Politik

Chaos bei Afghanistan-Abzug: Ampel-Vertreter für bessere Koordinierung

Kritiker werfen dem BND vor, die Lage in Afghanistan 2021 falsch eingeschätzt zu haben. Eine Ex-Vizepräsidentin des Dienstes räumt ein: Man habe das Tempo der Entwicklung nicht korrekt vorhergesagt.
07.07.2024 10:25
Aktualisiert: 07.07.2024 10:45
Lesezeit: 2 min
Chaos bei Afghanistan-Abzug: Ampel-Vertreter für bessere Koordinierung
Chaotischer Abzug: Menschen stehen auf dem Rollfeld während ihrer Evakuierung am Hamid Karzai International Airport in Afghanistan. (Foto: dpa) Foto: U.S. Marines

Angesichts chaotischer Zustände bei der Evakuierung aus Afghanistan durch die Bundeswehr 2021 fordern Vertreter der Ampel-Fraktionen für ähnliche Krisen eine bessere Koordination innerhalb der Regierung. Es sei notwendig, „klare Verantwortlichkeiten zu definieren, wer am Ende diese Konflikte, die immer zwischen den einzelnen Ressorts vorhanden sind, auflöst“, forderte der SPD-Obmann im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Jörg Nürnberger.

Er äußerte sich am Rande der Vernehmung der früheren Vizepräsidentin des Bundesnachrichtendienstes (BND), Tania von Uslar-Gleichen, in Berlin. Das Kanzleramt „wäre die natürliche Autorität, die am Ende solche Konflikte auflösen können sollte“, fügte er hinzu. Auch der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes, Bruno Kahl, soll noch von den Abgeordneten vernommen werden.

Vorwurf gegen BND: Lage in Kabul falsch eingeschätzt

Der Ausschuss soll Entscheidungen rund um den Abzug der Bundeswehr und die Evakuierungsmission im August 2021 aufklären. Die Bundeswehr hatte Afghanistan im Juni 2021 schneller als geplant verlassen. Sie folgte zeitlichen Vorgaben der USA. Im August 2021, als die Taliban nach einer Blitzoffensive im Land die Hauptstadt Kabul praktisch ohne Gegenwehr einnahmen, beteiligte sich Deutschland an einem internationalen militärischen Evakuierungseinsatz. Es kam zu chaotischen Zuständen und gefährlichen Situationen rund um den Flughafen. Dem BND wird vorgeworfen, die Lage falsch eingeschätzt zu haben.

Grüne: Kommunikationsprobleme zwischen BND und Politik

Grünen-Obfrau Sara Nanni erklärte, der Eindruck verstärke sich, dass das Erkenntnisaufkommen auf der untersten Ebene beim BND sehr gut gewesen sei. Aber: „Je weiter die Analyse nach oben gebracht wird, desto unkonkreter, unschärfer und dadurch auch das Problem etwas kleinredender wird sie.“ Es habe auch Kommunikationsprobleme zwischen Nachrichtendienst und Politik gegeben.

FDP fordert Nationalen Sicherheitsrat

FDP-Obfrau Ann-Veruschka Jurisch sagte, das Ressortprinzip stoße in Krisen an seine Grenzen. «Deswegen brauchen wir einen Nationalen Sicherheitsrat», forderte sie. Auch Unions-Obmann Thomas Röwekamp (CDU) kritisierte eine fehlerhafte Einschätzung der Lage durch den BND. Man könne aber nicht sagen, dass operativ gravierende Fehler gemacht worden seien. "Am Ende reden wir über Einschätzung, über Lagesplitter und Einschätzungen und die sind am Ende fehlerhaft getroffen worden.“

Ex-BND-Vizepräsidentin: Geschwindigkeit der Entwicklung unterschätzt

Die damalige BND-Vizepräsidentin Tania von Uslar-Gleichen sagte in ihrer Vernehmung, die Prognose des BND zur wahrscheinlichsten Entwicklung Afghanistans – nämlich der in Richtung eines islamischen Emirats – sei grundsätzlich gut gewesen. Dies gelte aber nicht für die „unglaubliche Geschwindigkeit“.

Die USA hätten damals zugesichert, Kabul nicht vor dem 11. September zu verlassen, sagte Uslar-Gleichen. Sie habe sich damals auch nicht vorstellen können, dass die USA den Taliban einen derart symbolischen Sieg und Prestigegewinn gönnen würden, dass deren Fahne an diesem Tag über der US-Botschaft wehen werde. Sie habe sich aber getäuscht.

Am 11. September 2001 hatte das islamistische Terrornetzwerk Al-Kaida unter anderem das World Trade Center in New York angegriffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Porsche-Aktie in der Analyse: Wenn der Mythos wankt und die Rendite schmilzt
29.10.2025

Porsche schreibt fast eine Milliarde Euro Verlust – und das mitten im Strukturwandel. Der Sportwagenhersteller kämpft mit schwachen...

DWN
Panorama
Panorama Digitale Krankmeldung und eAU: Rechte, Pflichten und Grenzen im Krankheitsfall
29.10.2025

Wer sich krankmeldet, steht oft vor Fragen: Wann muss ich Bescheid sagen? Was darf ich trotz Krankschreibung tun? Und welche Fehler können...

DWN
Politik
Politik Science Europe-Chefin: Wir können Trump nicht ändern, aber wir können unser Handeln ändern
29.10.2025

Datensperren in den USA, restriktive Regeln in China. „Science Europe“ fordert einen Kurswechsel. Europa muss seine technologische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chipmangel in der deutschen Industrie verschärft sich: Wo die Ursachen liegen und warum die Folgen dramatisch sind
29.10.2025

Der zunehmende Chipmangel trifft Deutschlands Industrie empfindlich. Steigende Engpässe, geopolitische Spannungen und die Abhängigkeit...

DWN
Finanzen
Finanzen Mercedes-Benz-Aktie trotzt Gewinneinbruch: Anleger reagieren positiv auf Quartalszahlen
29.10.2025

Die Mercedes-Benz-Aktie überrascht trotz massiver Gewinnrückgänge mit steigenden Kursen. Der Autobauer kämpft mit Absatzflauten,...

DWN
Finanzen
Finanzen BASF-Aktie legt zu: Quartalszahlen besser als erwartet – neues Aktienrückkaufprogramm
29.10.2025

Die BASF-Aktie zeigt überraschende Stärke – trotz schwacher Nachfrage und globaler Unsicherheiten. Positive Quartalszahlen und ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Bank-Aktie profitiert von starken Quartalszahlen – Erträge und Gewinne über Erwartungen
29.10.2025

Die Deutsche Bank-Aktie glänzt nach starken Quartalszahlen – doch kann das Institut den Erfolg auch langfristig sichern? Rekordgewinne,...

DWN
Panorama
Panorama Aktivrente: Warum viele Ältere weiterarbeiten wollen
29.10.2025

Immer mehr ältere Menschen wollen auch im Ruhestand nicht auf Arbeit verzichten. Viele Rentner bleiben beruflich aktiv – aus Freude,...