zwischen 80 und 90 Prozent. Er ist sogar noch populärer als der Papst.

Bukeles Vorgehen dient anderswo bereits als Vorbild, wo die Kriminalitätsraten hoch und die staatlichen Institutionen schwach sind. Honduras hat den Ausnahmezustand ausgerufen, um die Kriminalität zu bekämpfen. Der Kandidat des Establishments für die Präsidentschaftswahlen in Guatemala im nächsten Monat will ein riesiges Gefängnis bauen. Ein Präsidentschaftskandidat in Ecuador, der ebenfalls im nächsten Monat zur Wahl steht, lobt Bukele.

Doch die Abschaffung der ordentlichen Gerichtsverfahren im Rahmen des Ausnahmezustands bringt auch Kosten mit sich. Es sind unzählige Unschuldige weggesperrt worden. Ihre Familien drängen sich vor den Gefängnissen und warten verzweifelt auf Nachrichten über ihre Angehörigen. Tatsächlich hat die Regierung bisher 6.000 der insgesamt 71.000 inhaftierten Personen wieder freigelassen.

Eine Gefahr besteht auch darin, dass Bukele seine Macht weiter ausbauen will. Er hält das Land schon über ein Jahr im Ausnahmezustand. Er hat Richter, die sich ihm widersetzen, entlassen. Er verkleinert das Parlament und ändert die Wahlregeln, um die Mehrheit seiner Partei zu festigen. Ein neues Gesetz sieht Gefängnisstrafen bis 15 Jahre für Journalisten vor, die Aussagen von Banden wiederholen und Angst verbreiten. Als nächstes will er gegen Korruption vorgehen.

Ein weiteres Problem ist die Frage, was mit den Gefangenen geschehen soll. Hinter Gittern werden sich die Bandenverbindungen verstärken, sodass eine Freilassung ein Chaos anrichten würde. Daher plant Bukele offenbar, die Inhaftierten so lange festzuhalten, bis sie alte Männer sind. Doch das könnte teuer werden. Bei der Verpflegung der Gefangenen fordert Bukele ihre Familien auf, sich zu beteiligen.

Bukele nähert sich dem Ende seiner ersten Amtszeit als Präsident und laut seiner Partei wird er im Februar erneut kandidieren. Eigentlich untersagt die Verfassung von El Salvador zwei Amtszeiten in Folge. Daher wird er für einige Monate einen Ersatzpräsidenten einsetzen und dann wieder zurückkehren. Er setzt darauf, dass den Wählern sichere Straßen wichtiger sind als eine Rechtsstaatlichkeit, die nur in der Theorie existiert.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Panorama
Panorama Elon Musk begründet seinen Wahlaufruf für die AfD - Kontroverse im Springer-Verlag
28.12.2024

Der Tesla-Chef und Eigentümer der Plattform X hat Gefallen an der AfD gefunden. Er meint, die Partei sei nicht rechtsextrem - und hat...

DWN
Panorama
Panorama Böllerverbote Silvester 2024: Diese Regeln gelten in deutschen Städten
28.12.2024

Böllerverbote Silvester 2024: Feuerwerksfans müssen in vielen deutschen Städten erneut mit Einschränkungen rechnen. Zahlreiche Kommunen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Flugzugabsturz: Kremlchef Putin entschuldigt sich
28.12.2024

Nach dem Absturz eines aserbaidschanischen Flugzeugs sah sich Moskau Schuldvorwürfen ausgesetzt. Nun ruft Kremlchef Putin seinen...

DWN
Immobilien
Immobilien Energieeffizienz im Immobilienmarkt: Was wünschen sich Mieter?
28.12.2024

Das Thema Energieeffizienz und energetische Sanierung ist ein wichtiges auf dem deutschen Immobilienmarkt: Nach dem Europaparlament müssen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Verspätungen, Streiks, Baustellen: Wie die Deutsche Bahn 700 Millionen Umsatz verliert
28.12.2024

Die Deutsche Bahn ist eine Dauerbaustelle und bekommt die Quittung dafür. Die Bilanz 2024 weist alleine im Fernverkehr 700 Mio. weniger...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kraftwerksexperte Manfred Haferburg: "Brownout ist ziemlich sicher zu erwarten”
28.12.2024

Gleich mehrere Dunkelflauten sorgten zum Jahresende 2024 für Rekordstrompreise an der Börse und Produktionsunterbrechungen in der...

DWN
Politik
Politik Estland lässt Unterseekabel Estlink 1 von Marine schützen
28.12.2024

In Estland und Finnland wurde die Weihnachtsruhe durch ein beschädigtes Unterseekabel in der Ostsee gestört. Die Regierung in Tallinn...

DWN
Politik
Politik Südkorea: Auch Interimspräsident Han des Amtes enthoben
28.12.2024

Nach Präsident Yoon Suk Yeol wird nun auch sein Vertreter Han Duck Soo durch eine Parlamentsabstimmung von seinen Aufgaben entbunden....