Am 22. Februar knackte der Nikkei mit 39.098,68 Punkten seinen bisherigen Höchststand von 29. Dezember 1989 und legt am 4. März noch einmal kräftig zu: Erstmals überspringt der Index die 40.000-Punkte-Marke. Ein wesentlicher Impuls für den Kurssprung waren die vom Hype um Künstliche Intelligenz (KI) getriebenen Quartalszahlen des US-Chipkonzerns Nvidia. Doch der KI-Boom ist nur ein Grund, warum Japan zum Land der wieder aufgehenden Anlegersonne werden könnte. Denn drei Faktoren haben den japanischen Aktienmarkt in den vergangenen Monaten maßgeblich geprägt – und damit den Erfolg des Nikkei erst möglich gemacht.
Faktor 1: Der weiche Yen als Wirtschaftsmotor
Zum einen ist der schwache Yen nicht ganz unbeteiligt an dieser Entwicklung. Japan ist seit jeher eine exportorientierte Volkswirtschaft. Ein schwacher Yen macht japanische Waren und Dienstleistungen im Ausland günstiger und damit wettbewerbsfähiger. So exportierte Japan im Januar 2024 Waren im Wert von rund 7,3 Billionen Yen, umgerechnet rund 49,1 Milliarden US-Dollar. Im Vergleich zum Vorjahresmonat Januar 2023 stiegen die Exporte um rund 11,9 Prozent, was wiederum die Gewinne exportorientierter Unternehmen steigerte, auch dank des Hypes um KI.
Ein japanischer Halbleiterwert, der davon profitiert, ist Advantest. Das Tokioter Unternehmen stellt unter anderem Testsysteme für Halbleiter her und hat seit Jahresbeginn mehr als 50 Prozent an Börsenwert zugelegt. Auch die Aktie des japanischen Medienkonzerns Softbank profitiert vom schwachen Yen und dem Höhenflug der KI. Das zeigen die jüngsten Quartalszahlen des britischen Technologiezulieferers ARM, an dem Softbank 90 Prozent hält. Demnach erwirtschaftete ARM zwischen Oktober und Ende Dezember 2023 einen Umsatz von 824 Millionen US-Dollar, ein Plus von 14 Prozent im Jahresvergleich.
Unterstützt werden dürfte diese Entwicklung von Plänen des Softbank-Gründers Masayoshi Son, der mit seinem ‚Projekt Izanagi‘ einen eigenen KI-Konkurrenten gegen Nvidia aufbauen will. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg will Son dafür insgesamt 100 Milliarden Dollar investieren. Über ausreichende Mittel dürfte Softbank durch den Börsengang von ARM im vergangenen Jahr verfügen: Rund 30 Milliarden Dollar könnte Softbank selbst aufbringen, schätzen Analysten. Weitere 70 Milliarden will Son bei Partnern einsammeln, so Bloomberg.
Doch nicht nur Japans exportorientierte Technologieunternehmen profitieren vom schwachen Yen. Auch bei ausländischen Investoren steht das Land wegen seiner weichen Währung hoch im Kurs - zum Beispiel bei Warren Buffett. Bereits im Frühjahr 2023 erklärte der 93-jährige Chef der US-Holding Berkshire Hathaway in einem Interview mit Nikkei Asia, dass er seine im August 2020 erworbenen Beteiligungen in Japan ausgebaut habe. Seitdem ist unter Analysten vom „Buffett-Faktor“ die Rede.
Faktor 2: Der Wechsel von Deflation zu Inflation
Hinzu kommt eine leichte Kerninflation von 2,2 Prozent im Januar 2024, die laut Bloomberg im ersten und zweiten Quartal 2024 zwar leicht auf 2,5 Prozent ansteigen dürfte. Doch nach mehr als drei Jahrzehnten Deflation scheint diese Entwicklung dem Land gerade recht zu kommen. Denn was in der Eurozone und den USA ein Problem ist, könnte für Nippon ein Segen sein und dazu beitragen, dass japanische Unternehmen wieder mehr in Forschung und Entwicklung (F&E) sowie in gut ausgebildetes Humankapital investieren, statt zu sparen.
Der Grund: Nach Angaben der Bank of Japan (BOJ), der Zentralbank Japans, hatten japanische Unternehmen bis zum 1. Juni 2023 rund 258 Billionen Yen, umgerechnet rund 1,62 Billionen Euro, angehäuft. Ökonomen schätzen daher, dass das Wachstum des japanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2024 mit rund 1,5 Prozent nicht nur über dem eigenen Potenzial, sondern auch über dem BIP-Wachstum der USA und der Eurozone liegen dürfte.
Faktor 3: Unternehmensreformen stützen den Markt
Flankiert wird der Wechsel von Deflation zu Inflation von Reformen in Japans Unternehmen, die daher vor einer Neubewertung stehen könnten. So hat die Tokyo Stock Exchange (TSE) kürzlich alle in ihr notierten Unternehmen aufgefordert, die Richtlinien der Börse zur Verbesserung der Rentabilität, der langfristigen Erträge und der Bewertungen endlich umzusetzen. Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notieren, das sind immerhin 40 Prozent, wurden zudem aufgefordert, einen Sanierungsplan vorzulegen und entweder eigene Aktien zurückzukaufen oder die Dividende zu erhöhen. All das scheint nun nachhaltige Früchte zu tragen.
Bereits im Frühjahr 2023 vertrat Sam Perry, Senior Investment Manager bei Pictet Asset Management, die Ansicht, dass der Wandel in der Corporate Governance japanischer Unternehmen in eine neue Phase eintrete und Japan-Aktien dadurch wieder attraktiv würden.
Wie Anleger vom Japan-Comeback profitieren können
Investoren, die den japanischen Aufschwung mitnehmen wollen, haben verschiedene Möglichkeiten: Direktinvestitionen in japanische Unternehmen oder Beteiligungen an japanischen Indizes sind dabei die Klassiker. Allerdings gehen Anleger damit ein Währungsrisiko ein, welches eine mögliche Rendite schnell zunichte machen kann. Eine weitere Möglichkeit sind währungsgesicherte Anlageprodukte, die vor solchen Kursrisiken schützen können, zum Beispiel Zertifikate mit einer sogenannten Quanto-Funktion (Quantity Adjusting Option). Hierbei werden die Erträge des Zertifikats unabhängig von Wechselkursschwankungen in der Währung des Anlegers ausgezahlt.