Finanzen

Deutsche Heuschrecke: Aurelius versucht, The Body Shop und Weck-Glas zu retten

In Deutschland gelten vor allem BlackRock und Blackstone als Sinnbild für den typischen Raubtier-Kapitalismus made in USA. Private Equity-Geschäfte stehen bei uns im Lande in Verruf. Dabei gibt es auch deutsche Heuschrecken - die fliegen wie Aurelius aus Grünwald bei München zumeist unter dem Radar.
15.02.2024 11:13
Aktualisiert: 15.02.2024 11:13
Lesezeit: 3 min
Deutsche Heuschrecke: Aurelius versucht, The Body Shop und Weck-Glas zu retten
Body Shop-Filiale in London. Der Kosmetikhändler hat in Großbritannien Insolvenz angemeldet. Die Kette gehört der deutschen Beteiligungsgesellschaft Aurelius. (Foto. dpa) Foto: Vuk Valcic

Wer nichts substantiell herstellt oder baut, so die Logik, kann kein richtiges Wirtschaftsunternehmen sein - und steht somit oft unter Generalverdacht. Private Equity-Unternehmen sind in der Gesellschaft umstritten. Für manche Unternehmen können sie freilich die Rettung bedeuten. In letzter Zeit macht Aurelius aus Grünwald, der steuerbegünstigten Gemeinde der Reichen bei München, von sich reden.

Mehr als 12.000 Mitarbeiter sind für die Aurelius-Gruppe tätig. Büros gibt es außerdem noch in Luxemburg, London, Amsterdam, Madrid und Stockholm . Das Portfolio umfasst circa 40 Unternehmen. Neuerdings sorgt Aurelius, einst von den McKinsey-Beratern Dirk Markus und Gert Burkert mit 500.000 Euro Start-Kapital gegründet, für Schlagzeilen, weil die britische Kosmetik-Firma The Body Shop übernommen hat und zu sanieren versucht. Das sorgt für ungeahnte Aufmerksamkeit in den Medien. Diesmal sind nicht nur Börsen-Experten neugierig, was Aurelius in Deutschland so alles treibt.

Firmen im Umbruch oder Sondersituationen, so heißt es, sind der Geschäftsgegenstand. Player wie Blackstone, KKR oder auch Aurelius sind Beteiligungsgesellschaften, die Anteile an Unternehmen kaufen und nach einiger Zeit diese Anteile mit möglichst hohem Gewinn wiederverkaufen. Dabei beraten und betreuen sie die Zielunternehmen aktiv, um den Unternehmenswert zu steigern. Auch Privatanleger sind zumeist bei Private Equity-Gesellschaften investiert und hoffen auf höhere Renditen als am normalen Aktienmarkt.

Das Europa-Geschäft des Bürobedarfs-Unternehmen Office Depot gehörte bereits zu den Investments der Aurelius-Gruppe - es wurde 2021 veräußert. Auch der früher zu Bosch zählende Autoradio-Pionier Blaupunkt, der 2016 nach Insolvenz aufgelöst wurde. Scholl Footwear mit der in den USA bekannten Marke „Dr. Scholl`s“ war ein weiterer Kandidat. In Deutschland gut bekannt ist die Firma Hüppe-Duschen. Die lange Liste der Beteiligungen ließe sich fortsetzen - und wächst auch noch. Ende 2023 ist zum Beispiel der Glas-Hersteller Weck unter die Fittiche von Aurelius geschlüpft.

3,2 Milliarden Umsatz mit ökonomischer Expertise und Strategien

Im Geschäftsjahr 2021 sind nach Firmenangaben 3,261 Milliarden Umsatz erwirtschaftet worden. Ganz ordentlich für Expertise und Strategien. Das Jahr davor war fast genauso gut, die Geschäfte verlaufen scheinbar geschmeidig.

Seit April 2023 versuchen sich die Wirtschafts-Experten nun auch an der LSG Group, die von der Lufthansa übernommen worden ist. Es geht freilich nur um das außereuropäische Geschäft, die LSG Sky Chefs hatte schon 2019 die Gategroup erworben. Die Trennung vom Catering-Geschäft zum Beispiel in den USA und Kanada begründete Lufthansa mit der Konzentration auf das Fliegen als Kerngeschäft.

Aurelius selbst sieht sich gut aufgestellt „als Marktführer bei der Durchführung sehr komplexer Corporate-Carve-outs auf globaler Ebene“, so Dirk Markus, Gründungspartner bei Aurelius. Gemeint ist die Ausgliederung, Abspaltung oder auch der Verkauf von Unternehmensteilen als rechtlich selbständige Einheiten. Bei Weck, berühmt für seine traditionsreichen Einweck-Gläser, ist Aurelius über den Insolvenz-Verwalter an Bord geholt worden.

Das Glaswerk Weck wurde vom Insolvenzverwalter an Aurelius übergeben

Weck musste Mitte Juni Insolvenz anmelden - vor allem die rasant gestiegenen Energiepreise hatten den Glashersteller im südbadischen Wehr belastet, in Bonn befindet sich auch noch ein Glaswerk mit 260 Mitarbeitern. 123 Jahre ist das Unternehmen mit den Einmachgläsern am Markt - wie es weitergeht, liegt nun in den Händen von Aurelius.

Und nun „die britische Kultmarke“ The Body Shop, wie Aurelius-Partner Tristan Nagler die Firma nennt, das 1976 gegründete Kosmetik-Unternehmen, das als erstes kosequent auf Tierversuche verzichtet hatte und so - „politically correct“ - eine überzeugte Anhängerschaft für ihre Seifen und Lotionen eroberte. Diese Woche wurde freilich erst einmal in London der Insolvenz-Verwalter ins Haus geholt. 200 Filialen gibt es allein in Großbritannien. Aber auch 20 in Deutschland von Augsburg bis Rostock, in München und Berlin sogar gleich zwei Läden in besten Lagen. Das Problem scheint zu sein, dass inzwischen fast jede Drogerie zur Konkurrenz geworden ist. Der französische Konzern L`Oréal hatte es schon kommen sehen und die Marke, erst anno 2017 für über eine Milliarde Euro erworben, wieder fallen lassen.

Das Alleinstellungsmerkmal ist verloren gegangen, bedauern Branchen-Experten und sind skeptisch, ob die Kette zu retten sein wird. Womöglich ist Aurelius diesmal zu optimistisch gewesen - mit Hoffnungen auf ein Umstrukturierungs-Schnäppchen.

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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