In diesen Tagen, als sich der Himmel über Deutschlands Konjunktur verdunkelt, die Meldungen über eine schrumpfende Wirtschaft, nachlassende Investitionen und abwandernde Betriebe nicht abreißen wollen, weiß Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Tröstliches zu verkünden. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland stünde es gar nicht schlecht, sagt der Minister und verweist auf milliardenschwere Investitionen, die nun in Deutschland von der Industrie getätigt würden. „Zurzeit planen etwa zwei Dutzend Unternehmen Großinvestitionen in Deutschland mit einem Gesamtvolumen von rund 80 Milliarden Euro“, sagte Habeck. In dieser Summe seien nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auch einige geplante Investitionen enthalten, die noch vertraulich und nicht öffentlich bekannt seien. „Sie wollen hier investieren und werden Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen“, verkündete Habeck.
Unmut des Mittelstands
Doch was auf den ersten Blick so hoffnungsvoll erscheint, sorgt bei Vertretern des Mittelstands eher für Unmut. Denn: Nicht wenige der von Habeck angekündigten Großinvestitionen sind mit Subventionszusagen in Milliardenhöhe verbunden. Zu Großinvestitionen zählen nach Definition des Wirtschaftsministeriums solche mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro. Dazu zählen beispielsweise das geplante Werk des Chipherstellers Infineon in Dresden oder die Produktion von Halbleitern aus Siliziumkarbid, die das US-Unternehmen Wolfspeed im Saarland plant. Doch diese Investitionen werden mit einem massiven Einsatz von Steuermitteln unterstützt. So fördert die öffentliche Hand mit einer Milliarde Euro den Bau der Infineon-Anlage in Dresden, ähnlich hoch ist der Einsatz für den Bau einer US-amerikanischen Chipfabrik im saarländischen Ensdorf. Für den Bau der Chipfabrik von Intel vor den Toren Magdeburgs wurden gar zehn Milliarden an öffentlichen Geldern bereitgestellt und auch für die jüngst bekanntgegebene Investition des taiwanesischen Halbleiterherstellers TSMC in Dresden sollen es rund fünf Milliarden sein.
Was Habeck und sein Ministerium als Beweis ihrer höchst erfolgreicher Arbeit sehen, verfolgt die mittelständische Wirtschaft wie auch namhafte Ökonomen seit geraumer Zeit mit wachsendem Unbehagen. Denn das Geld für den warmen Subventionsregen, der auf die Großinvestoren herniederfällt, fehlt an anderer Stelle – und das dringend. Der in Düsseldorf ansässige Verband Deutscher Mittelstands-Bund (DMB) sieht die Entwicklung mit größter Sorge. Gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagt ihr geschäftsführender Vorstand Marc Tenbieg, dass es volkswirtschaftlich deutlich sinnvoller wäre, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt zu stärken, als ständig neue Subventionen für wenige ausgewählte Empfänger anzukündigen. „Große Leuchtturmprojekte lassen sich medial wunderbar als Erfolg inszenieren, sie sind aber teuer erkauft. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sieht das leider anders aus, obwohl sie das Herzstück der deutschen Wirtschaft sind: Keine Milliardensummen und die Unternehmen sind der Öffentlichkeit zumeist unbekannt. Die Stärkung des Mittelstandes kann eben medial nicht gleichermaßen in Szene gesetzt werden“, erklärt der DMB-Geschäftsführer bedauernd.
Neues Gesetz
Zwar gebe es nach Ansicht des Mittelstandsverbandes auch Zeichen der Hoffnung. So weise das geplante Wachstumschancengesetz des Bundesfinanzministeriums mit einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik in die richtige Richtung. Jedoch müsse auch an dieser Stelle dringend nachgebessert und der Wirtschaftsstandort Deutschland noch mutiger gestärkt werden. So müsse zum Beispiel die Investitionsprämie für kleine Unternehmen besser nutzbar sein. Zudem habe die Bundesregierung den Auftrag, ihren Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag nachzukommen und Digitalisierungsmaßnahmen von Unternehmen mit in die Förderung aufzunehmen. Insgesamt sei das eingeplante Volumen des Wachstumschancengesetzes von etwas mehr als sechs Milliarden Euro viel zu gering und müsse deutlich erhöht werden.
Ähnlich kritisch sieht der Vizepräsident des renommierten Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths die milliardenschweren Subventionen: „Das Geld wäre definitiv in Bildung besser angelegt als in solchen Prestigeobjekten.“ Das Argument, dass mit solchen Projekten Arbeitsplätze geschaffen würden, hält er in Zeiten des Fachkräftemangels für „Augenwischerei“.
Vergessene Lehren
Auch aus der Sicht der Ordnungspolitik ist dieses Vorgehen zweifelhaft. Die Ordnungspolitik, die der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik bei ihrer Gründung zugrunde lag und von Ludwig Erhard umgesetzt wurde, verbietet eigentlich ein solches Vorgehen. Nach Erhard soll der Staat lediglich den Rahmen setzen – nicht jedoch selbst in die Abläufe eingreifen. Genau dies tut er aber, wenn er bestimmten Industrien, wie die der Halbleiterindustrie, eine „strategische Bedeutung“ zuspricht – und diese dann mit milliardenschweren Subventionen unterstützt, während kleinere Unternehmen nicht nur leer ausgehen, sondern diese letztlich über Steuern auch noch querfinanzieren müssen.