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Tonies SE: Eine deutsche Erfolgsgeschichte erobert die Welt

Anfang Februar gab Tonies die vorläufigen Geschäftszahlen für das abgelaufene Jahr bekannt, die mit einem Umsatzwachstum von 39 Prozent leicht über den eigenen Erwartungen lagen. Eine deutsche Erfolgsgeschichte! Oder etwa nicht?
27.02.2024 06:27
Lesezeit: 4 min
Tonies SE: Eine deutsche Erfolgsgeschichte erobert die Welt
Erfolgsmodell Tonies-Box: Stellt man eine Figur auf den Lautsprecher-Kubus, startet eine Geschichte. (Foto: dpa) Foto: Daniel Karmann

Als Start-up-Unternehmen gestartet, hat sich Tonies innerhalb kürzester Zeit zum Marktführer im Bereich der auditiven Kinderunterhaltung entwickelt. Das Erfolgsgeheimnis der Tonies liegt in der Kombination von analogem Spielzeug und digitaler Technologie. Die Figuren bestehen aus robustem Kunststoff und bestechen durch ihr ansprechendes Design. Beim Aufsetzen auf das Abspielgerät wird eine NFC-Verbindung hergestellt, die die Wiedergabe des jeweiligen Audio-Inhalts auslöst. So können die Geräte auch von den Kleinsten bedient werden.

Die eigenständige, bildschirmlose Bedienung und die Emotionalität der Figuren überzeugen Kinder und Eltern. Diese Eigenschaften sind entscheidend für die Differenzierung im Wettbewerb. Das Ergebnis ist eine starke Nutzung der Geräte mit einer durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer von 38 Minuten und einem hohen Net Promoter Score von 70 in Großbritannien, 75 in der DACH-Region und 90 in den USA. Der Net Promoter Score misst die Kundenzufriedenheit und Werte über 70 gelten in der Regel bereits als herausragend. In der DACH-Region verfügt mittlerweile jeder zweite adressierbare Haushalt über eine Toniebox.

Ein wesentlicher Teil des Erfolgs liegt in der Auswahl der Inhalte. Von Klassikern wie „Pippi Langstrumpf“ und „Die kleine Raupe Nimmersatt“ bis hin zu modernen Hits wie „Die Eiskönigin“ und „Paw Patrol“ ist bei den über 700 Tonieboxen für jeden Geschmack und jede Region etwas dabei. Darüber hinaus können Eltern eigene Aufnahmen auf sogenannte Kreativtonies überspielen und so individuelle Geschenke gestalten. Außerdem arbeitet das Unternehmen an der Entwicklung eines Generators, der mit Hilfe von generativer künstlicher Intelligenz individuelle Geschichten erstellt.

Tonies expandiert und diversifiziert

Das Konzept setzt sich zunehmend auch auf den internationalen Märkten durch, insbesondere in den USA. So erzielte Tonies im abgelaufenen Geschäftsjahr nur noch 42 Prozent seines Umsatzes in der DACH-Region. In der ursprünglichen Planung ging das Management für das Jahr 2025 von einem Umsatzanteil der DACH-Region von 25 Prozent und der USA von 42 Prozent aus. Die jüngsten Zahlen und die zunehmende Präsenz im US-Einzelhandel deuten darauf hin, dass die USA bereits im kommenden Jahr der mit Abstand größte Markt für das Unternehmen sein werden.

Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Marken ist Tonies damit der Markteintritt in Nordamerika gelungen. Mit 70 Mitarbeitern ist das Team vor Ort nach eigenen Angaben inzwischen sogar groß genug, um die für 2025 geplanten Umsätze zu stemmen. Folgerichtig erfolgte im September 2023 eine weitere Expansion und der Verkaufsstart in 150 lokalen Geschäften in Kanada. Die Markteinführung in Australien und Neuseeland ist für August 2024 geplant. Dieser neue regionale Mix wirkt sich auch positiv auf das Ergebnis von Tonies aus. Außerhalb der DACH-Region profitiert das Unternehmen von geringeren Lizenzkosten, was sich positiv auf die zukünftige Rohertragsmarge auswirken wird.

Profitabilität im Blick

Ein weiterer Faktor für die Rohertragsmarge ist die Produktion eigener Inhalte und Charaktere. Diese reduzieren die Abhängigkeit und die Kosten von externen Lizenzgebern. Durch die Nutzung fallen viele Daten an. Dadurch kennt Tonies die Bedürfnisse und Vorlieben der Kunden sehr gut. Durch entsprechende Eigenmarken steigt zudem das Potenzial, selbst als Lizenzgeber für andere Unternehmen interessant zu werden und damit eine weitere margenstarke Einnahmequelle zu erschließen.

Für das abgelaufene Geschäftsjahr geht Tonies von einer positiven bereinigten EBITDA-Marge aus. Diese Kennzahl kann aufgrund der individuellen Bereinigungsmöglichkeiten und der Eliminierung von Abschreibungen durchaus kritisch gesehen werden. Positiv ist jedoch, dass Tonies die Kapitalmarktkommunikation zukünftig stärker auf den Free Cashflow ausrichten möchte.

Für das laufende Jahr hat das Unternehmen einen positiven Free Cashflow als Ziel kommuniziert. An diesem Ziel wird sich das Unternehmen messen lassen müssen und daher alles daran setzen hier zu liefern. Das Erreichen dieses Meilensteins im Jahr 2024 könnte deswegen ein kurzfristiger Katalysator für den Aktienkurs sein. Der Analyst Dr. Oliver Wojahn von AlsterResearch rechnet in seiner Analyse vom 02.02.2024 beispielsweise erst im Jahr 2025 mit einem positiven Free Cashflow. Trotzdem beurteilt er die Aktie als stark unberwertet und nennt ein Kursziel von 7,70 Euro.

Das Tonies-Geschäftsmodell im Detail

Den zentralen Hebel für den Sprung in die nachhaltige Profitabilität sieht Tonies selbst in Skaleneffekten bei den operativen Kosten. Den mittelfristigen Zielwert für die bereinigte EBITDA-Marge beziffert das Management auf 16 Prozent. Angesichts der hohen Aufwendungen für den Eintritt in einen neuen Markt und der genannten positiven Effekte auf die Rohertragsmarge erscheint dieser Wert nachvollziehbar.

Dies bestätigt auch ein Blick auf die Unit Economics. Denn für einen durchschnittlichen Kunden mit einer Toniebox, über 20 Figuren und zwei Accessoires hat das Unternehmen einen Customer Lifetime Value von knapp 300 Euro im Jahr 2021 errechnet. Das Geschäftsmodell mit den Tonie-Figuren ist vergleichbar mit Rasierklingen oder Druckerpatronen, die wiederkehrende Umsätze generieren.

Der positive Free Cashflow ist für Investoren noch aus einem anderen Blickwinkel wichtig. Er reduziert das Risiko einer weiteren Kapitalerhöhung. Der Working Capital-Bedarf von Tonies wird in den nächsten Jahren weiter steigen, um das zyklische Weihnachtsgeschäft bedienen zu können. Ansonsten dürfte sich der Kapitalbedarf für Investitionen bei dem Geschäftsmodell von Tonies auch in Zukunft in Grenzen halten. Angesichts einer Eigenkapitalquote von 74 Prozent erscheint die bilanzielle Situation damit solide.

Der Ausblick für das Unternehmen

Trotz einer durchaus positiven operativen Entwicklung ist der Aktienkurs von Tonies im letzten Jahr um 15 Prozent und seit dem Börsengang über einen Spac sogar um über 60 Prozent gefallen. Viele dieser Unternehmen haben sich im Nachhinein als sehr enttäuschend erwiesen und die Form der Börsengänge wird in der Folge inzwischen sehr kritisch gesehen.

Angesichts des Potenzials und des Kapitalbedarfs in Nordamerika war die Entscheidung für diese teure, aber schnellere Form des Börsengangs im Fall von Tonies jedoch nachvollziehbar. Als noch defizitäres Unternehmen, das einen Großteil seiner Cashflows erst in der ferneren Zukunft generiert, wurde das Unternehmen in den Modellen der Investoren durch die höheren Abzinsungsfaktoren bei der Diskontierung bestraft.

Sollte es dem Management gelingen, die Markterwartungen zu erfüllen oder sogar zu übertreffen, spricht vieles dafür, dass die Aktie bei einem breiteren Anlegerpublikum Anklang finden wird. Im Idealfall hat das Produkt das Potenzial das nächste Lego oder Nintendo in den Kinderzimmern der Welt zu werden. Heute ist das Unternehmen noch ein Exot mit geringen Umsätzen. Wie so oft an der Börse wird die Aktie bei einer positiven operativen Entwicklung früher oder später aber den Fundamentaldaten folgen.

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