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Technologie-Blase: Aktien vor dem nächsten Crash?

Lesezeit: 6 min
07.08.2023 09:40  Aktualisiert: 07.08.2023 09:40
Technologie-Aktien sind wieder auf einem Höhenflug und zwar so stark, dass einzelne Indizes neu gewichtet wurden müssen. Der breite Markt wird vom Hype überrannt und kann diesen nicht nachhaltig stützen. Ist eine große Korrektur an den Börsen überfällig?
Technologie-Blase: Aktien vor dem nächsten Crash?
Weil die Big-Tech-Aktien jüngst zu dominant waren, muss der Nasdaq-Index neu gewichtet werden. (Foto: istockphoto.com/phongphan5922)
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So mancher Marktbeobachter ruft schon die nächste „Blase“ aus, weil Technologie-Aktien wieder aller Munde sind. Anleger investierten zuletzt kräftig in den Hype um Künstliche Intelligenz hinein und setzten dabei vor allem auf die Schwergewichte. Das hat Folgen auf den beliebten amerikanischen Technologie-Index „NASDAQ 100“, der die wertvollsten hundert Nicht-Finanzunternehmen an den US-Börsen abbildet. Zuletzt hatte hier die Gewichtung der sieben Big-Tech-Konzerne (Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Tesla, Nvidia) zwischenzeitlich 56 Prozent erreicht. Das, so die Meinung des Indexanbieters, ist keine vernünftige Streuung mehr. Die Anteile wurden deshalb auf 44 Prozent heruntergeschraubt.

Der Nasdaq ist nicht rein nach Marktkapitalisierung gewichtet, sondern wird in Fällen extremer Konzentration modifiziert, um nicht gegen die Anforderungen an Vermögensstreuung der US-Regulatoren zu verstoßen. Die einzelnen hundert Mitglieder dürfen jeweils kein Indexgewicht von mehr als 25 Prozent haben. Auch können alle Aktien mit einer Gewichtung von mehr als 4,5 Prozent zusammen nicht mehr als 48 Prozent ausmachen. Der letztgenannte Schwellenwert wurde Anfang Juli kurzzeitig überschritten, nachdem Tesla einen 10-Monats-Höchststand erreicht hatte, und veranlasste die Intervention zwischen den vierteljährlichen Überprüfungen.

Microsofts Anteil war am meisten betroffen mit nunmehr 9,8 statt 12,8 Prozent. Auch Nvidia wurden drei Prozent abgezogen (von 7 auf 4 Prozent). Apple wurde hingegen nur leicht abgestuft (von 12 auf 11,5 Prozent) und ist damit aktueller Spitzenreiter. Das abgezogene Gewicht der Big-Tech-Aktien wird gleichmäßig auf die kleineren Werte im Index verteilt. Eine spezielle Neugewichtung des Nasdaq hat es in der Geschichte erst zweimal gegeben. 2011 etwa war der Anteil von Apple auf 20 Prozent angewachsen – ironischerweise wurde dann ein Großteil zu Microsoft umgeschichtet.

Der Nasdaq-100 fungiert als Benchmark für passive Investment-Fonds (überwiegend ETFs) mit einem Marktvolumen von 250 Milliarden Dollar, die durch die neue Gewichtung Aktien der „Big Seven“ im Gegenwert von mehreren Milliarden Dollar verkaufen mussten. Die Umschichtung passierte am 24. Juli. An den Nasdaq-Kursen machte sich das jedoch nicht wirklich bemerkbar, wahrscheinlich weil die Maßnahme schon seit dem 10. Juli bekannt war und sich die Marktteilnehmer dahingehend absichern konnten.

Fehlende Marktbreite an den US-Börsen

Nach dem Beginn der Zinswende und der darauf folgenden Börsenkrise zum Jahreswechsel 2021/2022, die Techwerte besonders stark erwischt hatte, stabilisierten sich die Big-Tech-Aktien. Zuletzt kam es dann wieder zu einem kleinen Boom. Einigen Marktteilnehmern fiel auf, dass es sich bei den „Big Seven“ um hochprofitable Unternehmen handelt, die robuste Bilanten und meist hohe Cash-Reserven haben, laufende Milliardengewinne erwirtschaften und exzellent für die digitale Zukunft aufgestellt sind. Hinzu kommt der jüngste Hype um künstliche Intelligenz. Jetzt sind die sieben Schwergewichte wieder recht teuer bewertet.

Der Nasdaq wird derzeit mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28 (im Vergleich zu 21 zum Jahresauftakt) gehandelt. 2023 hat der beliebte Tech-Index um 42 Prozent zugelegt. Die „Big Seven“ nahmen 65 Prozent im Wert zu. Wenn man grob geschätzt davon ausgeht, dass die Big-Tech-Aktien dabei eine durchschnittliche Gewichtung von 40 Prozent hatten, so sind zwei Drittel der Kursgewinne im Nasdaq nur auf die Schwergewichte zurückzuführen. Das deutet auf eine fehlende Marktbreite hin.

Nach der massiven Outperformance einer Handvoll großer Technologie-Konzerne mangelt es fast allen US-Aktienindizes an Vielfalt. Ein ähnliches Problem besteht schon seit längerer Zeit im breiter gefassten SP500-Index, wo die „Big Seven“ aktuell circa ein Viertel des Gesamtgewichts ausmachen. Ohne die Performance der sieben Tech-Schwergewichte, so eine Analyse des Indexanbieters „Standard & Poors“ wäre der SP500-Index etwa genauso hoch wie zu Jahresbeginn und nicht 15 Prozent im Plus. Für Anleger hat dieser Effekt mehr Relevanz als beim Nasdaq, denn der SP500 dient als Benchmark für zwei Billionen (2.000 Milliarden) Dollar an Volumen in passiven Anlagevehikeln und damit achtmal so viel wie beim Tech-Index.

Nvidia: Die Hype-Aktie dieser Generation

Goldman Sachs zufolge haben der Optimismus der Anleger in Bezug auf künstliche Intelligenz und ein baldiges Ende der strafferen Geldpolitik der US-Notenbank zu diesem Kursfeuerwerk geführt. Der größte Outperformer unter den „großen Sieben“ war Nvidia. Der Grafikchip-Hersteller ist so teuer wie noch nie und entwickelt sich zunehmend zu der Hype-Aktie einer ganzen Anleger-Generation.

Basierend auf dem erwarteten Gewinn für 2023 notiert Nvidia mit einem KGV von 117. Investoren bezahlen zum aktuellen Kurs also das 117-fache des jährlichen Nettogewinns, um sich an der Firma zu beteiligen. Nun ist Nvidia kein typisches junges Wachstums-Unternehmen, sondern ein gestandener Konzern, der regelmäßig Spitzenplätze in der Rangliste der „besten Wertschöpfer“ belegt, die jedes Jahr von der Boston Consulting Group ermittelt wird. Der aktuelle Kurs reflektiert die Erwartungen der Analysten, dass sich der Umsatz bis 2027 fast verdreifachen und der Gewinn alleine 2024 vervierfachen wird.

Nvidia ist für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Man produziert nicht mehr nur Grafikchips für Gaming-Anwendungen und KI-Software, sondern ist auch im lukrativen Cloudgeschäft aktiv. Überall, wo AWS, Azure oder Google Cloud ein neues Data-Center eröffnen, führt an Grafikprozessoren aus dem Hause Nvida kein Weg vorbei. Auch die Rechenleistung für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz basiert damit größtenteils auf Nvidia-Chips. Das Rechenzentren-Segment macht mittlerweile mehr als die Hälfe des Umsatzes aus.

Unter dem Strich schreien die Bewertungs-Kennzahlen aber nach dem, was man im Englischen als „priced to perfection“ bezeichnet. Alles Positive ist abgebildet, die Risiken werden größtenteils ausgeblendet.

Nachhaltiger Börsenaufschwung oder Bärenrally?

Und wie sieht es mit dem Gesamtmarkt aus? Hunderte Millionen Anleger weltweit haben einen erheblichen Teil ihres Portfolios über Sparpläne in ETFs gesteckt, die mehr oder weniger exakt den SP500 beziehungsweise den MSCI-World-Index abbilden. Letzteres ist der beliebteste Welt-Aktienindex und die USA sind hier so stark gewichtet, dass die „Big Seven“ einen Anteil von rund 18 Prozent ausmachen.

Beide Indizes notieren nach einer erheblichen Korrektur vom Frühjahr 2022 nun wieder in der Nähe ihrer Allzeithochs. Ist die Baisse schon wieder vorbei oder ist das nur einer weitere Bärenmarkt-Rally wie sie auch mehrfach beim Platzen der Dotcom-Bubble 2000 bis 2002 zu beobachten war?

Stanley Druckenmiller, Investment-Legende und Ex-Partner von George Soros berühmtem Hedgefonds, hatte sich im letzten Sommer in einem Interview mit der „Sohn Conference Foundation“ folgendermaßen zu den Märkten geäußert. „Historisch gesehen gibt es keine Bärenmärkte nach einer Vermögensblase, die nur 6 Monate gedauert haben“. Seiner Meinung nach ist der Bärenmarkt demnach noch lange nicht vorbei.

Seitdem sind die US-Aktienmärkte mehr oder weniger seitwärts gelaufen, bis die 2023er-Rally einsetzte. Die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) hat in der Zwischenzeit den Zinserhöhungszyklus relativ konsequent fortgeführt und die Leitzinsen auf eine Spanne zwischen 5,25 und 5,50 Prozent erhöht sowie die Bilanz um 8 Prozent abgebaut.

Setzt man verschiedene geldpolitische Indikatoren (zum Beispiel Bilanzsumme der Fed oder globale Geldmenge) ins Verhältnis zum Aktienmarkt (SP500-Index oder MSCI World Index), so ergibt sich eine Korrelation von circa 90 Prozent. Die historisch stets hohe Korrelation zwischen Geldmenge und Aktienkursen wurde zuletzt gebrochen. Selbst der chronisch schwache DAX konnte trotz Rezession in Deutschland eine kleine Kursexplosion hinlegen. Angesichts der oben geschilderten Langzeitkorrelation ist es aber fraglich, wie nachhaltig diese Hausse sein kann.

Fazit: Der neue KI-Hype und damit verknüpft die Performance der Big-Tech-Konzerne sind die treibende Kraft hinter dem jüngsten Börsenaufschwung. Wie lange diese Euphorie anhält, kann niemand vorhersagen. Sollte dieser Faktor in naher Zukunft komplett (oder, wie es an der Börse in gewissen Zyklen üblich ist, sogar übertrieben stark) eingepreist sein, dann bleibt jedenfalls nicht mehr viel Positives übrig. Denn die hohen Zinsen schlagen auf die anfällige Wirtschaft durch und fordern bereits erste Opfer.

Lesen Sie dazu: Der nächste Finanzsturm? Teil 2: Die Zombie-Unternehmen kippen

An der Börse werden bekanntlich Zukunftserwartungen gehandelt. Die gewaltige Schuldenproblematik der USA können nicht einmal mehr die Rating-Agenturen ignorieren. Die ganzen geopolitischen Risiken (Abstieg des Westens, Abkehr vom US-Dollar, kriegerische Konflikte) kommen da noch einmal oben drauf. Allerhöchstens eine 180-Grad-Kurswende der Fed oder ein Ende des Ukraine-Krieges könnte die Kurse noch einmal nachhaltig befeuern.

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um keine Form der Finanzberatung. Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs, Investmentfonds oder Rohstoffe unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

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