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Goodbye Germany: Abbau und Abwanderung der deutschen Wirtschaft

Lesezeit: 5 min
15.08.2024 08:30  Aktualisiert: 01.01.2030 11:00
Aufgrund der hohen Energiekosten und schlechter politischen Rahmenbedingungen baut die deutsche Industrie weiter Personal und Standorte ab: Zahlreiche Firmen schließen oder verlagern ihre Produktion ins Ausland. Die Politik macht derweil Sommerpause und der heimische Unternehmer erstickt weiter in horrenden Energiekosten oder im Bürokratie-Wirrwarr!
Goodbye Germany: Abbau und Abwanderung der deutschen Wirtschaft
Abwanderung der deutschen Wirtschaft: Energie- und Klimapolitik führen zu Wettbewerbsverzerrungen mit gravierenden Auswirkungen auf den Standort Deutschland. (Foto: dpa)

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Viele Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, auf Entlastungen zu warten - und ziehen betriebswirtschaftliche Konsequenzen: Stellenabbau, Schließungen oder Standortverlagerungen bzw. Abwanderung ins Ausland. Die Unzufriedenheit der Wirtschaft aufgrund schlechter Rahmenbedingungen legen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamts offen:

In einer Umfrage im Frühjahr 2024 gaben 60 Prozent der deutschen Unternehmer die hohen Energie- und Rohstoffpreise als Hauptgrund an, gefolgt von den schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mit 57 Prozent.

Die Folge: Jede sechste Firma wandert ab

Immer mehr deutsche Unternehmen wollen aus Sorge um ihre Wettbewerbsfähigkeit abwandern. Diese Entwicklung hat sich lange angekündigt und passiert nicht plötzlich: Bereits 2023 warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor Firmenabwanderungen wegen hoher Steuern und der Bürokratie. Ein Lagebild des industriellen Mittelstandes bestätigte, dass auf aufgrund schlechter Standortbedingungen jeder sechste Industriebetrieb in Teilen aus Deutschland abwandert.

In einer BDI-Umfrage von 2023 gaben 30 Prozent der befragten Mittelstandsunternehmen an, Teile der Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland verlagern zu wollen. Weitere 16 Prozent sind aktiv dabei und 15 Prozent haben die Produktion in Deutschland bereits gedrosselt oder unterbrochen. Das sind doppelt so viele Firmen, wie noch im Februar 2022. BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagt dazu: „Für die Situation am Industriestandort Deutschland gibt es keine Entwarnung.“

Die größten Herausforderungen sah die Mehrzahl der Unternehmen auch schon 2023 in den Arbeitskosten, dem Fachkräftemangel und zu hohen Energie- und Rohstoffpreisen. Davon bemängelten 37 Prozent der industriellen Mittelständler den hohen bürokratischen Aufwand und langwierige Genehmigungsverfahren, weitere 25 Prozent beklagten die Infrastrukturschwäche, vor allem in den Bereichen Verkehr, Digitales und Energie.

Bürokratie und Steuern führen zur Abwanderung

„Die Industrie benötigt für mehr Investitionen einen spürbaren Bürokratieabbau sowie gezielte Steuersenkungen“, fordert BDI-Präsident Russwurm. „Die Politik sei in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen am Standort zu verbessern. Konkret müsse der Industriestrompreis dringend verlässlich und dauerhaft auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken, da sonst die Transformation in der Industrie zu scheitern droht.“

Zur Erstellung des Lagebildes im Mittelstand hat der BDI im April und Mai 2023 rund 400 Unternehmen befragt.

DIHK warnt vor „schleichender Abwanderung“

Damit kommt der BDI zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK), dessen Außenwirtschaftschefs Volker Treier zuletzt vor einer „schleichenden Abwanderung“ deutscher Unternehmen warnte. Laut einer DIHK-Umfrage aus dem April 2023 wollen 32 Prozent der deutschen Unternehmen, die Investitionen im Ausland tätigen, dadurch Kosten sparen. Das ist der höchste Wert seit 15 Jahren und geht vor allem auf die hohen Bürokratie- und Energiekosten sowie die hohe Steuerbelastung in Deutschland zurück.

Zudem locken derzeit vor allem die USA und China mit Subventionen, um Zukunftstechnologien und Industrie an ihren Heimatmärkten anzusiedeln. Laut DIHK-Experte Treier seien hier vor allem die deutschen Automobilzulieferer betroffen. Diese lösten ihre Produktion in Deutschland auf und wanderten in den Süden der USA ab.

Ausblick: Weitere Unternehmen wandern ab

Der Abwanderungstrend setzt sich fort: Auch immer mehr deutsche Traditionsunternehmen planen aus Kostengründen die Heimat zu verlassen.

Der Hausgeräte-Hersteller Miele wird in Deutschland etwa 1.300 Arbeitsplätze abbauen. Betroffen ist vor allem die Zentrale in Gütersloh. Zusätzlich sollen dort 700 Stellen aus der Waschmaschinenproduktion nach Polen ausgelagert werden. Miele spart so zahlreiche Stellen in Gütersloh ein, baut aber sein Werk in Polen weiter aus. Hört sich paradox an. Doch mit einem solchen Vorgehen steht der Konzern nicht allein da.

Der Autohersteller Porsche wird seine neue Produktionsstätte offenbar doch nicht in Deutschland errichten. Nach Informationen der FAZ könnten vor allem die Subventionen den Ausschlag gegen einen Standort in Baden-Württemberg geben. Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass Nordamerika wohl bereit wäre, Porsche mit fast zwei Milliarden Euro unterstützen. In Deutschland könnte der Autohersteller eine Förderung zwischen 700 und 800 Millionen Euro erhalten.

Und auch der Reinigungsgerätehersteller Kärcher plant wohl einen Umzug, allerdings nicht im Hauptkonzern. Laut übereinstimmenden Medienberichten plant der rechtlich selbstständige Geschäftsbereich Kärcher Municipal, Arbeitsplätze von Reutlingen nach Lettland zu verlagern. Betroffen sind rund ein Viertel der Stellen des Spezialfahrzeugherstellers. Die Unternehmensgruppe erwirtschaftet den Großteil des Umsatzes aber außerhalb Deutschlands. „Das Familienunternehmen mit Stammsitz in Winnenden erwirtschaftet inzwischen 86 Prozent seines Umsatzes im Ausland“, heißt es in einer Pressemitteilung zur Jahresbilanz.

Neben Miele, Porsche und Kärcher planen weitere namhafte Unternehmen wie Continental, Viessmann, Bosch, Stihl und ZF Friedrichshafen ihre Fertigungen ganz oder teilweise nach Osteuropa oder Amerika verlagern wollen. Und damit raus aus Deutschland.

Deutsche Familienunternehmen investieren im Ausland

Osteuropäische Länder wie Polen oder Rumänien sind mittlerweile begehrte Standorte mit bezahlbaren Produktionsbedingungen, ebenso China und Nordamerika, die mit attraktiven Subventionsangeboten locken. Gerade Amerika hat für deutsche Unternehmen an Attraktivität gewonnen, auch weil die US-Regierung mit dem Inflation Reduction Act (IRA) ein Subventionsprogramm in dreistelliger Milliardenhöhe aufgelegt hat.

Nach einer Umfrage im Oktober 2023 der „Familienunternehmer“ gaben 34 Prozent an, ihre Investitionen in Deutschland in den nächsten fünf Jahren zu senken. Dafür stehen die USA, Polen, Indien und China bei den Investitionsplänen der Unternehmen ganz oben.

Als Grund für die Verlagerung nannten sie an erster Stelle „Erschließung neuer Märkte“ (21 Prozent), gleich danach aber „weniger staatliche Regulierung“ am Auslandsstandort (19 Prozent), und zwar noch vor „Senkung der Lohnkosten“ oder „niedrigere Energiekosten“ und weit vor „attraktiveres Subventionsumfeld“. Eine Verlagerung zurück nach Deutschland planten nur 2 Prozent.

Prof. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, wertet aus: „Die Bürokratie treibt die Familienunternehmen ins Ausland. Ihnen kommt das Vertrauen in den Standort gerade abhanden. Dabei konnte sich die Politik auf ihre Treue stets verlassen. Nun blicken sie vor allem nach Amerika.“

Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage unter 1.200 Familienunternehmen. Die Daten wurden vom ifo Institut in München im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erhoben und ausgewertet. Grundlage ist die gemeinsame Datenbank FamData.

Verfehlte Wirtschaftspolitik wird zum Standortproblem

Die Ursache für das sinkende Vertrauen der deutschen Familienunternehmen sieht Kirchdörfer in einer verfehlten Wirtschaftspolitik. Die Ampelregierung, aber auch die große Koalition, hätten keine Wirtschaftsreformen mehr durchgeführt. „Zu kurz kommen Investitionen in Bildung und Infrastruktur, dafür wächst der Sozialetat immer stärker“, erklärte der Vorstand der Stiftung.

Mit der Einschätzung steht Kirchdörfers Stiftung nicht allein da: Die Zufriedenheit der Familienunternehmen mit der Bundesregierung ist derzeit mehr als schlecht. Bei einer Umfrage des Verbands „Die Familienunternehmen“ gaben 69 Prozent der Befragten an, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland verschlechtert habe. Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann kritisierte: „Zweieinhalb Jahre Ampelregierung haben wirtschaftspolitisch ihre Spuren hinterlassen.“

Standort Deutschland – akut versetzungsgefährdet

Es sind nicht allein die schwache Konjunktur, die hohen Energiekosten oder der Fachkräftemangel, die Familienunternehmen davon abhält, in Deutschland zu investieren. In erster Linie ist es die Regulierungsdichte: überbordende Bürokratie vertreibt Innovationen und Unternehmertum!

Die Regierung ist in der Pflicht zu handeln und für Entlastungen zu sorgen. Das Bürokratieentlastungsgesetz muss dringend auf den Weg gebracht werden, um die angekündigte „Wirtschaftswende“ zu realisieren - mit massiven und beschleunigten Investitionen, Steuersenkungen und ein Brückenstrompreis für Planungssicherheit. All das sind Anreize für Unternehmen, um den Wirtschaftsmotor wieder zu starten und so den Rückzug aus der Heimat zu stoppen.

 

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.



 

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