Finanzen

Der DWN-Marktreport: Börsen im Rally-Modus – Aktienmärkte erreichen Allzeithochs, Metalle glänzen

Die vergangene Woche konnte sich sehen lassen: Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte warteten mit beeindruckenden Preisbewegungen und dem ein oder anderen All-Time-High auf.
22.05.2024 10:41
Aktualisiert: 22.05.2024 10:41
Lesezeit: 4 min
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Der DWN-Marktreport: Börsen im Rally-Modus – Aktienmärkte erreichen Allzeithochs, Metalle glänzen
Nach den Rekorden der Vorwoche starten die internationalen Finanzmärkte eher verhalten in die Woche. (Foto: iStock.com, tadamichi) Foto: tadamichi

Nach den Rekorden der Vorwoche starteten die internationalen Finanzmärkte zum Wochenbeginn in der Wartestellung, mit mehr oder weniger unveränderten US-Indizes und leicht nachgebenden europäischen und asiatischen Aktien. Die Gedanken der Anleger richten sich aktuell auf die großen Ereignisse, die in der laufenden Woche noch bevorstehen, allen voran das Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung und die Ergebnisse von NVIDIA. Auch Staatsanleihen zeigen sich ziemlich unverändert, nachdem sie in den vorausgegangenen Sitzungen drei Tage in Folge nachgegeben hatten. Erdöl handelt etwas niedriger, auch Kupfer und Gold haben sich wieder leicht von ihren kürzlich erreichten Rekordhochs entfernt.

Aktien erreichen Allzeithochs

Die Veröffentlichung der US-Verbraucherpreise am vergangenen Mittwoch stellte für die Märkte wohl den bisher wichtigsten Datenpunkt dieses Jahres dar. Nach drei schlechter als erwartet ausgefallenen Messwerten in Folge stand viel auf dem Spiel, und alle Augen richteten sich auf die monatliche Verbraucherpreis-Kernrate, die die volatilen Lebensmittel- und Energiekosten ausklammert und, wie erwartet, auf 0,3 % zurückgefallen ist. Der Optimismus, den die Händler bereits im Vorfeld dieser Veröffentlichung an den Tag legten, da sie darauf setzten, dass diese die Argumente für Zinssenkungen der Fed nicht untergraben würde, erwies sich als gerechtfertigt, wie die unmittelbar darauf folgenden neuen Höchststände dokumentieren. Der Inflationswert hat jedoch nichts am Ton der Kommentare der Fed-Vertreter geändert.

Diese begrüßten die Verlangsamung des Preiswachstums zwar, betonten jedoch auch, dass die Notenbank die Zinssätze wahrscheinlich „noch eine Weile“ auf dem derzeitigen Niveau halten müsse. Die Fed „müsse geduldig sein und auf Anzeichen für eine weitere Abschwächung der Inflation warten“, so Notenbankchef Powell. Die jüngsten Inflationszahlen deuteten darauf hin, dass es länger als erwartet dauern könnte, das für Zinssenkungen notwendige Vertrauen zu gewinnen. Schaut man auf den sogenannten „Supercore“, eine Messgröße, die alle Waren-, Lebensmittel- und Energiepreise sowie die Wohnungskosten ausschließt, zeigt sich diese bei fast 5 % und damit weit über einem Niveau, mit dem die Zentralbank zufrieden sein kann. Im letzten Herbst drehte er nach oben und sein Anstieg hält an. Im Monatsvergleich ist der Supercore im April zwar weniger stark gestiegen als in den drei vorangegangenen Monaten des Jahres, aber er ist immer noch historisch hoch. Dies allein schließt eine schnelle Zinssenkung mehr oder weniger aus.

Wall Street (fast) komplett bullisch

Fanden sich unter den Analystenmeinungen der großen Wall-Street-Banken bezüglich der Aktienmarktentwicklung noch bis vor kurzem durchaus pessimistische Stimmen, hat sich dieses Bild nun beinahe vollumfänglich gedreht. Angesichts des Erreichens neuer Höchststände wechselte nun auch Dauer-Bär Morgan Stanley ans andere Ufer und traut dem breiten S&P 500 bis Ende des Jahres weitere 2 % zu. Dies ist eine deutliche Kehrtwende gegenüber Morgan Stanleys voriger Ansicht, dass der Leitindex bis Dezember um 15 % fallen wird. Damit verbleibt einzig JPMorgan im Lager der prominenten Bären. Die Investmentbank riet erst am Montag ihren Kunden davon ab, zum jetzigen Zeitpunkt Aktien zu kaufen, und begründete dies mit hohen Bewertungen, der Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen länger restriktiv bleiben werden als gedacht, nach wie vor erhöhter Inflation sowie geopolitischer Unsicherheit. Dass diese Einschätzung bereits im vergangenen Jahr für Schäden im Portfolio sorgte, gaben die Strategen der Bank aber ehrlicherweise zu.

Metalle mit kräftigen Aufwärtsschüben

Vor allem die Entwicklungen bei zwei der meistgehandelten Metalle der Welt bieten den Rohstoffhändlern derzeit Gesprächsstoff. So stieg Kupfer auf den höchsten Stand aller Zeiten, überschritt die Marke von 11.000 Dollar pro Tonne und setzte damit eine monatelange Rallye fort. Wachsender Optimismus über die Geldpolitik der US-Notenbank, zunehmende geopolitische Spannungen im Nahen Osten, die durch den überraschenden Tod des iranischen Präsidenten Raisi beflügelt wurden, sowie Bullionkäufe von Schwellenländer-Zentralbanken, die ihre Reserven weg vom Dollar diversifizieren, verhalfen Gold zu seinem jüngsten Rekordhoch bei 2.450 Dollar, ein schwächerer US-Dollar gab dem Edelmetall zusätzliche Unterstützung. Gold ist aktuell vor allem wieder als „sicherer Hafen“ gefragt, aus fundamentaler Sicht kommt jedoch leichter Gegenwind auf. So haben sich die Goldbarreneinfuhren Chinas im April verlangsamt, offenbar beginnt die Nachfrage im größten Verbraucherland der Welt angesichts der Rekordpreise nachzulassen. Die Käufe von physischem Gold im Ausland gingen gegenüber dem Vormonat um 30 % zurück und erreichten den Zolldaten zufolge den niedrigsten Stand in diesem Jahr.

Silber historisch knapp

Wenn auch die Rallye des Goldes die Schlagzeilen beherrscht, so läuft Silber noch deutlich stärker und schneller, da es erheblich von der robusten Finanz- und Industrienachfrage profitiert. Seit Jahresbeginn konnte Silber um gut 37,5 % zulegen, in der Spitze liegt der Anstieg bei über 48 %. Damit konnte das weiße Metall Gold klar überholen, was es zu einem der Rohstoffe mit der besten Performance in diesem Jahr macht. Dennoch ist Silber, welches zwar auf einem 11-Jahreshoch aber noch weit unter seinem All-Time-High von knapp 50 US-Dollar notiert, relativ gesehen immer noch nicht teuer. Derzeit benötigt man etwa 77 Unzen Silber, um eine Unze Gold zu kaufen, verglichen mit einem 20-Jahres-Durchschnitt von 68. Anders als Gold wird Silber sowohl als Finanzanlage als auch als Industrierohstoff geschätzt, einschließlich des Einsatzes in sauberen Energietechnologien. Angesichts des robusten Wachstums dieser Branche wird für dieses Jahr ein Rekordverbrauch des Metalls erwartet.

Vor diesem Hintergrund steuert der Markt auf sein viertes Jahr mit einem Defizit zu, wobei die diesjährige Knappheit die zweitgrößte in der Geschichte werden dürfte. Industrielle Abnehmer suchen bereits händeringend nach Unzen und leeren die großen Lagerhäuser. Die von der London Bullion Market Association (LBMA) erfassten Lagerbestände fielen im April auf den zweitniedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen, während die Volumina an den Börsen in New York und Shanghai nahe ihrer saisonalen Tiefststände liegen. Angesichts der erwarteten Nachfrage drohen die LBMA-Lagerbestände in den nächsten zwei Jahren vollständig abgebaut zu werden. Dabei überschätzen die veröffentlichten Zahlen hinsichtlich des verfügbaren physischen Metalls sogar noch die verfügbare Menge, da diese auch die Bestände börsengehandelter Fonds berücksichtigen.

Auch Kupfer befindet sich auf Grund der auch dort klaffenden Lücke zwischen verfügbarem Angebot und rasant wachsender Nachfrage, vor allem aus dem Sektor der erneuerbaren Energien, in einem ungebrochenen Rally-Modus. Selbst nach dessen Sprung über das 11.000-Dollar-Level dürfte hier noch deutlich Luft nach oben sein. Unruhen in Neukaledonien, dem drittgrößten Nickelproduzenten der Welt, schieben nun auch diesen Industriemetallvertreter kräftig an.

Erdöl bleibt ruhig

Angesichts der mit dem Tod des iranischen Präsidenten nicht sicherer werdenden Lage im Nahen Osten bleibt der Erdölmarkt erstaunlich gelassen, hier wirken andere Kräfte einem signifikanten Preisanstieg entgegen. Die Internationale Energieagentur (IEA) begründet die Preisentwicklung mit der Aussicht auf ein schwächeres Nachfragewachstum. Hinzu kommt, dass viele chinesische Raffinerien sich derzeit in ihrem saisonalen Wartungszyklus befinden, was in der Regel zu einer geringeren Nachfrage nach Rohöl führt. Darüber hinaus kann die umfangreiche Kapazitätsreserve der OPEC, das sind Produktionskapazitäten, die bei Bedarf sehr zügig aktiviert werden können, einem deutlichen Preisanstieg entgegen wirken. Derzeit hält die OPEC+-Gruppe etwa 2 Mio. Barrel pro Tag zurück, um einen Überschuss zu verhindern und die Preise zu stützen. Es wird erwartet, dass diese Kürzungen beim OPEC-Treffen am 1. Juni auf die zweite Jahreshälfte ausgedehnt wird.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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