Finanzen

Milliardenschweres Wachstumspaket passiert Bundesrat

Lesezeit: 3 min
22.03.2024 11:28  Aktualisiert: 22.03.2024 11:28
Wachstumspaket beschlossen: Wirtschaft und Politik reagieren gemischt. Lindner sieht es als Start, fordert aber mehr für echten Aufschwung.
Milliardenschweres Wachstumspaket passiert Bundesrat
Ein Blick von Außen auf das Bundesratsgebäude - Das Wachstumspaket sieht unter anderem Steuerentlastungen und Bürokratieabbau für Unternehmen vor (Foto: dpa).
Foto: Demy Becker

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das milliardenschwere Wachstumspaket mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau für Unternehmen ist beschlossen. Der Bundesrat stimmte dem sogenannten Wachstumschancengesetz nach Gesprächen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat mehrheitlich zu.

Die Wirtschaft allerdings zeigte sich enttäuscht und warnte, einen echten Wachstumsimpuls brächten die Maßnahmen wohl nicht. Auch Finanzminister Christian Lindner erklärte nur Minuten später auf X (früher Twitter), das Paket sei zwar ein wichtiges Signal. „Aber sein Volumen ist wesentlich kleiner als ursprünglich von mir geplant.“ Es müssten nun weitere Schritte folgen, um die Lage der Wirtschaft zu verbessern. „Wir arbeiten daran “, versprach der FDP-Politiker. Seine Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) betonte, weitere Schritte für eine «Wirtschaftswende» mit Bürokratieabbau, Entlastungen und strukturellen Reformen für den Arbeitsmarkt würden bereits beraten.

Besonders Immobilienwirtschaft könnte profitieren

Der Industrieverband BDI zeigte sich angesichts des Hickhacks vor dem Beschluss zwar erleichtert, warnte aber zugleich: „Einen deutlich spürbaren Wachstumsimpuls werden diese steuerlichen Entlastungen nicht setzen.“ Dafür sei das Paket zu stark zusammengekürzt worden. Im harten steuerpolitischen Standortwettbewerb sei das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte noch vor der Sommerpause «eine konkrete Reformagenda mit Entlastungen, die schnell im betrieblichen Alltag ankommen. “

Der Immobilienverband ZIA begrüßte vor allen die steuerlichen Anreize für mehr Wohnungsbau als „wichtiges Signal an die Immobilienwirtschaft, wieder mehr Investitionen anzugehen“. Das könne beim Wohnungsbau den Schub auslösen, den Mieterinnen und Mieter dringend brauchten. Mit dem Gesetz kann die Bau- und Immobilienbranche Investitionskosten schneller steuerlich abschreiben. Das soll dafür sorgen, dass schneller wieder Geld für neue Investitionen zur Verfügung steht.

Bauministerin Klara Geywitz erklärte: „Sechs Jahre lang jeweils fünf Prozent der Investitionskosten abschreiben - das ist richtig großer Impuls für den Wohnungsbau in Deutschland.“ Die neuen Abschreibungsmöglichkeiten gelten demnach auch rückwirkend für alle Bauprojekte, die ab Oktober 2023 begonnen wurden und einen gewissen Klimaschutzstandard (Effizienzstandard 55) erfüllen.

Rundumschlag für alle Branchen

Grünen-Chef Omid Nouripour sprach von wichtigen Impulsen für die Wirtschaft. „Durch die deutliche Erhöhung der steuerlichen Forschungsförderung, ganz besonders für kleine und mittlere Unternehmen, geben wir der Technologieführerschaft des deutschen Mittelstands einen Anschub.“

Ursprünglich sollte das Gesetz ein Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anregt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Bundestag war das Gesetz beschlossen worden, doch die Länder stoppten es danach im Bundesrat und schickten es in den Vermittlungsausschuss, weil sie hohe Einnahmeausfälle befürchteten.

Im Vermittlungsverfahren, in dem Vertreter von Bundestag und Bundesrat Kompromisse suchen, wurde das Volumen des Gesamtpakets von einst geplanten sieben Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden pro Jahr zusammengestrichen. Eine einst geplante staatliche Prämie für Klimaschutz-Investitionen soll es nun doch nicht geben.

Geblieben sind unter anderem die steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Anrechenbarkeit von Verlusten bei der Steuererklärung und der Abbau bürokratischer Hürden. Meldeverfahren und Buchführungspflichten sollen vereinfacht und Daten statt auf Papier elektronisch übermittelt werden. Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) kritisierte, das Paket sei von Anfang an zu klein gewesen, die Entlastungswirkung «von Anfang an nur homöopathisch “.

Entlastungen für Agrarbranche angekündigt

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), warb vor der Abstimmung um Unterstützung: „Ich glaube, wir können es uns nicht leisten, in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage Deutschland zu schaden, indem wir parteipolitisch an dieser Ecke agieren.“ Ihre Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), die den Vermittlungsausschuss mit geleitet hatte, mahnte: „Die Wirtschaft braucht dringend diese Impulse.“

CDU und CSU hatten ihre Zustimmung aber davon abhängig gemacht, dass die Bundesregierung Landwirtinnen und Landwirte entlastet. Sie verlangten, dass Kürzungen bei den Subventionen für Agrardiesel zurückgenommen werden. Alternativ müssten die Bauern über andere Maßnahmen im selben Volumen entlastet werden. Hessel kritisierte: „Ich kann aber nicht verstehen, wie man Sachen in Geiselhaft nehmen kann und dafür ein ganzes Land stillstehen lassen kann.“ Herrmann hingegen erklärte: «Die Landwirtschaft muss sich wirklich bei dieser Bundesregierung verraten und verkauft fühlen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“

Die Bundesregierung hat inzwischen zwar Erleichterungen für die Agrarbranche in Aussicht gestellt, legte bis zur Abstimmung im Bundesrat aber kein Paket mit konkreten Maßnahmen vor. Man sei „im engen Kontakt mit dem Berufsstand“, teilte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) lediglich mit. Vorbereitet werden demnach Erleichterungen bei der Einkommensteuer und eine Stärkung der Bauern in der Wertschöpfungskette. Vor allem gehe es aber um einen Abbau von Bürokratie.

(dpa)


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Netanjahu Haftbefehl: Deutschland und die rechtliche Zwickmühle
22.11.2024

Der Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu erschüttert die internationale Bühne. Deutschland sieht sich in einem schwierigen Spagat:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bosch kürzt 5.550 Stellen - 3.800 davon in Deutschland
22.11.2024

Bosch steht vor massiven Einschnitten: Bis zu 5.550 Stellen sollen wegfallen, davon allein 3.800 in Deutschland. Die Krise in der...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis-Prognose 2025: Nach Kurskorrektur steigt der Goldpreis aktuell - wohin geht die Reise?
22.11.2024

Der Goldpreis steht derzeit im Fokus von Anlegern und Edelmetallexperten. Gerade in unsicheren Zeiten wollen viele Investoren Gold kaufen,...

DWN
Politik
Politik Iranisches Atomprogramm: Teheran will mehr Uran anreichern
22.11.2024

Droht der Iran dem Westen mit neuen Atomwaffen? Die IAEA warnt, Teheran wehrt sich – und eskaliert die Urananreicherung. Jetzt könnten...

DWN
Politik
Politik Dauerbaustelle Autobahn: Sie stehen hier im Stau, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing verrechnet hat
22.11.2024

Wenn man im Sommer entspannt durch Frankreich oder Italien über die Autobahnen gleitet, fragt man sich jedesmal aufs Neue: Warum müssen...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform kommt: Lauterbachs Reform passiert den Bundesrat
22.11.2024

Karl Lauterbach freut sich: Der Bundesrat hat das sogenannte "Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz" gebilligt, das Herzensprojekt des...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rezession droht im Winter, Euro ist im Sinkflug: Was sind die Gründe?
22.11.2024

Stagnation der deutschen Wirtschaft, ein schwächelnder Euro, miese Stimmung in den Unternehmen: Ökonomen befürchten eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoins-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...