Politik

Verfassungsgericht bringt Klima-Politik der Ampel zum Einsturz

Lesezeit: 3 min
15.11.2023 13:21  Aktualisiert: 15.11.2023 13:21
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kippt den umstrittenen Nachtragshaushalt von Ende 2021. Damit bricht die Klima-Politik der Bundesregierung vollständig in sich zusammen.
Verfassungsgericht bringt Klima-Politik der Ampel zum Einsturz
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts,(l-r) Doris König (Vorsitzende) und Peter Müller, verkündet das Urteil in Sachen „Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021“. Laut dem Urteil ist der Nachtragshaushalt nichtig. (Foto: dpa)

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Der Bundesregierung droht eine schwere Krise. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kippte am Mittwoch den umstrittenen Nachtragshaushalt von Ende 2021. Danach durften 60 Milliarden Euro an nicht benötigten Krediten zur Bewältigung der Corona-Krise nicht umgewidmet und in den Klimafonds verschoben werden, wie das Gericht mitteilte.

Klima-Politik war illegal

SPD, Grüne und FDP hatten 60 Milliarden Euro an ungenutzten Krediten aus der Corona-Zeit umgewidmet und als Polster in den Klimafonds verschoben, wo sie über mehrere Jahre hin eingesetzt werden können. Dieser Manöver wurde als verfassungswidrig gewertet, wegen Verstößen gegen die Regelungen zur Schuldenbremse, die nur in den Jahren der Pandemie ausgesetzt war.

Dadurch jedoch sind wichtige Finanzabsprachen aus den Ampel-Koalitionsverhandlungen nichtig. Das Geld für Klimainvestitionen muss nun anderweitig bereitgestellt werden. Das wird wegen der angespannten Haushaltslage und aufgrund steigender Schulden und Zinskosten aber schwierig. Neuer Streit der Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP ist deswegen programmiert, vor allem zur Schuldenbremse.

Das Vorgehen der Ampel sei insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Schuldenbremse verfassungswidrig, sagte die Vize-Präsidentin des Gerichts, Doris König. Sie beanstandete, dass die krisenbedingte Aussetzung der Schuldenbremse, die während der Pandemie bestanden hat, bei späteren Ausgaben zum Klima nicht ausreichend dargelegt worden sei.

Außerdem sei das entsprechende Gesetz zu spät verabschiedet worden. Die Entscheidung hat zur Folge, dass der Umfang des Klima- und Transformationsfonds (KTF), wie er mittlerweile heißt, sich um 60 Milliarden Euro reduziert, wie das Gericht betonte. „Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren.“

Schwerer Schlag für Bundesregierung

Der CDU-Politiker Mathias Middelberg, einer der Kläger, sprach von einer Katastrophe für die Ampel. „Die gesamte Haushaltspolitik der Ampel basiert auf Verfassungsverstößen.“ Das Gericht habe für schärfere Konturen der Schuldenbremse im Grundgesetz gesorgt. „60 Milliarden fallen ersatzlos weg“, sagte Middelberg am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Er sieht zudem auch das 200 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Energiepreisbremsen von dem Urteil betroffen. „Auch dessen Verfassungsmäßigkeit wird jetzt zu prüfen sein“, betonte Middelberg.

Verantwortlich für den Verfassungsverstoß sei nicht nur Finanzminister Christian Lindner (FDP), sondern auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), der als Finanzminister „das Konzept für diese Umgehung der Schuldenbremse ausgearbeitet hatte.“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Das Urteil ist eine gigantische Klatsche für die Ampel, die jetzt ein 60-Milliarden-Loch im Haushalt hat.“

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte im Vorfeld des Urteils gesagt, einen Plan B zu haben. Details hatte er aber nicht genannt. Am Mittag wollen sich Insidern zufolge Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusammen im Kanzleramt zu den Folgen äußern. Für die Koalition kommt die Entscheidung zur Unzeit. Denn ab Donnerstag sollen im Bundestag die letzten Änderungen am hart umkämpften Haushaltsentwurf für 2024 festgelegt werden.

Aus dem aktuellen KTF-Wirtschaftsplan geht hervor, dass die Rücklagen zum Jahresende 2023 bei voraussichtlich 64,8 Milliarden Euro liegen dürften. Ab 2024 soll aber mehr ausgegeben als eingenommen werden, wodurch die Rücklage Ende 2024 zunächst auf 41,5 Milliarden Euro sinken würde. Ende 2026 dürfte sie nach derzeitiger Planung aufgebraucht sein.

Die SPD-Politikerin Katja Mast geht davon aus, dass die Haushaltsberatungen trotz des Urteils wie geplant weiterlaufen. „Wir sind auf die Szenarien vorbereitet“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin. Man müsse sich das Urteil nun genau anschauen. Sie sei offen für eine Debatte über die Schuldenbremse.

Dies hat Lindner zuletzt aber strikt abgelehnt. Sie müsse eingehalten werden, betonte er. Die Grünen sehen bei der Schuldenbremse ebenfalls Reformbedarf. „Wir brauchen ein Update für unsere Verschuldungsregeln, wenn wir künftig in die Zukunft des Landes investieren, die Verteidigungsausgaben wie versprochen steigern, den Umbau unserer Energieversorgung langfristig sichern und daneben noch Schulden bei steigenden Zinsen tilgen wollen“, sagte der grüne Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz, zu Reuters. Das gehe aber nur im Konsens aller demokratischen Parteien, weil es eine Verfassungsänderung dafür brauche.

Von den Haushältern der Ampel war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Lindner wird aber am Nachmittag im Haushaltsausschuss erwartet.


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