Technologie

EuroLingua-GPT: Europas Weg zu eigenen KI-Sprachmodellen dank MareNostrum 5

Der Supercomputer MareNostrum 5 im Barcelona Supercomputing Center Europa verhilft zur Entwicklung eigener KI-Sprachmodelle. EuroLingua-GPT stärkt die digitale Souveränität und Innovationskraft in Europa.
07.07.2024 08:57
Lesezeit: 4 min
EuroLingua-GPT: Europas Weg zu eigenen KI-Sprachmodellen dank MareNostrum 5
Europa entwickelt mit EuroLingua-GPT erstmals eigene große KI-Sprachmodelle. Diese Initiative zielt darauf ab, europäische Datensätze und ethische Standards zu nutzen. (Foto: iStock.com, FotografieLink) Foto: FotografieLink

Europa hat bisher kein eigenes großes Sprachmodell für Künstliche Intelligenz. Die Datensätze zum Trainieren der Programme stammen bisher meistens aus den USA. Das soll sich dank EuroLingua-GPT nun ändern.

EuroLingua-GPT dank Supercomputer: Europa bekommt ein eigenes KI-Sprachmodell

Große Sprachmodelle revolutionieren gegenwärtig unsere Kommunikation sowie den Umgang mit Information und Wissen. Bisher werden sie jedoch hauptsächlich für die englische und chinesische Sprache durch außereuropäische Akteure wie OpenAI mit GPT entwickelt. Auch das offene Modell BLOOM ist nicht mit Daten in deutscher Sprache trainiert worden. Dies bedeutet, dass es nicht dem europäischen Rechtsraum und Datenschutz unterliegt. Ethische Regeln werden bei außereuropäischen Diensten nach den Maßstäben der anbietenden Unternehmen umgesetzt, was sich wiederum in der Auswahl der Trainingsdaten bzw. Methoden niederschlagen kann. Es ist unklar, ob deutsche und europäische Standards berücksichtigt werden. Dies kann eine Herausforderung für die Nutzung und Anwendung solcher Modelle in Deutschland und Europa darstellen. Daher war die Forderung nach modernen, offenen multilinguale Modelle sowie Modelle für die deutsche Sprache in Deutschland und Europa da.

Als Schlüsseltechnologie der Künstlichen Intelligenz sind große Sprachmodelle der Kern vieler wichtiger Anwendungen: Sie erkennen, produzieren, übersetzen und verarbeiten Sprache. Doch sie haben auch einen Haken. Große Sprachmodelle sind häufig intransparent und ihre Ergebnisse nicht immer nachvollziehbar. Sie erstellen Texte, die falsche oder unlogische Aussagen und Zusammenhänge darstellen. Sie haben deutlich mehr Parameter und damit eine bessere Vorhersage-Leistung für zahlreiche Aufgaben, sind jedoch häufig auch nicht Open Source verfügbar.

MareNostrum 5: Der Supercomputer, der Europas KI-Zukunft gestaltet

Mare Nostrum 5 ist ein Symbol für den Fortschritt und die Innovationskraft in der europäischen und globalen Supercomputing-Landschaft. Der Supercomputer steht im Barcelona Supercomputing Center (BSC) und ist aktuell auf Platz 8 der Weltrangliste und hat Anschaffungs- und Instandhaltungskosten von 151 Millionen Euro. Dazu wird er rein mit erneuerbaren Energien betrieben. Die Leistung des Superrechners ermöglicht Simulationen und Berechnungen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Berechnungen zur Wettervorhersage, die früher Tage in Anspruch nahmen, können damit in wenigen Minuten abgeschlossen werden. Um sich das besser vorstellen zu können: Ein moderner High-End-PC erreicht eine Rechenleistung im Teraflop-Bereich (10 hoch 12 Berechnungen pro Sekunde). MareNostrum 5 ist etwa eine Million Mal leistungsfähiger als ein solcher PC. Europa hat mit Superrechnern noch viel vor. Auch die Schweiz punktet seit neuestem mit einem System unter den Superrechnern. Die Alp-Maschine des Swiss National Supercomputing belegt aktuell den sechsten Platz auf der Weltrangliste.

Supercomputer kommen bereits in vielen wissenschaftlichen und industriellen Bereichen zum Einsatz, wie zum Beispiel bei der Klimaforschung oder in der Biomedizinischen Forschung. Jetzt haben das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und die NLU-Gruppe von AI Schweden gemeinsame Rechenzeit am neuen Hochleistungsrechner MareNostrum 5 im Barcelona Supercomputing Center erhalten. Was diese Tatsache so besonders macht?

Es handelt sich um eines der größten Kontingente, die seitens des Gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen (GU EuroHPC) für die Entwicklung europäischer großer KI-Sprachmodelle (LLMs) gewährt wurden. Seit Ende Mai 2024 ist das Projekt nun am Start, um die ersten multilingualen Modelle zu rechnen. Die Laufzeit des Projekts „EuroLingua-GPT“ ist für ein Jahr angesetzt.

8,8 Millionen Rechenstunden stehen zur Verfügung. Die Wissenschaftler sehen darin einen Meilenstein für Deutschland und Europa und versprechen sich durch die trainierten Modelle einen Fortschritt in Wirtschaft und Wissenschaft. Es ist die Geburtsstunde der generativen Künstlichen Intelligenz „Made in Europe“. Ziel des gemeinsamen Projektes ist es, eine Familie von großen KI-Sprachmodellen von Grund auf zu trainieren. Die neuen EuroLingua-Modelle, so der Name, bauen auf einem Trainingsdatensatz von 45 europäischen Sprachen, Dialekten und Codes auf. Der Schwerpunkt liegt damit auf europäische Sprachen und Werte, denn bisher sind multilinguale Modelle eher selten.

Offene KI-Modelle für eine transparente und souveräne digitale Zukunft

Veröffentlicht werden sollen die KI-Sprachmodelle Open Source, das bedeutet, dass der Quellcode und die Trainingsdaten dieser Modelle frei zugänglich gemacht werden. Dadurch können später Unternehmen oder Interessierte die Modelle an ihre spezifischen Bedürfnisse anpassen und eigene Produkte und Dienstleistungen umwandeln.

EuroLingua-GPT ist nur eines von drei großen laufenden EU-Projekten zu Sprachmodellen, an denen Fraunhofer IAIS und AI Sweden beteiligt sind. Die beiden anderen sind TrustLLM und Deploy AI. Beide Projekte repräsentieren zwei wesentliche Bereiche der modernen KI-Entwicklung. Während TrustLLM darauf abzielt, das Vertrauen und die Ethik in KI-Sprachmodellen zu stärken, fokussiert sich Deploy AI auf die effiziente Implementierung und den Betrieb dieser Modelle.

Weitere EU-Initiativen, wozu der Superrechner MareNostrum 5 zum Einsatz kommen soll, heißen vielversprechend „Destination Earth“ und „European Virtual Human Twin“. Bei ersterem soll ein hochpräzises digitales Modell der Erde entstehen. Letzteres soll einen digitalen menschlichen Zwilling erschaffen, um zu einem besseren Verständnis des menschlichen Organismus zu gelangen und eine personalisierte Medizin zu ermöglichen.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Europa hat eine lange Tradition in der wissenschaftlichen Forschung. Es gilt diese Tradition fortzusetzen und zu stärken. Dafür notwendig ist der Zugang zu den besten verfügbaren Technologien. MareNostrum 5 bietet diese Ressourcen und stellt sicher, dass europäische Forschungseinrichtungen weiterhin in der Weltrangliste mit vorne dabei sein können. Nicht zuletzt sichern eigene Superrechner die digitale Souveränität und Unabhängigkeit gegenüber ausländischen Mitstreitern. Dafür stehen aktuell drei EU-Supercomputer zur Verfügung, die zu den besten der Welt gehören: LEONARDO, LUMI und MareNostrum5. Zwei weitere, noch fähigere Leistungsrechner aus Frankreich mit den Namen „Jupiter“ und „Jules Werner“ sind geplant. Die Rechenkapazität dieser beiden Rechner ist schwindelerregend. Sie können mehr als eine Trillion Berechnungen pro Sekunde durchführen.

Vielversprechend klingt auch das Vorhaben von europäischen KI-Start-Ups, einen dauerhaften Zugang zu europäischen Hochleistungsrechenkapazitäten zu ermöglichen, sodass diese ihre Modelle trainieren können. Auf diese Weise sollen KI-Innovationen gefördert werden und die Abhängigkeit bezüglich Datensätzen aus anderen Nationen verringert werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schiene unter Druck: Expertenrunde soll Bahnverkehr stabilisieren
06.12.2025

Wegen anhaltender Probleme im Zugverkehr arbeitet eine neue Taskforce an kurzfristigen Lösungen für mehr Pünktlichkeit und Stabilität...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs schließt über 24.000 Punkten: Erholung geht am Freitag weiter
05.12.2025

Der deutsche Aktienmarkt legt zum Wochenschluss spürbar zu und der Dax überschreitet eine wichtige Schwelle. Doch der Blick richtet sich...