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29.08.2023 14:00  Aktualisiert: 29.08.2023 14:00
Der Streit um die Eckpunkte des Gesetzes zur Kindergrundsicherung, der sich zu einer neuen Koalitionskrise entwickelt hatte, zeigte in aller Deutlichkeit den Autoritätsverlust von Robert Habeck. Das Wort des grünen Vizekanzlers ist inzwischen in der Koalition von minderem Gewicht.
Des Robert Habeck Niedergang
Vom Abstieg eines Superstars: Vizekanzler Habeck im Kabinett (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

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Er galt als der große Hoffnungsträger der Grünen, als begnadetes Kommunikationstalent. Keiner konnte so telegen die Welt erklären, wie Robert Habeck, der gelernte Philosoph aus dem hohen Norden. Nachdem Annalena Baerbock im Bundestagswahlkampf die hohen Erwartungen als Wahlkämpferin nicht erfüllte, schien es ausgemachte Sache zu sein, dass bei den Grünen ohne Habeck nichts mehr läuft. Das äußere Zeichen dafür war, dass Habeck Vizekanzler wurde und nicht die Spitzenkandidatin Baerbock.

Doch vom Glanz vergangener Tage ist nicht mehr viel übrig. Habeck, der als stolzer Adler aus dem Norden in Berlin eingeschwebt war, wirkt nun zerzaust und gerupft. Eine Kette von Pannen und Ungeschicklichkeiten war dafür maßgeblich – und ein grundlegendes Missverständnis.

Ein Missverständnis und seine Folgen

Robert Habeck trat das Amt als Bundeswirtschaftsminister in dem Irrglauben an, dass die grüne Umgestaltung der Energieversorgung das mit Abstand wichtigste Thema seiner Amtszeit sein würde. Demgemäß hatte Habeck mit Patrick Graichen, den er als seinen „wichtigsten Mann“ im Wirtschaftsministerium bezeichnete, jemanden zum Staatssekretär berufen, der sich fast ausschließlich für die sogenannte „Energiewende“ interessierte. Fragen, wie die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft interessierte Graichen nicht, ebenso wenig wie letztlich den Minister. Dies wäre nicht weiter aufgefallen – die deutsche Wirtschaft hat schon manchen Minister überstanden – wenn sich nicht just zu diesem Zeitpunkt die Konjunktur merklich abgekühlt hätte.

Es wäre dabei nicht gerecht, alle Versäumnisse, die sich in den langen, dahinschleppenden Jahren der Kanzlerschaft von Angela Merkel angehäuft hatten, Habeck und der Regierung von Olaf Scholz anzulasten. Doch tat sich besonders Habeck erkennbar schwer damit zu erkennen, dass Zeiten einer ökonomischen Krise auch eine andere Agenda erfordern.

Habeck, eher ein Mann des Allgemeinen, des Großen und Ganzen, verhedderte sich bald in Detailfragen. Den Anfang machte die sogenannte Gasumlage vor einem Jahr. Habeck, wie die gesamte Bundesregierung wollten mit der Umlage, die Gasversorger in Deutschland entlasten, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen mussten, um die Energie-Versorgung aufrecht erhalten zu können. Zur Ehrenrettung Habecks sei angemerkt, dass diese Gasumlage vom gesamten Kabinett unter aktiver Mitarbeit des Bundeskanzleramtes vorbereitet und beschlossen wurde, doch beim Habeck-Ministerium landete die handwerkliche Umsetzung. Und genau da begannen die Probleme, denn das Bundeswirtschaftsministerium scheiterte bei dem Versuch, ein Instrument zu finden, dass nur die bedürftigen Firmen von der Umlage profitieren. Nach nur einem Monat wurden die Pläne zur Einführung dieser Umlage denn auch zu Grabe getragen.

Verkorkste Personalpolitik

Von einer verkorksten Umlage ging es dann gleich weiter zu einer rundum verkorksten Personalpolitik. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit, von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt, machte sich Habeck mit einer reichlich robusten Personalpolitik wenig Freunde im eigenen Haus. Im Zuge einer Parlamentarischen Anfrage kam heraus, dass Habeck im Ministerium höchstselbst neun Referatsleiter-Stellen neu besetzt hat – und das ohne Ausschreibung, die eigentlich vorgeschrieben ist. Das sollte sich rächen.

Das Bundeswirtschaftsministerium, das immer noch ein wenig vom Glanz früherer Tage lebt, ist eine durch und durch selbstbewusste Behörde. Ein Minister, der mit großem Selbst- und Sendungsbewusstsein und noch größerer Entourage, darunter sage und schreibe sieben Staatssekretären, ein Haus übernimmt, provoziert Widerstände. So kam es denn auch.

In kürzester Zeit fanden die detaillierten Beschreibungen der verwandtschaftlichen Beziehungen und sonstiger Seilschaften rund um seinen Staatssekretär Patrick Graichen den Weg in die Öffentlichkeit. Dass die Schwester seines Staatssekretär Graichen, Verena, mit einem anderen Staatssekretär im Ministerium verheiratet ist. Dass diese wiederum beim Öko-Think Tank „Agora Energiewende“ arbeitete, bei dem Patrick Graichen Chef war. Und dass eben dieser Think Tank regelmäßig Aufträge aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekommt. Dass auch Jakob Graichen bei eben diesem Think Tank arbeitete – Seite an Seite also mit seiner Schwester Verena, der Ehefrau und Schwester zweier Staatssekretäre. Zu allem Überfluss kam heraus, dass Patrick Graichen einen Michael Schäfer zum neuen Chef der Deutschen Netzagentur berufen wollte, mit einem stattlichen Salär von 190.000 Euro im Jahr. Das Pikante war nur, dass ausgerechnet dieser Herr Schäfer Graichens Trauzeuge war. Man kennt sich gut in diesen Kreisen.

Am Ende konnte auch Minister Habeck nicht mehr anders – und seinen „wichtigsten Mann“, den Staatssekretär Graichen, entlassen.

Kaum schienen die personalpolitischen Irrungen einigermaßen überstanden, kündigte sich neues Ungemach an – in Form des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), kurz auch Heizungsgesetz genannt. Der Gesetzesentwurf, der vorsah, dass „ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss“, löste einen Sturm der Entrüstung in der Bevölkerung aus. Der Minister ruderte vor und zurück, der Koalitionspartner FDP und teilweise auch die SPD rückten von den Plänen des grünen Ministers ab. Und als dann die Bundesregierung das Gesetz in einer Hauruck-Aktion in zweiter und dritter Lesung durch den Bundestag peitschen wollte, schritt das Bundesverfassungsgericht ein, da das Recht der Abgeordneten auf ausreichende Beratungsmöglichkeiten verletzt worden sei.

Innerparteilicher Autoritätsverlust

All diese Missgeschicke schmälerten Habecks Reputation und schwächten ihn auch innerhalb seiner Partei. Wie sehr zeigte sich in ganzem Umfang beim Streit um das Kindergrundsicherungs- und um das Wachstumschancengesetz. Das Wachstumschancengesetz, ein Vorhaben aus dem Haus des Bundesfinanzministers und Vizekanzler Lindner, mit dem zusätzliche Impulse für wirtschaftliches Wachstum und Innovation gesetzt werden sollen, war mit Habeck abgesprochen. Doch Verabredungen mit Habeck haben, so zeigte es sich, innerhalb der Grünen wenig Bedeutung. Im Kabinett legte wenig später die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus gegen das Gesetz ihr Veto ein, weil sie sich dadurch mehr Mittel für ihr eigenes Gesetz zur Kindergrundsicherung versprach.

Nichts zeigt den politischen Autoritätsverlust des einstigen Superstars Habeck deutlicher, als der Umstand, dass eine grüne Kabinettskollegin auf das pfeift, was ihr Vizekanzler zuvor verabredet hat. Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch der FDP-Vizekanzler Lindner dürften mit Sorge registriert haben, dass Verabredungen mit dem grünen Vizekanzler nicht mehr viel bedeuten. Das Regieren wird dadurch nicht einfacher.


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