Die Bank of America erstellt einen monatlichen Bericht, in dem die Meinungen von rund 300 institutionellen Investmentfonds- und Hedgefondsmanagern aus der ganzen Welt eingeholt werden. Die jüngste Umfrage ergab, dass eine Mehrheit von 79 Prozent der Anleger davon ausgeht, dass die Weltwirtschaft 2024 entweder eine „weiche“ oder „gar keine“ Landung erleben wird. Das ist der höchste Wert seit neun Monaten. Gleichzeitig erwarten nur 17 Prozent ein Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Rezession.
Die befragten Anlageexperten rechnen zudem mit einer Überwindung der Inflation und mit Zinssenkungen im laufenden Jahr. Dieses sehr optimistische und für die Aktienmärkte schwer vereinbare Szenario kann natürlich eintreten, aber es gibt auch gute Argumente dafür, dass die Inflation hartnäckiger anhält und möglichen Zinssenkungen im Wege steht. Zudem sind die Renditen kurzfristiger US-Anleihen nach wie vor höher als die langfristiger Papiere. Solche inversen Zinskurven gehen häufig Rezessionen voraus.
Warum Makroökonomie keine Rolle spielt und Buffett den Markt schlägt
Die Gegenüberstellung aus dem ersten Absatz und die Betrachtung der Geschichte belegen eine Tatsache: Selbst Experten sind nicht in der Lage, korrekte Vorhersagen über die Entwicklung der Makroökonomie zu treffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der berühmte Investor Warren Buffett nach eigener Aussage „noch nie eine Entscheidung aufgrund einer makroökonomischen Prognose getroffen hat.“ Es gibt einfach so viele Variablen, die eine Vorhersage auf dieser Ebene unmöglich machen.
Was ist also das Geheimnis seines unglaublichen Erfolges? Warren Buffet ist in erster Linie als Value-Investor bekannt, der er zu Beginn seiner Karriere durch seine Ausbildung bei seinem Professor Benjamin Graham auch war. Dank seinen langjährigen und kürzlich verstorbenen Partner Charlie Munger wurde er jedoch zum Fan von Qualitätsaktien. Diese Begegnung, gepaart mit viel Geduld und einem entsprechend langen Anlagehorizont, war wohl entscheidend für seinen Erfolg.
Sie suchten und kauften großartige Unternehmen zu fairen Preisen, anstatt durchschnittliche Unternehmen zu großartigen Preisen zu kaufen. In der Folge erzielte das Portfolio von Berkshire Hathaway höhere Renditen bei geringerer Volatilität als der breite Markt. Viele besonders erfolgreiche Fondsmanager haben daher die Strategie von Buffett und Munger übernommen, angepasst und weiterentwickelt.
Qualitätsaktien: Was ist das und was zeichnet sie aus?
Einer dieser Investoren ist der österreichische Fondsmanager Peter Seilern, der mit dem Seilern World Growth Fonds in der Vergangenheit hervorragende Renditen erzielen und den MSCI World deutlich schlagen konnte. Seine Anlagephilosophie hat der Vermögensverwalter in zehn goldenen Regeln zusammengefasst, die auch in seinem Buch „Die besten Aktien der Welt“ nachzulesen sind.
Seilerns zehn goldene Regeln definieren Eigenschaften, die die Wahrscheinlichkeit eines organischen Wachstums erhöhen (Wachstumsmerkmale) und das Risiko eines dauerhaften Kapitalverlusts verringern (Qualitätsmerkmale). Starkes organisches Wachstum resultiert aus den ersten vier Wachstumsmerkmalen. Ein Unternehmen,
- das in einer überdurchschnittlich wachsenden Branche
- eine führende Position einnimmt,
- über ein skalierbares Geschäftsmodell
- und nachhaltige Wettbewerbsvorteile verfügt,
bringt laut Peter Seilern die wichtigsten Voraussetzungen für starkes organisches Wachstum mit.
Solche Unternehmen sind in der Lage, die Preise für ihre Produkte selbst zu bestimmen und den Umsatz auch in einer Rezession weiter zu steigern. Nur solche Unternehmen eignen sich als Inflationsschutz. Das bedeutet, dass beispielsweise Unternehmen aus dem Rohstoff- oder Automobilsektor für einen Qualitätsinvestor nicht in Frage kommen. Auch Akquisitionen sollten für das Wachstum eines Unternehmens, dass sich als Qualitätsaktie qualifiziert, nicht von zentraler Bedeutung sein.
Der Zinseszinseffekt als Heiliger Gral des Qualitätsinvestors
Das Seilern-Team setzt auf konzentrierte Portfolios mit maximal 25 Qualitätsaktien. Um Klumpenrisiken zu vermeiden, müssen die Unternehmen geografisch und nach Kunden breiter diversifiziert sein. Nur so ist das Unternehmen unabhängig von einzelnen Märkten und verfügt über eine starke Verhandlungsposition gegenüber einzelnen Kunden. Eine breite Aufstellung reduziert Umsatzschwankungen und macht Umsatzprognosen verlässlicher.
Die nächsten beiden Regeln betreffen die Bilanzstruktur und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Unternehmen mit geringem Kapitalbedarf haben einen größeren Anteil ihrer Gewinne zur freien Verfügung. Sind die Voraussetzungen für weiteres organisches Wachstum aus den ersten fünf goldenen Regeln erfüllt, können die Unternehmen diese freien Mittel in weiteres Wachstum mit hoher Kapitalrendite investieren.
So entsteht der Zinseszinseffekt, bei dem Erfolg weiteren Erfolg schafft. Mit einem entsprechend langen Anlagehorizont sind mit diesen Qualitätsaktien Anlageerfolge wie bei Warren Buffett möglich. Solche Unternehmen benötigen daher in der Regel auch kein Fremdkapital und erfüllen damit die nächste goldene Regel hinsichtlich einer soliden finanziellen Basis. Diese ist erfüllt, wenn keine Nettoverschuldung besteht oder diese sehr kurzfristig aus dem Free Cashflow bedient werden kann.
Wie Anleger mit Qualitätsaktien Totalverluste vermeiden
Ein Aktieninvestment ist keine sichere Geldanlage wie ein Tagesgeldkonto. Aktienkurse können fallen und Anteilsscheine ihren Wert verlieren, das muss jedem Anleger klar sein. Dafür winken Kursgewinne. Und wer in Qualitätsaktien investiert, geht zudem ein vergleichsweise geringes Risiko ein - Totalverluste lassen sich relativ einfach vermeiden, wie die neunte goldene Regel zeigt. Sie ist sogar relativ einfach umzusetzen, da es sich in erster Linie um ein Ausschlusskriterium handelt. Investoren sollten nur in Unternehmen mit transparenter Rechnungslegung investieren. Dafür kommen nur Länder mit strengeren Prüfungsanforderungen und Branchen mit nachvollziehbarer Rechnungslegung in Frage. In dieser Hinsicht sind beispielsweise Banken oder Versicherungen als Qualitätsaktien ungeeignet.
Deutlich komplexer ist die Prüfung der letzten goldenen Regel hinsichtlich eines besonders effizienten Managements. Hier können Investoren auf vergangene Kapitalallokationsentscheidungen, die Kommunikation der Manager mit Aktionären und Analysten oder den Vergütungsbericht zurückgreifen. Erfolgreiche Manager verfolgen die gleichen langfristigen Interessen wie ihre Aktionäre. Inzwischen können sich Investoren auch an ESG-Ratings orientieren, auch wenn die Art und Weise, wie diese Ratings zustande kommen, häufig kritisiert wird.
Wie dem einen oder anderen aufmerksamen Leser aufgefallen sein wird, befasst sich keine der zehn Goldenen Regeln mit der Bewertung von Unternehmen. Hier ist Peter Seilern der Meinung, dass die Bewertung für Anleger mit einem längeren Zeithorizont weniger relevant ist. Dennoch sollten Anleger beim Kauf von Aktien nur einen angemessenen Preis bezahlen. Dabei spielen das Wachstum des Unternehmens, die Prognostizierbarkeit künftiger Gewinne und das Zinsumfeld eine zentrale Rolle. Bei einer Rendite von derzeit 4,13 Prozent für zehnjährige US-Staatsanleihen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 24,2. Qualitätsaktien rechtfertigen aufgrund ihrer positiven Eigenschaften durchaus eine höhere Bewertung.
Die Vorzüge der Strategie auf dem Punkt gebracht
Während sich viele Marktteilnehmer auf die kurzfristigen Einschätzungen von Experten und die neuesten Meldungen in der Wirtschaftspresse konzentrieren, tun langfristig orientierte Besitzer von Qualitätsaktien gut daran, dieses tägliche Rauschen auszublenden. Für ihren nachhaltigen Anlageerfolg spielen das konjunkturelle Umfeld und die meisten Schlagzeilen kaum eine Rolle. Entscheidend für die Wertentwicklung sind vielmehr Sorgfalt bei der Auswahl der Unternehmen und Geduld.
Laut Morningstar sind die meisten Vermögensverwalter nicht in der Lage, den Markt dauerhaft zu schlagen. Investoren in Qualitätsaktien wie Warren Buffett oder Peter Seilern haben genau das geschafft. Natürlich gibt es auch bei ihnen Phasen, in denen sie den Markt nicht schlagen, aber diese waren in der Vergangenheit nie von Dauer. Dabei schützt die hohe Qualität der Unternehmen auch vor hohen Schwankungen und den heftigsten Kurseinbrüchen. Diese Unternehmen stellen den Anleger auch nicht vor das Problem, ständig neue Anlageideen zu generieren und den perfekten Verkaufszeitpunkt zu finden. Denn Aktien von Qualitätsunternehmen kann der Anleger ein Leben lang halten, wobei die Hauptaufgabe darin besteht, die Geschäftsentwicklung kritisch zu beobachten und auf Fehlentwicklungen zu reagieren.
Mit einem entsprechend starken Depot kann der Anleger auch Warnungen ignorieren, dass Buy & Hold vermeintlich nicht mehr funktioniert. Im heutigen Kapitalismus gibt es auf vielen Märkten keine vollkommene Konkurrenz mehr, sondern viele Oligopole und teilweise sogar Monopole. Man denke nur an den Markt der Internetsuche, den Google mit über 90 Prozent außerhalb Chinas und Russlands dominiert. Anleger können mit Qualitätsaktien von dieser Entwicklung profitieren. Eine Rezession bietet die Chance, den Anteil solcher Qualitätsunternehmen günstig aufzustocken.