Stellen Sie sich die Familie Müller aus Stuttgart vor: Sie erhält einen neuen Grundsteuerbescheid, der eine unerwartete Wertsteigerung ihres Einfamilienhauses um 130-Prozent gegenüber der ursprünglichen Bewertung anzeigt. Alarmiert suchen sie nun nach Erklärungen für den drastischen Anstieg ihrer Steuerlast, obwohl sich an ihrer Wohnsituation nichts verändert hat.
„Es fühlt sich an, als würden wir für etwas bestraft, das außerhalb unserer Kontrolle liegt“, erklärt Herr Müller, sichtlich frustriert über die neue Berechnungsmethode.
Dies ist kein Einzelfall! Aufgrund tiefgreifender Änderungen in der Steuerberechnung warnen Juristen und Steuerexperten vor den weitreichenden Konsequenzen und empfehlen dringend, Grundsteuerbescheide genau zu überprüfen. Bei Unstimmigkeiten sollten Sie nicht zögern, sofort Einspruch einzulegen.
Expertenmeinungen: Mögliche Verfassungswidrigkeit der Bewertungsmethoden
Ein wesentlicher Aspekt, der von Fachleuten betont wird, ist die potenzielle Verfassungswidrigkeit der neuen Berechnungsmethoden. Die Kritik konzentriert sich besonders auf die Methodik der Wertermittlung sowie auf die mögliche Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, charakterisiert die reformierte Grundsteuer als „zu kompliziert, intransparent und ungerecht“.
Die Bedenken der Experten richten sich vor allem gegen das sogenannte Bundesmodell zur Bewertung, welches auf Grundstücks- und Immobilienwerten basiert. Professor Dr. Gregor Kirchhof, ein renommierter Rechtsexperte, erläutert das zugrundeliegende Problem: Die Steuerbemessung gründet auf den Bodenrichtwerten – bekannte Größen im Steuerrecht.
Doch trotz ihres Namens handelt es sich lediglich „um Richtwerte und damit um unscharfe Parameter“. Die Ungenauigkeit dieser Werte ist problematisch, da das Steuerrecht in anderen Kontexten den Nachweis realitätsnäherer Werte zulässt – eine Möglichkeit, die den Steuerpflichtigen hier verwehrt bleibt.
Praxisbeispiel: Diskrepanzen in der Bewertung von Immobilien:
Kurz gesagt: Die realen Werte und individuellen Gegebenheiten von Immobilien werden oft nicht adäquat erfasst, was regelmäßig zu signifikanten Verzerrungen in der Wertfeststellung führt. Darüber hinaus ist es den Steuerpflichtigen nicht gestattet, durch ein unabhängiges Gutachten einen niedrigeren Wert ihres Eigentums zu begründen.
Beispielsweise wurde in Düsseldorf eine um zwei Quadratmeter kleinere Wohnung durch das Finanzamt mit einem um 20.000 Euro höheren Wert angesetzt als vergleichbare Objekte, basierend auf einem höher veranschlagten Pauschalmietwert – eine Entscheidung, die Fragen nach der Fairness der Bewertungspraxis aufwirft. Ein weiteres Beispiel aus Köln zeigt eine 54-Quadratmeter-Wohnung, die mit einem Bodenrichtwert von 2.280 Euro bewertet wurde, während ein benachbartes, qualitativ höherwertiges Grundstück desselben Besitzers lediglich mit 530 Euro bewertet wurde. Auch hier sind die Schlüssigkeit und die rechtliche Basis der Bewertung fragwürdig.
Handlungsanweisungen für Betroffene
Elf der sechzehn Bundesländer, einschließlich Baden-Württemberg, wenden das Bundesmodell für die Grundstücksbewertung an. Immobilieneigentümer in diesen Ländern sollten nach Erhalt ihres Feststellungsbescheids keinen Moment zögern und umgehend Einspruch erheben, um die Einhaltung der Fristen zu gewährleisten.
Sie haben die Möglichkeit, sich auf laufende Musterprozesse zu berufen und eine Aussetzung des Verfahrens zu erreichen, bis ein endgültiges richterliches Urteil vorliegt – ein kritischer Schritt zur Sicherung Ihrer rechtlichen Interessen. Der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. unterstützt Sie dabei mit einem standardisierten Widerspruchsformular. Widersprüche können online oder postalisch eingereicht werden, müssen jedoch innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheides erfolgen.
Die Unterstützung durch einen auf Grundsteuer spezialisierten Steuerberater oder Rechtsanwalt ist ebenfalls ratsam. In vielen Fällen kann durch eine proaktive Handlungsweise die Umsetzung ungerechtfertigter Steuererhöhungen verhindert werden.
Grundsteuerreform 2025: Weiter Ungewissheit für Eigentümer
Bis eine höchstrichterliche Entscheidung die verfassungsrechtliche Lage klärt, werden die Kommunen ab dem 1. Januar 2025 auf Basis der derzeit ermittelten Werte die Grundsteuer neu festsetzen. Eigentümer sind angehalten, die neu festgesetzten Beträge zunächst zu entrichten. Es wird erwartet, dass erst bis Herbst 2024 die endgültige Höhe der Grundsteuerbelastung für die Mehrheit der Steuerpflichtigen bestimmt wird.
Die Ungewissheit unter den Eigentümern wird andauern, bis der Bundesfinanzhof Klarheit in die komplexen Rechtsfragen gebracht hat. Ein positives Urteil könnte selbst rechtskräftige Bescheide kippen und eine Neubewertung aller Immobilien in den betreffenden Bundesländern notwendig machen. Es besteht jedoch ebenso die Möglichkeit, dass der Bundesfinanzhof die neuen Regelungen bestätigt. Somit bleibt die zukünftige Grundsteuerlast für Immobilieneigentümer weiterhin in der Schwebe.
Auch Eigentümer, die keinen Widerspruch eingereicht haben, könnten von einem positiven Gerichtsentscheid profitieren. Sollten die Bestimmungen geändert werden, könnte dies besonders jene Eigentümer betreffen, die durch eine Neubewertung eine höhere Steuerlast zu tragen hätten.