Unternehmen

Scheitern des Megadeals am Wohnungsmarkt beweist Unberechenbarkeit der Heuschrecken – Preise steigen unaufhörlich weiter

Lesezeit: 4 min
16.08.2021 10:00
Eigentlich war die Fusion zwischen Vonovia und Deutsche Wohnen schon längst in trockenen Tüchern. Doch jetzt platzte völlig unerwartet die Bombe. Dies zeigt, wie unberechenbar die internationalen Heuschrecken sind.
Scheitern des Megadeals am Wohnungsmarkt beweist Unberechenbarkeit der Heuschrecken – Preise steigen unaufhörlich weiter
Die Angst vor dem Megakonzern bleibt. Vonovia hat sofort das Angebot erneuert. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der deutsche Wohnungsmarkt ist sehr zersplittert. Neben unzähligen privaten Kleinanbietern bieten professionelle Wohnungsunternehmen ihre Immobilien an. Dazu gehören private aktiennotierte Firmen wie Vonovia und Deutsche Wohnen, aber auch zahlreiche kommunale Wohnungsbaugesellschaften. Die professionellen Firmen verwalten Schätzungen zufolge achteinhalb Millionen Wohnungen und dominieren damit den gesamten Markt. Der Wert des Gesamtmarktes liegt mindestens im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich.

Ein wichtiges Ereignis war die geplante Fusion zwischen den Konzernen Vonovia und Deutsche Wohnen. Dieser Zusammenschluss ist allerdings Mitte Juli völlig unerwartet geplatzt. Vonovia hat es nicht geschafft, bis zum Terminschluss genügend Anteile bei Deutsche Wohnen zu übernehmen. Das Unternehmen hat lediglich 47,62 Prozent der Aktien gekauft. Allerdings wären mindestens 50 Prozent nötig gewesen. Die Vollzugsbedingung sei „endgültig ausgefallen”, hieß es in einer offiziellen Mitteilung. „Dies ist eine Überraschung”, zitiert das Portal „Finanzen.net” einen Analysten.

Der Megadeal sollte 18 Milliarden Euro kosten. Damit wäre ein Konzern entstanden, der über 550.000 Wohnungen mit einem Gesamtwert von 90 Milliarden Euro verfügt. Aufsichtsrat und Vorstand von Deutsche Wohnen hatte den Aktionären empfohlen, das Angebot anzunehmen.

Warum es nun doch nicht dazu gekommen ist, liegt im Dunkeln. Die Finanzmedien spekulieren, dass die Fonds bei Deutsche Wohnen doch nicht damit einverstanden gewesen seien. Wichtige Aktionäre sind bekannte institutionelle Anleger wie Blackrock, der sich aber bei beiden Unternehmen engagiert.

Der Mega-Fonds hat mit Sicherheit ein Interesse daran gehabt, dass die Fusion zustande kommt. Welcher der anderen Fonds dagegen war, lässt sich nur schwer herausfinden. Es zeigt zumindest, wie uneins die institutionellen Investoren untereinander sind und wie groß die Konkurrenz unter ihnen ist. Die Politiker können hier beobachten, wie schwer die Private-Equity-Unternehmen auszurechnen sind.

Das wird auch daran deutlich, dass sie für die Übernahme keine Gewerbesteuer hätten zahlen müssen. Denn sie wollten ein Steuerschlupfloch im zuständigen Recht nutzen, so dass dem Fiskus beinahe eine Milliarde Euro durch die Lappen gegangen wäre. Mit ihnen zusammenzuarbeiten, ist für die Politiker ein Spiel mit dem Feuer. Bürgerinitiativen kritisierten, dass der neue Megakonzerne nur an die Profite und nicht an die Mieter denkt. Auch glaubten sie, dass dadurch die Preise, die ohnehin schon stark steigen, regelrecht explodieren.

Besonders wichtig ist am deutschen Wohnungsmarkt die Hauptstadt Berlin, wo Deutsche Wohnen derzeit jetzt schon zu den größten Vermietern zählt. Doch nicht hier, sondern in ganz Deutschland stehen derzeit die Zeichen auf Wachstum. So sind trotz Corona-Krise 2020 so viele Wohnungen fertiggestellt worden wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Die Zahl stieg um 4,6 Prozent oder 13.374 zum Vorjahr auf 306.376, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. „Der im Jahr 2011 begonnene Anstieg setzte sich somit weiter fort“, hieß es dazu. „Eine höhere Zahl an fertiggestellten Wohnungen hatte es zuletzt im Jahr 2001 gegeben.“ Damals waren es 326.187.

Experten zufolge reicht das Tempo aber längst nicht aus, um den vor allem in Großstädten vorhandenen Mangel zu beheben. Die von der Bundesregierung versprochene Wohnraumoffensive verfehlt demnach zentrale Ziele. Von den geplanten 1,5 Millionen neuen Wohnungen werden bis zum Ende der Legislaturperiode wohl nur 1,2 Millionen gebaut sein, wie der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen schätzt.

Die Zahl der Baugenehmigungen legte im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 368.589 zu. Sie liegt damit weiter deutlich höher als die der Fertigstellungen. „Dies führte nunmehr zu einem Überhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen von insgesamt 779.432“, so die Statistiker. Der seit 2008 anhaltende Anstieg dieses sogenannten Bauüberhangs erreichte damit den höchsten Stand seit 1998. Knappe Kapazitäten bei Baufirmen dürften mehr Fertigstellungen verhindert haben, vermuten Experten.

Ganz wichtig: Die Miet- und Kaufpreise sind im vergangenen Jahr stark gestiegen. Folglich ist der Markt in dieser Hinsicht sowieso schon stark am Wachsen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat in Deutschland und den restlichen europäischen Ländern die Kauf- und Mietpreise festgestellt. Das Ergebnis: In beiden Kategorien sind sie seit dem vergangenen Jahr stark gestiegen – teilweise im zweistelligen Bereich. Das berichtet das Fachportal „Fondsprofessionell“. Der durchschnittliche Transaktionspreis beim Kauf von Wohnimmobilien hat in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Prozent zugenommen, heißt es.

Darüber hinaus machte Vonovia-Chef Rolf Bruch sofort einen neuen Anlauf, ohne sich sonderlich vom Scheitern der Transaktion schockiert zu zeigen. Der Manager erneuerte sein Angebot und bot den Aktionären von Deutsche Wohnen jetzt sogar 53 Euro je Aktie - also ein Euro mehr.

Fazit: Das bedeutet, dass die Fusion wahrscheinlich doch irgendwann zustande kommt. Und damit dürften die internationalen Heuschrecken wie Blackrock doch noch mehr Macht bekommen und eine Explosion der Preise kaum zu vermeiden sein, die ohnehin schon stark steigen.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...