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„Equal Pay Day“ zeigt die Ungleichheit der Geschlechter in Sachen Bezahlung

Lesezeit: 4 min
06.03.2024 08:00
Heute am 06. März 2024 ist in Deutschland der „Equal Pay Day“. Bis zu diesem Tag im Jahr arbeiten die Frauen im Deutschland umsonst, wenn man die prozentuale Differenz der Gehälter beider Geschlechter von 18 Prozent berücksichtigt, Die Bemühungen und Erfolge der politischen Maßnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück.
„Equal Pay Day“ zeigt die Ungleichheit der Geschlechter in Sachen Bezahlung
Der "Equal Pay Day" wurde ins Leben gerufen, um auf die Unterschiede im Arbeitseinkommen zwischen Frauen und Männern aufmerksam zu machen. (Foto: dpa)
Foto: Sebastian Gollnow

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Der „Gender Pay Gap“ ist auch in der heutigen Zeit allgegenwärtig. Im Durchschnitt verdienten Frauen im Jahr 2022 18 Prozent pro Stunde weniger als Männer. Eine Ungerechtigkeit, die bis heute anhält. Sie hängt auch damit zusammen, dass Gehälter in der Regel nicht offen kommuniziert werden und es daher keine Transparenz darüber gibt. Andere Gründe sind etwa die unterschiedliche Berufswahl und die immer noch existente Geschlechterrollen-Dynamik in Beziehungen. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle entspricht einer Differenz von etwa eineinhalb Monatsgehältern pro Jahr.

Equal Pay Day“ zeigt die Ungleichheit der Geschlechter in der Bezahlung

Der „Equal Pay Day“ ist der symbolische Tag, bis zu dem Frauen unbezahlt arbeiten, während Männer seit dem ersten Tag des neuen Jahres für ihre Arbeit entlohnt werden. Er fällt in Deutschland in diesem Jahr auf den 06.März 2024. Der Gesetzgeber hat hierzu Stellung bezogen und möchte die Ungleichheit bis 2030 auf 10 Prozent reduzieren.

Oft vor dem Hintergrund, Kinder bekommen und damit der Mutterrolle gerecht werden zu müssen, verzichten Frauen im Schnitt viel häufiger auf Karriere. Allzu oft fehlen auch einfach die Rahmenbedingungen, um Familie und Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bekommen, sodass es für die Frauen oft keine andere Lösung dafür gibt, als beruflich zurückzustecken. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeitet fast jede zweite Frau in Teilzeit. Frauen übernehmen in der Regel auch den Großteil der Betreuungsaufgaben in der Familie, im Haushalt und in der Pflege. Dem gegenüber ist nur jeder zehnte Mann in Teilzeit beschäftigt. Die hohe Teilzeitquote bei Frauen hat Auswirkungen auf den Gender Pay Gap. Ein weiterer Faktor ist die Berufswahl. Frauen arbeiten zum Beispiel häufiger in schlecht bezahlten Pflegeberufen als Männer.

Um das Bewusstsein für das Thema bei der jungen Zielgruppe zu erhöhen, hat der Business and Professional Woman Germany Club Stuttgart (BPW Stuttgart) eine Road-Show für Schüler und Studierende im Februar durchgeführt. „Besonders überrascht hat uns, dass die jungen Frauen zwar ein klares Gespür dafür haben, dass sie die überkommenen Rollen von Männern und Frauen nicht mehr wollen, es ihnen aber an Argumenten fehlt“, so Leonie Meyer, Leiterin Young BPW Stuttgart.

Den jungen Menschen ist die unterschiedliche Behandlung von den Geschlechtern bewusst. „Sie wünschen sich eine „Normalisierung“, sagt Alexandra Bichteler, zweite Vorsitzende des BPW Stuttgart und meinen damit eine Gleichbehandlung. Eine Lösung sehen die Jungen im Gendern, denn die Sprache spiegelt das Denken wider.

USA als Vorreiter

Alles fing vor 35 Jahren an. Der amerikanische BPW entwickelte mit der „Red Purse Campaign“ ein Sinnbild für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. Als selbst betroffen ging die Initiative von berufstätigen und erfolgreichen Frauen aus. 2007 stellten sie dieses Konzept auf der europäischen BPW-Konferenz in Luzern vor. BPW-Germany griff diesen Gedanken auf und die roten Taschen avancierten 2008 bundesweit zum Equal Pay Day.

„In dieser Zeit vor 16 Jahren“, erinnert sich Heike Fiestas de Cueto, Beisitzerin Vorstand des BPW Stuttgart, „war der Equal Pay Day bei einer unbereinigten Lohnlücke von 23 Prozent“. Seitdem hat sich einiges getan im Land. Seit 2015 werden große Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet, Aufsichtsräte mit mindestens 30 Prozent Frauenquote zu besetzen. 2017 folgte das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen. Es berechtigt Arbeitnehmer von Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten Auskünfte über Gehaltsstrukturen zu verlangen, um mögliche Geschlechterdiskriminierung aufzudecken.

Ein großes Hemmnis dabei ist allerdings bis heute, dass Beschäftigte zur Erlangung von individuellen Auskünften bezüglich Gehälter ihren eigenen Arbeitgeber verklagen müssen, um an ihr Recht zu kommen. Andersherum müssen Arbeitgeber den Verdacht auf Geschlechterdiskriminierung entkräften, wenn Zahlen darauf hindeuten.

Eine Analyse, die in der Zeitschrift Wirtschaftsdienst im vergangenen Jahr erschienen ist, zeigt, dass das Gesetz in großen Teilen ineffektiv bleibt und das Ziel des gleichen Entgelts für Frauen und Männer nicht ausreichend erreicht wird. Um die Wirkung des Gesetzes zu erhöhen, werden strengere Auflagen, spürbare Sanktionen und niedrigere Hürden bei der Wahrnehmung des Transparenzanspruchs gefordert. Die Rolle der Betriebsräte wird als entscheidend für die Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes hervorgehoben.

Auffällig ist laut der Studie beispielsweise, dass die Bekanntheit des Gesetzes und seiner Instrumente im Jahr 2022 verglichen mit der ersten Evaluation aus dem Jahr 2018 teils deutlich zurückgegangen ist. Das Gesetz und seine Regelungen scheinen sich nicht nachhaltig im Bewusstsein von Beschäftigten und Betrieben verankert zu haben und in der betrieblichen Praxis insgesamt nur eine geringe Rolle zu spielen. Auch die verpflichtende Erstellung von Berichten zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit in lageberichtspflichtigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten hat bislang nur eine vergleichsweise geringe Relevanz. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass 3.950 Kapitalgesellschaften von der Regelung betroffen sein würden. Doch trotz Veröffentlichungspflicht gingen nur 330 Berichte ein. Die Nicht-Erstellung des Berichts wird nicht sanktioniert.

Auch das EU-Entgelttransparenzgesetzes bleibt hinter den Erwartungen zurück

Eine neue Entwicklung ist die „Entgelttransparenz-Richtlinie“ der Europäischen Union, die Mitte des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist. Die Richtlinie zielt darauf ab, das Prinzip des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch mehr Transparenz von Entgeltstrukturen und entsprechenden Durchsetzungsmechanismen zu stärken. Sie soll dazu beitragen, dem Gender Pay Gap entgegenzuwirken und das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern. Die neue EU-Richtlinie bringt zusätzliche Maßnahmen wie Schadenersatzansprüche und Sanktionen bei Pflichtverletzungen mit sich. Deutschland hat bis Juni 2026 Zeit, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und das bestehende Entgelttransparenzgesetz entsprechend anzupassen.

Unterstützung bei der Integration fairer Entlohnungspraktiken können sich Unternehmen beim Fair Pay Innovation (FPI) dabei holen. Es berät Unternehmen bei der Umsetzung fairer Bezahlung und vergibt das Zertifikat „UNIVERSAL FAIR PAY CHECK“ an Organisationen, die faire Entlohnungspraktiken implementieren. Ein Beispiel für die Anerkennung von fairer Bezahlung ist die BMW AG, die als erstes Unternehmen in Deutschland die höchste Zertifizierung. Das FPI versteht sich als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

Zumindest bei der Besetzung neuer Stellen spielt die Gehaltstransparenz eine immer größere Rolle. Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte BambooHR einen Bericht. Befragt wurden 1500 vollzeitbeschäftigte Erwachsene. 82 Prozent der Arbeitnehmer sehen eine gewisse Form von Gehaltstransparenz bei der Prüfung von Stellenangeboten als entscheidend an. Die Erwartungen der Arbeitnehmer haben sich in den letzten Jahren gewandelt, sie erwarten Offenheit bei den Vergütungsdetails. Frauen sind selbstbewusster geworden, viele Unternehmen bemühen sich um Gleichstellung, doch das Ziel, paritätische Verhältnisse in Unternehmen zwischen den Geschlechtern zu schaffen ist noch in weiter Ferne.

 

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

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