Politik

Lindner will Schuldenbremse 2023 aussetzen

Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Schuldenbremse erneut umgehen. Die Entscheidung dürfte politischen Wirbel verursachen.
23.11.2023 16:49
Aktualisiert: 23.11.2023 16:49
Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung will für das laufende Jahr 2023 nun doch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erneut und damit das vierte Jahr in Folge aussetzen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte am Donnerstag in Berlin an, dass er dem Kabinett am Mittwoch kommender Woche den Entwurf für einen entsprechenden Nachtragshaushalt für 2023 vorlegen werde. Damit verschafft sich die Bundesregierung die Möglichkeit, die in diesem Jahr ohnehin schon geplante Neuverschuldung deutlich zu erhöhen. Dabei geht es nach Angaben aus dem Finanzministerium um einen zusätzlichen Betrag von etwa 45 Milliarden Euro, der vor allem die Ausgaben des Energie-Krisenfonds WSF auf eine andere Grundlage stellen soll. Der Nachtragshaushalt soll nach Insider-Angaben noch in diesem Jahr vom Bundestag beschlossen werden.

Damit zieht die Bundesregierung die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Übertragung von 60 Milliarden Euro alter Notlagen-Kredite in den Klimafonds für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Urteil hat auch Folgen für den WSF, den die Regierung 2022 mit Kreditermächtigungen von 200 Milliarden Euro ausgestattet hatte. Die Regierung hatte am Dienstag mit einer Haushaltssperre eingeräumt, dass es mit dem Urteil auch für diese Kredite keine Grundlage mehr gebe.

LINDNER: „ICH MACHE REINEN TISCH“

Lindner selbst erwähnte die Schuldenbremse nicht, deren Aussetzung für zusätzliche Kredite im Nachtragshaushalt aber zwingend erforderlich ist. Eine Sprecherin des Ministeriums ergänzte daher: „Die Bundesregierung wird dem Bundestag mit dem Nachtrag einen Beschluss für die Feststellung einer außergewöhnlichen Notlage für das Jahr 2023 vorschlagen.“

Für die Aussetzung der Schuldenbremse muss die Regierung eine „außergewöhnliche Notlage“ erklären, damit der Bundestag mit Kanzlermehrheit die Schuldenbremse lockert. Aus Lindners Worten ergibt sich, dass sie diese Notlage offenkundig mit hohen Strom- und Erdgaspreisen begründen will, die für Wirtschaft und Verbraucher aus dem WSF bezuschusst wurden.

Über die auf Eis gelegte Haushaltsplanung für 2024 will Lindner erst reden, wenn der Nachtragshaushalt 2023 unter Dach und Fach ist. „Ich betrachte es als meine Aufgabe, jetzt reinen Tisch zu machen“, sagte der FDP-Chef in einem kurzen Statement vor Kameras, bei dem keine Fragen zugelassen waren. Über das „Jahr 2024 und die nächsten Jahre“ könne man erst sprechen, wenn es einen "verfassungsrechtlich gesicherten Zustand" gebe: „Wir werden die Ausgaben, insbesondere für die Strom- und Gaspreisbremse, jetzt auf eine verfassungsrechtlich gesicherte Grundlage stellen.“ Dazu gebe es den Entwurf des Nachtragsetats, „in Absprache mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler“.

Dabei geht es nach Angaben aus dem Finanzministerium um eine Summe von etwa 40 bis 45 Milliarden Euro. Hinzu kämen 1,6 Milliarden Euro, die in diesem Jahr aus dem Fluthilfefonds zur Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 gezahlt worden seien. Auch diese kreditfinanzierten Zahlungen müssten auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt werden.

Die gesamte Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr könnte sich damit auf etwa 90 Milliarden Euro belaufen, da im bisherigen Etat schon neue Kredite von bis zu 45,6 Milliarden Euro vorgesehen sind. Damit wird die laut Schuldenbremse zulässige Neuverschuldung bereits vollständig ausgeschöpft.

SPD-Chef Lars Klingbeil forderte, die Schuldenbremse für den Bund auch 2024 auszusetzen. „Ich finde es politisch richtig, die Notlage für 2023 zu erklären“, sagte Klingbeil dem „Handelsblatt“. "Und ich finde, es gibt viele politische Gründe, sie auch für 2024 zu erklären." Als Begründung nannte er die „Nachwehen der Pandemie“, die Energiekrise, die Inflation sowie den Krieg in der Ukraine und die Situation in Nahost.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Weil Eltern keine Superhelden sein müssen!

Familien haben ihren ganz speziellen Vorsorgebedarf, der mit den Kindern wächst und sich verändert. Unterstützen Sie Familien bei der...

DWN
Panorama
Panorama Ungewisse Dimensionen: Vogelgrippe in den USA alarmiert Fachleute
18.03.2025

Vor einem Jahr wurde die Vogelgrippe in den USA erstmals bei Milchkühen nachgewiesen. Zahlreiche Menschen haben sich infiziert, einer...

DWN
Politik
Politik Trump-Telefonat: Was kann das Telefongespräch mit Putin erreichen?
18.03.2025

US-Präsident Trump setzt sich für ein schnelles Ende des russischen Angriffskriegs ein. Doch Kremlchef Putin steht im Verdacht, eine...

DWN
Politik
Politik Bundestag-Abstimmung über Finanzpaket: Bewährungsprobe für Union und SPD
18.03.2025

Im Bundestag steht für den wahrscheinlichen künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) an diesem Dienstag eine bedeutende Entscheidung...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz bringt laut Studie keinen Produktivitätssprung
17.03.2025

Künstliche Intelligenz (KI) wird laut einer aktuellen Studie in den kommenden Jahren kein "Produktivitätswunder" in Deutschland bewirken....

DWN
Politik
Politik Milliarden-Poker im Bundestag: CDU oder SPD - welche Partei profitiert wirklich?
17.03.2025

Auch wenn das milliardenschwere Schuldenpaket kommt, könnte die SPD die Koalitionsverhandlungen mit der Union noch platzen lassen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schwache Konjunkturprognosen: Deutsche Wirtschaft steckt tief in der Krise - was jetzt passieren muss!
17.03.2025

Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland bleibt aus und die Preise steigen weiter: Zwei aktuelle Konjunkturprognosen zeichnen ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Burn-out: Wenn der Job zur Belastung wird
17.03.2025

Ständig müde, antriebslos und innerlich gekündigt? Burn-out ist eine schleichende Gefahr, die jeden treffen kann – doch es gibt Wege...

DWN
Finanzen
Finanzen Steyr Motors-Aktie: Kursrallye hält an – was Anleger jetzt wissen müssen
17.03.2025

Die Steyr Motors-Aktie setzt ihren beeindruckenden Aufwärtstrend fort und bleibt einer der großen Gewinner am deutschen Börsenparkett....