Politik

Naher Osten: Wie China, Russland und Iran das Informationschaos nutzen

Autoritäre Staaten nutzen den Informationskrieg im Netz, um über Soziale Netzwerke jeweils ihre eigene geopolitische Agenda voranzutreiben, zeigt eine neue Studie. In der Propagandaschlacht setzen China, Russland und Iran sehr unterschiedliche Akzente. Ein Adressat ist allen gemeinsam.
27.10.2023 13:29
Aktualisiert: 27.10.2023 13:29
Lesezeit: 3 min
Naher Osten: Wie China, Russland und Iran das Informationschaos nutzen
Ayatollah Ali Khamenei, Oberster Führer von Iran, Mitte Oktober. Der Iran hat angesichts des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas seine Drohungen gegen den jüdischen Staat bekräftigt. In Sozialen Netzwerken werden die Gräueltaten der Hamas von iranischen Staatsmedien gefeiert. (Foto: dpa/Office of the Iranian Supreme Leader/AP) Foto: ---

Die verwirrende Fülle unterschiedlichster Informationen rund um den Nahost-Konflikt macht es schwierig, ausgewogen über den Krieg zwischen Israel und der Hamas zu berichten und die komplizierte Lage einzuordnen. Gerade die Social-Media-Plattformen werden seit dem Massaker von Hamas-Terroristen an israelischen Zivilisten am 7. Oktober mit Darstellungen von brutaler Gewalt, falschen oder unbestätigten Behauptungen und emotional aufgeladener Rhetorik geflutet, nicht zuletzt, um Klicks zu generieren und zur Weiterverbreitung zu motivieren. Autoritäre Staaten instrumentalisieren das Leid der Zivilbevölkerung in Israel und Gaza, um ihre Narrative zu platzieren, die Gewalt weiter anzufachen und Desinformation zu verbreiten.

Für Iran, Russland und China ist diese Gemengelage eine willkommene Gelegenheit, in den sozialen Netzwerken ihre geopolitische Agenda voranzutreiben und damit den Westen und die ungeliebten Demokratien zu destabilisieren. Zu diesem Ergebnis kommen Analysten das unabhängigen britischen Institute for Strategic Dialoque (ISD) in einer neuen Studie und zeigen auf, wie die Propagandisten speziell dieser drei Länder dabei vorgehen.

Alle haben den Globalen Süden im Blick

Für den Zeitraum vom 7. Bis zum 18. Oktober untersuchten die Forscher dafür Daten von Hunderten Facebook- und X- (ehemals Twitter) Accounts von iranischen, russischen und chinesischen Beamten, diplomatischen Vertretungen und staatlichen Medien. Sie fanden dabei heraus, dass die drei Länder dabei, jeweils ihren eigenen Interessen folgend, teils unterschiedlich vorgehen.

Alle drei Staaten haben demnach bei ihren Posts den Globalen Süden im Blick und verbreiten in den Berichten antiwestliche Narrative. Darin betonen sie die Mitschuld westlicher Staaten, besonders der USA und Großbritanniens, am Leid der palästinensischen Zivilisten unter Israels Angriffen. Sie werfen dem Westen Heuchelei und Doppelmoral vor, und dass er die Bemühungen um einen Frieden in der Region behindere.

Russland verbindet Ukraine- und Nahost-Konflikt

Auf russischen Konten gibt es neben der bekannten anti-westlichen Rhetorik eine Verschränkung des Nahost-Konflikts mit der staatlichen Kampagne gegen die westliche Unterstützung und Waffenlieferungen für die Ukraine. So verbreiten russische Staatsmedien und Diplomaten unbelegte Behauptungen, dass die Ukraine Waffen an die Hamas liefere. Damit rücken sie die Ukraine in die Nähe von Terroristen und feuerten Korruptionsvorwürfe an.

Auch für den Raketeneinschlag auf das Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza mit geschätzt mehreren Hundert Toten, machte Russland sofort Israel verantwortlich, die Bombe auf das Krankenhaus stamme zudem aus den USA. Die tatsächliche Urheberschaft bis heute nicht vollständig geklärt. Letzten Erkenntnissen zufolge handelte es sich wahrscheinlich um eine verunglückte Rakete palästinensischer Terroristen. Beide Seiten bestreiten, etwas mit dieser Tragödie zu tun zu haben. Russland stellt sich dabei selbst als Vermittler für Frieden im Nahen Osten dar, der sich aktiv für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzt.

Die beiden Ansätze verbreiten sich nicht nur über das westliche Publikum. Sie haben nach Einschätzung der Analysten ein großes Potenzial, im Globalen Süden auf fruchtbaren Boden zu fallen, wo diese Inhalte antikoloniale Missstände widerspiegeln. Befürchtungen, dass es wegen des aktuellen Konflikts im Nahen Osten immer schwieriger wird, im Globalen Süden Unterstützung für die Ukraine zu gewinnen, nehmen zu. Daraus folgern die ISD-Analysten, dass Informationskampagnen des Iran, Russlands und Chinas zur Polarisierung und zum wachsenden Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen beitragen könnten.

Iran verherrlicht Gewalt und Kriegsverbrechen

Staatsnahe Accounts des Iran fallen mit der Verbreitung von grausamen Bildern und Videos auf und in ihren Posts vor allem durch die Verherrlichung und Rechtfertigung von Kriegsverbrechen und Gewalt an israelischen Zivilisten. Damit verbreiten sie besonders schädliche Inhalte, die zur Nachahmung auffordern und die Gewalt weiter anfachen. So loben sie den Angriff der Hamas als einen „strategischen Schlag gegen Israel“ und machen die USA als Hauptakteur für die derzeitigen „Verbrechen in Gaza“ verantwortlich.

Die Gegner werden als das „einzigartig Böse“ entmenschlicht und ungeprüfte Videos verbreitet, die sich später als falsch erwiesen. Der Iran und Ajatollah Ali Khamenei werden als Anführer eines „pan-islamischen Widerstands“ gegen die neokolonialen westlichen Mächte und Israel portraitiert. Gleichwohl betont Iran immer wieder, nichts mit der Hamas-Attacke am 7. Oktober zu tun zu haben.

China zeigt zwei Gesichter

China geht laut der ISD-Studie strategisch differenzierter vor und präsentiert sich unterschiedlich je nach Plattform. Während die Facebook-Posts weitgehend neutral gehalten werden und jede Art von Gewalt an Zivilisten verurteilt wird, herrscht auf X ein anderer, deutlich polarisierender Ton. Es ist eine Gelegenheit, gegen die USA auszuteilen. Grund für den Konflikt seien „strategische Fehler der USA im Nahen Osten“, heißt es da. Die chinesischen Staatsmedien beschuldigen die USA außerdem, wirtschaftlichen Profit aus der Eskalation des Nahost-Konflikts schlagen zu wollen und diesen deshalb anzuheizen.

China hingegen arbeite stattdessen an einer Deeskalation des Konflikts. Passend dazu gab es Cartoons, wie jenen, in dem China den US-Flugzeugträgern eine weiße Friedenstaube entgegensetzte. Westliche Politiker und Mainstream-Medien werden zudem beschuldigt, die Opfer in Gaza einfach auszublenden. In westlichen Medien fehlten palästinensische Stimmen.

Julia Smirnova, Chef-Analystin bei ISD, überrascht es wenig, dass autoritäre Staaten, das Durcheinander um den Israel-Hamas-Konflikt ausnutzen, um ihre geopolitische Agenda voranzutreiben, wie sie nach der Veröffentlichung der Studie gegenüber euronews.com sagte. „Aber wir, besonders die Sozialen Netzwerke, dürfen über die Schädlichkeit dieser Rhetorik nicht hinwegsehen.“ Sie verschärfe die Polarisierung und steigere das Misstrauen in demokratische Institutionen und in die Medien.

Link zur Studie:

www.isdglobal.org/digital_dispatches/capitalising-on-crisis-russia-china-and-iran-use-x-to-exploit-israel-hamas-information-chaos/#

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