Trotz leichter Stabilisierungstendenzen lässt eine kräftige Konjunkturerholung in Deutschland weiter auf sich warten. Der Sachverständigenrat (SVR) zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung prognostiziert für das Jahr 2024 lediglich ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent. Er erwarte eine geringfügige Steigerung auf 0,9 Prozent im Jahr 2025.
Die Inflation soll von 2,4 Prozent im Jahr 2024 auf 2,1 Prozent im nächsten Jahr sinken. Diese vorsichtige Erholung wird laut Frühjahresgutachten 2024 von einer weiterhin schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und anhaltenden geopolitischen Risiken überschattet. „Die privaten Haushalte konsumieren aktuell noch zurückhaltend, die Industrie und die Baubranche verzeichnen nur geringfügige neue Aufträge“, erklärt Martin Werding, Mitglied des SVR.
Als Reaktion auf das Frühjahresgutachten des SVR fordert die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) Impulse für nachhaltiges Wachstum. „Die Stimmung der Unternehmen bleibt gedrückt. Die Betriebe haben nicht nur mit konjunkturellem Gegenwind, sondern auch mit strukturellen Herausforderungen zu kämpfen, wie hohen Energiekosten und Schwierigkeiten, Personal zu finden“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer der DIHK. Er betonte die Notwendigkeit von Maßnahmen, die direkt bei den Unternehmen ansetzen, um die Wirtschaft wieder auf einen langfristigen, robusten Wachstumspfad zu bringen.
Exporte und Weltwirtschaft als Wachstumsmotor
„Im laufenden und im kommenden Jahr werden die deutschen Exporte vom steigenden Welthandel profitieren. Allerdings sehen sich die exportorientierten Unternehmen mit einem scharfen Wettbewerb, steigenden Arbeitskosten und weiterhin hohen Energiepreisen konfrontiert“, sagt Veronika Grimm, ein weiteres Mitglied des SVR. Eine potenzielle Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank könnte die Finanzierungsbedingungen verbessern und private Investitionen ankurbeln, wobei erste positive Effekte frühestens 2025 erwartet werden.
Die geopolitische Lage, insbesondere der anhaltende Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten, stellen erhebliche Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Eine Eskalation könnte die Energiepreise weiter in die Höhe treiben und die ohnehin fragile wirtschaftliche Erholung Deutschlands gefährden.
Arbeitsmarkt und strukturelle Herausforderungen
Der Arbeitsmarkt zeigt ebenfalls Schwächen: Die Demografie und sinkende durchschnittliche Arbeitszeiten verschärfen die Lage. „Unternehmen fällt es zunehmend schwer, offene Stellen zu besetzen, gleichzeitig halten sie trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten an ihren Mitarbeitern fest“, betont Achim Truger, ein weiteres Ratsmitglied. Die restriktive Fiskalpolitik und die Unsicherheiten in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik trüben die mittelfristigen Aussichten.
Hauptgeschäftsführer der DIHK, Wansleben, merkt an, dass erhebliche Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur nötig sind, besonders im Bereich des Güterverkehrs. „Eine Verlagerung nennenswerter Gütermengen auf die Schiene und das Binnenschiff ist nur langfristig möglich. Der Straßengüterverkehr wird auch in Zukunft die Hauptlast tragen müssen“, erklärt Wansleben. Er fordert, dass neben der Elektrifizierung auch alternative Energien berücksichtigt werden müssen, um nicht die bereits hohen Belastungen durch Steuern weiter zu erhöhen.
Zukunftsaussichten und Herausforderungen
Die mittelfristigen Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft sind gedämpft, mit einem erwarteten Potenzialwachstum von nur 0,5 Prozent im Jahr 2024 und weiter sinkend bis 2029. Dies stellt die Wirtschaftspolitik vor große Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung effektiver Maßnahmen zur Stärkung der Konjunktur und der Bewältigung struktureller Schwächen.
In einer Zeit globaler Unsicherheiten und struktureller Herausforderungen bleibt die Erholung der deutschen Wirtschaft dem aktuellen Frühjahrsgutachten zufolge eine langsame und vorsichtige Angelegenheit, geprägt von der Notwendigkeit politischer Weitsicht und wirtschaftlicher Anpassungen.