Weltwirtschaft

Krieg in der Ukraine: So ist die Lage

Lesezeit: 5 min
12.04.2024 10:30  Aktualisiert: 12.04.2024 10:30
Die Schweiz plant einen Friedensgipfel zur Beendigung des Ukraine-Kriegs, doch Moskau bleibt fern. Ohne Russland – ein erfolgversprechendes Treffen oder nur symbolische Politik?

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Die Schweiz organisiert einen Friedensgipfel zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine. Doch Russland wird nach eigenen Angaben nicht daran teilnehmen. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Moskau habe keine Einladung zur Konferenz erhalten, teilte die russische Botschaft in Bern mit. «Aber selbst im Fall des Erhalts einer Einladung für so ein Ereignis würde sie die russische Seite nicht annehmen», heißt es weiter in der Mitteilung. Ohne russische Beteiligung verkomme das Treffen am Berg Bürgenstock zu einer weiteren Runde fruchtloser Konsultationen. Der Gipfel ist am 15. und 16. Juni geplant.

Die Botschaft erklärte die Ablehnung damit, dass in der Schweiz angeblich nur der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verhandelt werde. Dessen Friedensformel aber «ist eine Ansammlung an Ultimaten gegenüber Russland und zieht die Interessen der nationalen Sicherheit unseres Landes nicht in Betracht». Selenskyj hatte unter anderem den vollständigen Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet gefordert - darunter auch von der bereits seit 2014 von Moskau annektierten Krim.

Medienbericht: Türkei bereitet neuen Friedensplan vor

Die Türkei will einem Medienbericht zufolge mit einer neuen Friedensinitiative den Krieg in der Ukraine für mehr als ein Jahrzehnt einfrieren. Der Plan, der mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan lanciert worden sei, liege Kiew und Moskau bereits vor, schrieb die kremlkritische Zeitung «Nowaja Gaseta. Europa» unter Berufung auf eigene Quellen.

Wichtigste Punkte des Dokuments sind demnach: Die USA und Russlands verpflichten sich, unter keinen Umständen Atomwaffen einzusetzen und zum Atomwaffenabrüstungsvertrag New Start zurückzukehren. Der Konflikt in der Ukraine wird auf der derzeitigen Frontlinie eingefroren. 2040 soll dann die Ukraine in einem Referendum über ihren weiteren außenpolitischen Kurs entscheiden - bis dahin wird sie nicht der Nato beitreten.

In den von Russland besetzten Gebieten werden zeitgleich unter internationaler Kontrolle ebenfalls Referenden abgehalten. Die Kriegsparteien tauschen alle Gefangenen gegeneinander aus. Russland widersetzt sich dem EU-Beitritt der Ukraine nicht.

Selenskyj drängt auf weitere Hilfe bei der Flugabwehr

Selenskyj drängt bei einem Besuch in Litauen auf weitere Waffenhilfe des Westens zur Abwehr russischer Luftangriffe. «Für uns ist die Flugabwehr der Punkt Nummer 1, die Priorität Nummer 1», sagte er nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Gitanas Nauseda in Vilnius. Dort nimmt er am Gipfeltreffen der Staaten der sogenannten Drei-Meere-Initiative teil.

Selenskyj verwies auf die nächtlichen russischen Raketenangriffe auf die Gebiete Charkiw, Odessa, Saporischschja und Kiew. «Für uns sind es die größten Herausforderungen der heutigen Zeit», betonte er. Die Ukraine wehrt seit fast zwei Jahren eine russische Invasion ab und ist bei der Ausrüstung weitgehend von westlicher Unterstützung abhängig.

Umstrittenes Gesetz zur Mobilmachung verabschiedet

Nach gut drei Monaten Diskussion ist in der Ukraine ein umstrittenes Gesetz zur Mobilmachung verabschiedet worden. Für die Novelle stimmten 283 Abgeordnete bei 226 notwendigen Stimmen, meldeten ukrainische Medien. Nicht im endgültigen Text enthalten ist dabei das Recht für Soldaten, nach drei Jahren ihren Dienst zu quittieren. Im Vorfeld hieß es, dass dazu ein gesondertes Gesetz verabschiedet werden soll.

Hauptsächlich verschärft die Novelle die Regeln der Erfassung von Wehrfähigen. Mit Inkrafttreten sind alle Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren verpflichtet, während des geltenden Kriegsrechts ihren Wehrpass bei sich zu führen. Innerhalb von zwei Monaten müssen die Männer auch ihre persönlichen Daten auf den aktuellen Stand bringen, ansonsten drohen Strafen. Neue ukrainische Reisedokumente im Ausland werden zukünftig nur noch bei vorhandenen Wehrpapieren ausgestellt. Diese sind jedoch nur bei einer Rückkehr in die Ukraine erhältlich. Neben Geldstrafen für ignorierte Einberufungen und Musterungsbescheide droht zukünftig auch mit wenigen Ausnahmen der Entzug der Fahrerlaubnis. Angedachte Kontosperrungen für diesen Fall wurden verworfen.

Selenskyj: Ukraine braucht Nato-Einladung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Besuch in Litauen die Hoffnungen seines Landes auf einen Beitritt zur Nato bekräftigt. «Unsere Leben und unsere Sicherheit haben keine Alternative. Es gibt keine echten Alternativen zur Einladung der Ukraine in die Nato», sagte er nach dem Gipfeltreffen der Staaten der sogenannten Drei-Meere-Initiative in Vilnius. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle die Ukraine zerstören. «Wir brauchen diese Einladung in die Allianz. Die Ukraine, alle unsere Menschen, unsere Krieger, sie haben es verdient», sagte Selenskyj.

Russland begründet seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch mit dem Streben des Landes in die Nato. Eine Aufnahme ist bisher jedoch nicht in Sicht. Selenskyj warb zudem für einen EU-Beitritt seines Landes. Im Juni wäre die richtige Zeit, mit den Verhandlungen darüber zu beginnen, sagte er. Europa brauche dieses Signal seiner eigenen Stärke. Es sei wichtig zu zeigen, dass die EU keine Angst vor sich selbst habe und die Nato sich nicht vor ihren eigenen Regeln fürchte, sagte der ukrainische Präsident.

Moskaus Truppen rücken auf Stadt Tschassiw Jar vor

Unterdessen ist der Druck des russischen Militärs an der Front weiterhin hoch. Nach der Erstürmung der zur Festung ausgebauten Stadt Awdijiwka drücken sie dort die Verteidiger dort weiter gen Westen. Nahe Bachmut rücken Moskaus Truppen derweil auf die Stadt Tschassiw Jar vor.

Und auch die Attacken aus der Luft machen der Ukraine zunehmend zu schaffen. Bei schweren Raketenangriffen in der Nacht wurden erneut mehrere Objekte der Energieversorgung getroffen. Betroffen seien Anlagen zur Stromerzeugung und -Verteilung in den Gebieten Charkiw, Saporischschja, Lwiw und Kiew, teilte Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook mit. Auch im Gebiet Odessa gab es Schäden.

Der größte Stromproduzent des Landes, DTEK, teilte auf Telegram mit, zwei seiner Wärmekraftwerke seien beschädigt worden. Südlich der Hauptstadt Kiew wurde das Wärmekraftwerk von Trypilje zerstört, wie der staatliche Betreiber Zentrenerho mitteilte. Von den Angestellten des Werks sei niemand verletzt worden. Ein Brand habe das Turbinenhaus erfasst, die Löscharbeiten dauerten an. Das Werk könne keinen Strom generieren. Seit Mitte März sind mehr als ein Dutzend Kraftwerke zerstört oder lahmgelegt worden.

Putin rechtfertigt Beschuss ukrainischer Energieanlagen

Kremlchef Wladimir Putin hat den anhaltenden Beschuss ukrainischer Energieanlagen durch das russische Militär als nötige Antwort auf Angriffe Kiews bezeichnet. «Leider haben wir eine Reihe von Schlägen gegen unsere Energieobjekte beobachtet in letzter Zeit und waren gezwungen, darauf zu antworten», sagte er der Nachrichtenagentur Interfax zufolge bei einem Treffen mit dem Machthaber von Belarus, Alexander Lukaschenko in Moskau. Der russische Beschuss ukrainischer Kraftwerke dient nach Darstellung von Putin einer «Demilitarisierung des Nachbarlands», da sie den Ausstoß der Rüstungsproduktion beeinflussten.

Der wirtschaftlich, politisch und militärisch stark vom Kreml abhängige Lukaschenko pflichtete seinem Gastgeber bei und behauptete, die Ukraine habe den Beschuss der Energieanlagen provoziert.

Laut russischem Präsidenten hat Moskau bis nach Ende des Winters gewartet, damit die Bevölkerung weniger unter dem Ausfall der Stromversorgung zu leiden habe. Allerdings hat Russland bereits kurz nach Beginn seines Angriffskriegs mit der systematischen Zerstörung der Strom- und Wasserversorgung der Ukraine begonnen. Schon im ersten Kriegswinter wurden so gezielt Energieanlagen im Hinterland der Ukraine mit Raketen und Drohnen attackiert.

IAEA-Chef sieht steigende Gefahr von Atomunfall im AKW Saporischschja

Die Gefahrenlage im russisch besetzten Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine hat sich aus Sicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zuletzt deutlich verschärft. Die jüngsten Drohnenangriffe auf die Anlage «haben das Risiko eines Atomunfalls signifikant erhöht», warnte IAEA-Chef Grossi in Wien. In einer Sondersitzung des Gouverneursrates der IAEA forderte er militärische Entscheidungsträger und die Staatengemeinschaft dringend dazu auf, für Deeskalation zu sorgen.

Vertreter Kiews und Moskaus gaben sich bei der IAEA-Sitzung erneut gegenseitig die Schuld für die Vorfälle. Die ukrainische Diplomatin Natalija Kostenko wies russische Vorwürfe als «Lügen» zurück, wonach das ukrainische Militär das frontnahe AKW attackiert habe. Das Gegenteil sei der Fall «Die Beweise sind eindeutig: Russland verursacht absichtlich nukleare Bedrohungen», sagte sie. Die Ukraine werde nun hoffentlich «diese gefährlichen Aktionen stoppen», sagte Russlands Botschafter Michail Uljanow hingegen nach der Sitzung.


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