Die Schockwellen treffen Deutschland an einer schmerzhaften Achillesferse. Erst das Heizungsdrama im Hause Habeck, Palmöl-Betrug und nun auch noch CO2-Betrug am Autofahrer - der Glaube an die Energiewende ist nachhaltig erschüttert.
Es war das Umweltbundesamt in Dessau, das mit der Auswahl der Projekte, gewissermaßen als Bürge für den arglosen Verbraucher auftrat. Beim ADAC, als maßgeblicher Interessenvertreter der deutschen Autofahrer, spricht man von „Fassungslosigkeit“, dass die Bundesbehörde blindlings Potemkinsche Dörfer unterstützt hat. Es heißt, von 75 Vorhaben allein in China sei nur ein einziges unverdächtig.
Nennenswerte Kontrollen oder Checks der Umweltprojekte haben offenkundig nie stattgefunden. Nicht mal für eine Rechtfertigung reicht es im Bundesumweltamt, das in der politischen Verantwortung der grünen Ministerin Steffi Lemke untersteht. Die Verantwortlichen haben schlicht gepennt oder sich vorführen lassen von den schönen Fassaden. Erst investigative Anstrengungen haben den Skandal jetzt publik gemacht. Im Kern ging es um Klimaschutz-Auflagen für die Mineralölkonzerne – die Treibhausgas-Minderungsquote (THG-Quote), die Autofahrer und Landwirte beim Tanken entrichten, ohne sich dessen so wirklich bewusst zu sein. Generell kann man sagen: Tankstellen werden gezwungen, die durch das Tanken von Benzin und Diesel verbrachten CO2-Emissionen andernorts mit Abgaben zu kompensieren.
Gelddruckmaschine - und mangelnde Kontrolle
Dabei oblag es der Bundesregierung, die sogenannten Minderungsquoten festzulegen. Allein auf den Verkauf von Biosprit zu setzen, war deshalb für die Mineralölwirtschaft nicht mehr hinreichend. Zur festen Größe ist für die Branche damit die Upstream Emission Reduction (UER). geworden, die einige findige Betrüger offenkundig nun als schwer zu kontrollierende Gelddruckmaschine ausgenutzt haben.
„Was die Dimension angeht: Es handelt sich nicht um Peanuts, sondern um eine Milliardenschaden“, ordnet der CDU-Umweltexperte Christian Hirte die Nachrichtenlage ein. Mit den deutschen Abgaben unterstützte Umweltprojekte zur Einsparung von CO2 im Ausland waren schlicht nur vorgetäuscht - die meisten der Vorhaben seien dabei in China aufgesetzt worden. Entsprechende Zertifikate waren entweder gefälscht oder auch gar nicht vorhanden. So handelte es sich unter anderen um ein Klimaschutzprojekt im westlichen China – de facto war es jedoch nur ein Hühnerstall, für den 80 Millionen Euro bereitgestellt worden sind. Erst die Recherchen deutscher Bioenergie-Firmen und eines Whistleblowers aus der Uiguren-Provinz hätten den Betrug offenbart. Das ZDF berichtete darüber diese Woche ausführlich in seinem Magazin „Frontal“.
Experten des „Hauptstadtbüro Bioenergie“ als Interessenvertretung der Branche in Deutschland halten es für möglich, dass sämtliche fragwürdigen Projekte deutsche Verbraucher „bis zu 4, 5 Milliarden Euro Schaden“ zugefügt hatten. Das Umweltbundesamt habe angeblich schon länger von den Verdachtsfällen gewusst, heißt es. Freilich erst im Mai entschieden, Staatsanwaltschaft und Auswärtiges Amt in Kenntnis zu setzen. Nun geht es darum, mit chinesischer Amtshilfe den Sachverhalt aufzuklären. Ob das erfolgreich sein wird, daran haben viele Experten ernsthaft Zweifel.
Schon in der Vergangenheit habe Peking zumeist abgeblockt, wenn es um die Überprüfung „grüner“ Kraftstoffe geht, die aus China auf dem Weltmarkt gelangt sind. Amtspersonen haben in China gar nicht die Möglichkeit, selbst nur in Stichproben Angaben zu überprüfen – zumeist werde ihn überhaupt kein Zugang gewährt. Häufig ist das klangvolle Etikett „klimaneutral“ deshalb nur eine Behauptung und Chimäre - die auf Grundlage von Zertifikaten abgerechnet wurden. Das den Chinesen mit einer gewissen Naivität entgegengebrachte Vertrauen ist durch die Vorgänge fundamental erschüttert. Wer die wahren Hintermänner sind, ist unklar.
Vertrauensverlust in die Kontrollsysteme
„Es gibt einen erheblichen Vertrauensverlust in die Kontrollsysteme“, sagt Detlef Evers vom Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe und legt damit den Finger in die Wunde. Ohne, dass unsere Behörden für Transparenz sorgen, könne man die erhoffte Energiewende vergessen. Im Umweltbundesamt räumt man zaghaft ein, dass es sich „womöglich um ein Betrugsgeflecht handelt“. sagt der UBA-Präsident Dirk Messner. Einige Projekte habe man noch gestoppt. Sich ein genaues Bild zu verschaffen, das könne man sich von Dessau aus allerdings nicht machen.
Stutzig gemacht hat die Mitarbeiter im Haus, dass die Zertifizierungen immer wieder von denselben Gutachterbüros in Deutschland abgestempelt worden sind. Mineralölfirmen wie Shell stellen die vorgebliche „intensive Prüfung“ durch das Bundesumweltamt schlichtweg infrage. „Wir wurden zu keinem der Upstream-Emission-Reduction-Projekte im Rahmen der Nachprüfungen angefragt“, hieß es bei Shell. Wie weit der Skandal noch reicht, und wer in Deutschland mit von der Partie war oder die Masche ausgeheckt hat, die Aufklärung steht es erst am Anfang. Der größte Schaden ist der Vertrauensverlust – die Energiewende könnte bei den Bürgern um Jahre zurückgeworfen worden sein.