DWN: Ist es überspitzt zu sagen, dass die nächsten großen Kriege „Wasserkriege“ sein werden?
Jörg Barandat: Anfang bis Mitte der 90er ging diese These: „Der nächste Krieg geht um Wasser“, schon einmal - fast viral - durch die Medien: Euphrat-Tigris mit Bezug auf das türkische Südost-Anatolien-Projekt, aber auch der Nil sowie der Jordan und die Westbank standen im Fokus. Bei uns in der sicherheitspolitischen Community, aber auch bei unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Wissenschaftsfeldern, die sich mit Wasser beschäftigten, traf dieser Alarmismus aber eher auf Gelassenheit.
Erstens wussten wir, dass auch in Kriegen der Vergangenheit Wasser hier und da schon eine Rolle gespielt hatte – von der Umleitung von Fließgewässern über Brunnenvergiftungen bis zur Bombardierung von Staudämmen. Und zweitens begleitete uns damals nach dem Ende des Ost-West-Konflikts so etwas wie eine Euphorie, dass Konflikte künftig friedlich-konstruktiv gelöst würden. Insofern waren wir optimistisch, dass wir über regelbasierte Ordnungen – also auch mithilfe von Konventionen im internationalen Recht - die gegenwärtigen und zukünftigen Verteilungskonflikte konstruktiv in den Griff bekommen würden. Wir argumentierten damals: Beim Wasser liegt mehr Potential zur Kooperation als zu vor allem gewaltsamen Konfliktaustragung. Heute sind wir da angesichts der allgemeinen außen- und sicherheitspolitischen Lage nicht mehr so optimistisch, auch weil in der Wasserpolitik und –Diplomatie wider besseres Wissen – einschließlich der deutschen Politik - das Stellen von Weichen verschlafen und verschleppt wurde.
DWN: Wäre hier mehr Kooperation möglich gewesen?
Jörg Barandat: Ja, Wasser gibt durchaus Kooperation begründende politische Impulse. Da gehen wir mal in die Urgeschichte zurück, also in die menschliche Sesshaftwerdung und die ersten Stadtgründungen im Zwei-Strom-Land. Das hat viel mit Wasser zu tun. Das Wasser des Euphrat und Tigris kam dort eigentlich immer zur falschen Zeit. Die Fluten im Frühjahr schwemmten die Saat weg, die Trockenheit im Sommer ließ alles verdorren. Also hat man angefangen, Dämme und Kanäle zu bauen, um das Wasser, von dem zur falschen Zeit zu viel kam, für die Zeit zu lagern, in der davon zu wenig kam. Das musste geplant, technisch konstruiert und realisiert sowie im Jahreslauf gerecht verwaltet werden. Für eine funktionale Unterbringung von Wissenschaft, Handwerk und Bürokratie entwickelten sich die ersten Städte – Wissens- und Verwaltungszentren, ohne die im „Fruchtbaren Halbmond“ – der sich vom Zweistromland bis an die Mittelmeerküste erstreckte - Landwirtschaft im großen Stil unmöglich geblieben wäre.
In der Moderne hätten wir als kooperatives Beispiel den Indus-Wasservertrag. Das ist ein mit Unterstützung der Weltbank entwickeltes technisches Übereinkommen zwischen Indien und Pakistan – sehr komplex und auch mit hohen Investitionen in Wasserbauwerke verbunden - das seit 1960 die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse regelt. Es ist bisher stabil und die Kommission hat sich selbst dann getroffen, wenn die beiden Staaten sich gerade anderweitig wieder bekämpften. Ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 2021 ist die Vereinbarung, dass Jordanien Solarstrom liefert und aus Israel im Gegenzug Trinkwasser erhält. Schon länger zurück liegt eine Vereinbarung, dass Jordanien saisonal überschüssiges Wasser im Tiberias See zwischenlagern kann, um es dann später wieder abzurufen.
Auch wir in Europa haben zwei Übereinkommen: Die Helsinki-Convention und die EU-Wasserrahmenrichtlinie, sowie eine Vielzahl von Flussgebiets-Kommissionen, die an grenzüberschreitenden Gewässern, z.B. Rhein, Donau, Oder, die Entwicklungen und Nutzungen mit- und aufeinander abstimmen und vereinbaren. Leider ist es der Weltgemeinschaft nicht gelungen, solche konstruktiven Wege weiterzuentwickeln und in größerem Umfang in praktische Politik umzusetzen. Das liegt auch daran, dass heute regelbasierte Ordnungen insgesamt in sehr schwieriges Fahrwasser geraten sind, und das gilt dann in der Folge auch für ein grenzüberschreitendes Wassermanagement.
DWN: Woran genau liegt es, dass das kooperative Potential nicht mehr zur Wirkung kommt?
Jörg Barandat: Fakt ist, dass Süßwasser die Schlüsselressource unseres menschlichen Lebens ist. Es ist unser wichtigstes Lebensmittel, aber auch ein entwicklungs begrenzendes Produktionsmittel in Landwirtschaft, Industrie und hinsichtlich Wasserstoff-Synthese zukünftig auch noch weiter zunehmend in der Energiewirtschaft. Unsere Wassernachfrage steigt ständig, während andererseits klimatische Veränderungen seine Verfügbarkeit vermindern - auch durch CO2 beeinflusste klimatische Veränderungen, zu denen wir durch unseren Energiehunger nicht unwesentlich beitragen.
Wasser ist aber auf der Angebotsseite nicht unendlich verfügbar. Es steht uns – langfristig gesichert - nur das Wasser aus der Selbsterneuerung über den natürlichen Wasserkreislauf zur Verfügung und dieser ist u.a. bestimmt durch: Klima, Temperatur, Niederschläge sowie den Zustand unserer Biotope in denen es gefiltert und gelagert wird. Auch ist Wasser nicht beliebig vermehrbar: in der Wasseraufbereitung und -entsalzung erfolgt lediglich eine Substitution durch eine andere Ressource, nämlich Energie.
Wir sehen also bereits hier, dass Wasser nicht für sich alleine steht, sondern immer in komplexen und dynamischen Verknüpfungen im NEXUS Wasser-Klima-Energie. Dieser NEXUS ist ein bedeutendes Subsystem des Systems Erde. Dazu stellte Peter Gleick vom Pacific Institut in Kalifornien, einer der führenden Wissenschaftler in der Water-Community, bereits 2008 fest: "Wasser und Energie sind untrennbar miteinander verbunden, und fast nie werden sie von der Politik gemeinsam behandelt. Das wird zwangsläufig zur Zerrüttung der Wasser- und der Energieversorgung führen." Das können wir auch in Deutschland und Europa gut beobachten.
Voran gestellt verhält es sich mit Wasser wie mit allen anderen begrenzt verfügbaren Ressourcen: Knappheit führt zwangsläufig zu Nachfrage- und Nutzungskonflikten und in der Folge zu gesellschaftlichem und politischem Stress. Das ist nicht nur im trockenen Süden unserer Welt so, sondern zunehmend auch in Europa und Deutschland. Sind Wasserressourcen grenzüberschreitend, können daraus auch Kriege erwachsen. Ob zwischen den Anliegerstaaten der bereits erwähnten Flussgebiete Nil, Jordan, Euphrat/Tigris bis hin zur Bedeutung des tibetischen Hochplateaus für Chinas Wasserversorgung mit Folgen für die Flussgebiete des indischen Subkontinents und den Mekong bewegen sich alle Akteure stets zwischen Konfrontation und Kooperation.
Um Tibet liegt zukünftig der zu erwartender größter und gefährlichster Hotspot, denn dessen geografische Lage ist von größter Bedeutung für Chinas politische Beziehungen, vor allem auch zum Konkurrenten Indien. Konflikte rund um den Rohstoff Wasser sind bereits heute Bestandteil der zwischenstaatlichen Machtprojektion. Andererseits sind sie aber immer noch kein Kernthema europäischer und deutscher Außenpolitik. Das ist ein eklatantes Politikversagen, denn Wasserpolitik und -diplomatie, das grenzüberschreitendes, nachhaltiges Wassermanagement als Instrumente in der Konfliktprävention und Streitbeilegung fördert, ist für eine stabile und friedliche Zukunft unerlässlich. Was Krieg um und mit Wasser angeht, so bewegt sich seine Bedeutung im Spannungsfeld zwischen Auslöser, Operativem Faktor, militärischem Ziel und Waffe.
DWN: Können Sie uns noch ein Beispiel für einen solchen Nexus geben?
Jörg Barandat: Als sich in den 90er Jahren in Deutschland so etwas wie eine wissenschaftliche und politische Water-Community entwickelte, haben wir zunächst nur am Gegenstand Wasser gearbeitet und den damit direkt verbundenen Konflikten sowie Kooperationsmöglichkeiten. Von dieser Eingrenzung sind wir relativ schnell weg, weil offensichtlich ist, dass uns Wasser nie allein begegnet, sondern immer in unterschiedlichen Facetten von Wechselwirkungen zu anderen Politikfeldern. Ein systemisches Verständnis um die Zusammenhänge und Wechselwirkungen in einem solchen NEXUS zwischen Wasser, Energie/Ernährung und Klima ist in der Wasserpolitik unverzichtbar. Das gilt auch für sicherheitspolitische Trendanalysen, in denen Wasser ein bedeutsamer strategischer Faktor ist. Ein deutsches Beispiel: Wir wollen in der Energiewende auf Wasserstofftechnologien umsteigen.
Für die Wasserstoffherstellung – gleiches gilt für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe - brauchen wir aber zunächst einmal ganz, ganz viel Wasser mit hoher Qualität. Haben wir das in Deutschland? Scheinbar ja, aber die Realität sieht zwischenzeitlich anders aus! Leider wird nämlich selbst bei uns in Deutschland keine wirkliche strategische Folgenabschätzung von Großprojekten geleistet. So wurde z.B. in Brandenburg, auch mit Zustimmung eines grünen Umweltministers und unter Abseitsstellung des regionalen Wasserverbands das neue Tesla–Werk errichtet. Ich kann mich gut an die Fernsehbilder beim Baustellenbesuch von Elon Musk in Begleitung des CDU-Kanzlerkandidaten Laschet erinnern: Wasser? Kein Problem, das sei ja hier keine Wüste, alles schön grün! Herr Laschet lächelte dazu … Ohje, völlig blauäugig und nicht begriffen, dass - auch wenn es jetzt noch schön grün ist - Wasserausbeutung, die über den Punkt hinweg geht, der eine nachhaltige Nutzung sicherstellt, aus einer blühenden Landschaft eben ganz zügig Steppe und Wüste macht. Da entwickelt sich absehbar wasserpolitisch eine Katastrophe, auch überregional. Denn wenn vor Ort das Wasser knapp wird, kommen ganz schnell Forderungen nach Fernleitungen zu Lasten anderer Wasserressourcen. Landespolitisch ging es einfach primär darum, viele neue Arbeitsplätze in einer Region mit tiefgreifendem Strukturwandel infolge des Kohleausstiegs zu schaffen. Politisch wird der Platz an der Sonne gebraucht, auch um wiedergewählt zu werden, es geht also auch um Machterhalt. Nicht anders ein Blick nach Bayern. Dort wird aus der Donau das Wasser über den Rhein-Main-Donau-Kanal hochgepumpt, um damit die Landwirtschaft in Franken zu versorgen.
Ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht, bis die Österreicher sagen: Sagt mal, ihr verringert massiv die Wasserfracht der Donau und das hat gewaltige Folgen für uns. Nun wird auch bei uns das Wasser knapp mit negativen Folgen für Schifffahrt, Landwirtschaft und Industrie! Übrigens, wir Deutschen verbrauchen sehr viel mehr Wasser, als wir in den Statistiken der deutschen Wasserversorger lesen. Wir importieren es auch aus Regionen, in denen Wasserkonflikte schon heute an der Tagesordnung sind: z.B. aus dem Nahen Osten, Orangen 50 Liter/Stück, Getreide vom Weltmarkt 900-1000 Liter/Kg, Elektrogeräte 15.000 Liter/Computer aus China. In all diesen Importwaren steckt in der Herstellung ganz viel virtuelles Wasser und virtuelle Energie drin.
Nun noch kurz zum dritten Link im NEXUS Klima. CO2 und andere Treibhausgase verändern unsere klimatischen Rahmenbedingungen und damit verändern sie auch die Wasserverfügbarkeit z.B. durch längere Trockenzeiten und Extremwetterereignisse, die eine stabile Grundwasserlage unmöglich machen und auch zu deren unumkehrbaren Zerstörung führen können. Beispielsweise werden in der Folge Böden verdichtet und es bildet sich ein wasserundurchlässiger Ortstein. Ein typischer Effekt sind auch Senkungsgebiete, die auch Gebäudeschäden herbeirufen, so wie zum Beispiel in der Nordheide / Niedersachsen. Klima verändert sich dann auch wiederum seinerseits, je nachdem inwieweit wir unsere Landschaft verändert haben. Wenn wir große Flächen abgeholzt oder entwässert haben, entstehen dadurch veränderte Verdunstungsmengen mit direkter Rückwirkung auf das Klimasystem und weiter auf die Grundwasserlage. Regenwasser wird nicht mehr von Wurzelgeflechten gehalten, es fließt an der Oberfläche ab und spült die Ackerkrume in die Gewässer und das Meer.
Der Bau großer Staudämme und Bewässerungsflächen führt dagegen zu größeren Verdunstungsmengen, so z.B. beim Südostanatolien-Projekt in der Türkei. Dort werden wassergesättigte Luftmassen durch den Wind meistens von West nach Ost in Richtung Vansee transportiert. Dort regnen sich die Wolken an den Gebirgshängen ab. Da aber der Vansee keinen natürlichen Abfluss hat, hat das zur Folge, dass er stetig ansteigt und dann alle paar Jahre die Straßen- und Eisenbahnlinien verlegt werden müssen. Also: Großprojekte - ja wie heißt es doch so treffend - alles, was Wirkung hat, hat auch Nebenwirkung.
Grundlegende Erkenntnisse und die Stärken eines NEXUS-Modells sind: Es gibt keine „Goldrandlösungen“ – auch wenn solche so gern in der politischen Kommunikation nach vorn gepusht werden - weil sie das Risiko in sich tragen, die Gesamtlage am Ende zu „verschlimmbessern“. Denn wer auf nur eine Lösung setzt, darf sich nicht wundern, wenn ihm das System nicht mehr einfangbar an einer anderen Ecke wegbricht. Strategisch-systemisches Denken, Planen und Handeln kann dagegen erfolgreich sein, wenn es mit einem Mix von Vermeidungs-, Anpassungs- und Veränderungsstrategien frühzeitig an den verschiedensten Faktoren, Ecken und Stellschrauben ansetzt und andererseits ebenso frühzeitig analysiert und durchsetzt, von was man besser ganz die Finger weglässt und was nur zurückhaltend dosiert anzusetzen ist.
DWN: Sind auch in Deutschland wasserpolitische Weichenstellungen verschlafen worden?
Jörg Barandat: Bis 1998 war Deutschland – unter Federführung des Auswärtigen Amtes und des Bundesumweltministeriums - sehr engagiert, internationales Umwelt- und Wasserrecht substanziell voranzubringen. Insbesondere ging es darum im internationalen Recht stärker das Prinzip: „Richte keinen Schaden an!“ und die Pflicht zur Verhandlung zu verankern und es so diplomatisch und für Praktische Politik wirkungsvoller anwendbar zu machen. Stark vereinfacht: Lasst uns nicht über Besitzstände streiten – in der Konsequenz: Der Gewinner kriegt alles - sondern, lasst uns gemeinsam über den Streitgegenstand größtmögliche Kooperationsgewinne für alle Beteiligten heraushandeln. Hintergrund dazu: Internationales und nationales Recht sind grundlegend unterschiedlich.
Auch hier noch einmal sehr vereinfacht: Im nationalen Recht sind wir untergeordnete Bürger, also Objekte gegenüber denen Recht auch durchgesetzt wird und Regelverstöße bestraft werden. Staaten dagegen sind gleichgeordnete Subjekte und keiner internationalen Autorität unterworfen, die dann Entscheidungen oder Urteile auch exekutieren könnte. Staaten halten sich also nicht aus Angst vor Strafen an Regeln, sondern weil sie im internationalen, politischen und wirtschaftlichen Verkehr als faire und verlässliche Partner gelten wollen, um möglichst reibungslos ihren Interessen folgen zu können. Damit ist internationales Recht auch hochpolitisch und sollte auch so ausgestaltet werden.
Und da wären wir dann beim internationalen Wasserrecht, bei dessen Entwicklung Deutschland - ich war ja bei den Abschlussverhandlungen um das Flussgebietsübereinkommen 1996/97 im Rechtsausschuss der Vereinten Nationen in New York dabei - eine wichtige und sehr konstruktive Rolle gespielt hat. Unser Ansatz war dabei, über dieses Übereinkommen politische Prozesse zu befördern, also für die Anlieger an grenzüberschreitenden Gewässern eine Pflicht zur Zusammenarbeit und Verhandlung zu verankern. Konkret: Anlieger von Flussgebieten und Konfliktparteien sind in einem ersten Schritt beim Einstieg vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen zu fördern und zu begleiten, nachfolgend ist wissenschaftliche und technische Hilfe zu organisieren und am Ende jedes dieser Prozesse sollten dann regelmäßig oder ständig tagende Flussgebietskonferenzen und Flussgebietsinstitutionen – ähnlich einer, wie schon angesprochenen Rhein- und Donaukommissionen - für das jeweilige Flussgebiet eingerichtet werden. Staaten, die über solche Verfahren in der Wasserkooperation Erfolge erfahren – so unsere Annahme - würden dann zukünftig auch in anderen Feldern wie z.B. Wirtschafts- oder Energiekooperationen zusammen zu bringen sein.
Kernfrage bei einem solchen Ansatz ist dann nicht mehr: Wem gehört das Wasser, sondern: Wie können wir gemeinsam durch grenzüberschreitend abgestimmte Wassernutzungen den größten Kooperationsgewinn erwirtschaften. Wir haben dafür selbst bei schwierigen Partnern große Unterstützung eingeworben und das auch so im Übereinkommen festschreiben können. Allerdings hat Deutschland bereits 1998 dieses zukunftsweisende Engagement infolge des Regierungswechsels - im Bundesumweltministerium von Angela Merkel auf Jürgen Trittin - nahezu vollständig aufgegeben. Herr Trittin hat stattdessen – unter Vernachlässigung fast aller anderen Themenfelder, besonders auch der personellen und inhaltlichen Kompetenzen in der Wasserthematik – alle Ressourcen seines Hauses nur noch auf Dosenpfand und Atomausstieg konzentriert. Wasserpolitisch war diese Phase ein fundamentales Versagen der Nachfolgerregierung in der internationalen Wasserpolitik. Erst nach erneuten Regierungswechsel 2005 wurden die losen Enden wieder nach und nach aufgenommen und auch das Übereinkommen in deutsches Recht überführt.
Aber die Vorreiterrolle hatten wir vertrödelt und haben sie auch nie wieder einnehmen können. So offenkundig war es für mich nie zuvor: Eine Politik, die heute mit Lasten verbundene, unpopuläre Entscheidungen trifft, um frühzeitig Weichenstellungen für eine positive Entwicklung in zehn oder noch mehr Jahren zu stellen, wird bei den nächsten Wahlen abgestraft. Vorausschauendes Handeln zahlt sich also nicht aus. Politikversagen liegt damit aber nicht nur bei den Politikern und Politikerinnen, sondern auch bei den Wählern. Denn wenn alle nur noch in Wahlperioden und nicht über Generationen denken, ist eine vorausschauende, umfassende Politik nicht möglich. Die Fähigkeit zu strategischem Denken ist also eine gesamtgesellschaftliche Bildungsherausforderung, aber nicht nur in Deutschland defizitär.
Lesen Sie auch den zweiten Teil des DWN-Interviews (erscheint am 20.05.2024) und erfahren sie mehr zu konkret betroffenen Konfliktherden insbesondere in verschiedenen Regionen wie Tibet und Zentralasien sowie im Nahen Osten. Außerdem wird Jörg Barandat mögliche Lösungsansätze für die globalen Wasserprobleme beleuchten und die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit weiter herausarbeiten. Erfahren Sie dort auch mehr spannende Details zur Person Jörg Barandat.