Im Süden Zyperns räkeln sich Touristen an sandigen Stränden vor türkisblauem Wasser in der Sonne. In der türkisch besetzten Nordhälfte der Insel gibt es deutlich weniger Fremdenverkehr und die Bevölkerung ächzt unter einer Wirtschaftskrise. Dazwischen liegt eine Pufferzone, ein Niemandsland, in dem UN-Blauhelme von der West- bis zur Ostküste patrouillieren.
Seit nunmehr fünf Jahrzehnten ist die drittgrößte Mittelmeerinsel de facto geteilt. Ihre Einwohner leiden darunter, doch am 50. Jahrestag der türkischen Intervention, mit der am 20. Juli 1974 die Spaltung eingeleitet wurde, scheint sich die Welt mit dem Zustand abgefunden zu haben.
Der Konflikt
Auf Zypern leben heute rund 1,2 Millionen Menschen in zwei Volksgruppen: rund 900.000 griechische Zyprer im Süden und rund 300.000 türkische Zyprer im Norden. Das Verhältnis zwischen ihnen war bereits vor 1960 angespannt, als die Insel noch britische Kronkolonie war. Auch nach dem Abzug der Briten und der darauffolgenden Unabhängigkeit und Demokratie kam man sich nicht näher – gegenüber den prosperierenden griechischen Zyprern fühlte sich die türkische Minderheit als Menschen zweiter Klasse. Am 15. Juli 1974 schließlich wollten sich nationalistische griechische Zyprer der damals herrschenden Diktatur in Athen anschließen und putschten den zyprischen Präsidenten aus dem Amt.
Fünf Tage später landeten türkische Truppen im Norden der Insel, um die türkisch-zyprische Volksgruppe vor den Putschisten zu schützen. Laut Verfassung waren die Türkei, Griechenland und Großbritannien die Garantiemächte der Insel - es stand ihnen zu, einzugreifen, sollte die Verfassung gefährdet oder verletzt werden.
Die Regierung in Ankara spricht deshalb bis heute von einer "Friedensoperation für Zypern". Allerdings zog das türkische Militär auch dann nicht ab, als nur wenige Tage nach dem Putsch die Demokratie wieder hergestellt wurde. Vorgeblich, um die türkisch-zyprische Volksgruppe zu schützen, aber vor allem auch wegen der strategischen Bedeutung der Insel. Stattdessen besetzte das Militär nach gescheiterten Verhandlungen rund 37 Prozent der Fläche. Am 16. August 1974 schließlich vermittelte die UN einen Waffenstillstand. Seither besteht die faktische Teilung Zyperns.
Der aktuelle Stand
In den vergangenen Jahren haben sich die Fronten weiter verhärtet. Hintergrund sind unter anderem Streitigkeiten zwischen der Türkei, Zypern und auch Griechenland um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Aus Ankara und seitens der türkischen Zyprer heißt es nun, nach 50 Jahren erfolgloser Verhandlungen könne es nur noch eine Zwei-Staaten-Lösung geben. Das aber lehnen sowohl Nikosia als auch die UN und die EU strikt ab. "Wir diskutieren unter keinen Umständen über eine Zwei-Staaten-Lösung", sagt der zyprische Präsident Nikos Christodoulidis der Deutschen Presse-Agentur. Stattdessen werde man "jeden Verhandlungsspielraum ausschöpfen, um die Tatsachen der Besatzung umzukehren und unser Heimatland zu befreien und wieder zu vereinen".
Und so mögen viele an den traumhaften Stränden Zyperns urlauben, für die Bewohner der Insel aber ist und bleibt die Situation ein Alptraum. Weiterhin wird nach vermissten Familienmitgliedern gesucht, bleiben Besitzverhältnisse von Häusern und Grundstücken ungeklärt und zieht sich die Pufferzone wie eine gewaltige Narbe über die Insel.
Diese komplizierte Gemengelage wird auch am 20. Juli wieder zu beobachten sein. Im Norden der Insel wird gefeiert, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will zu den Festivitäten kommen. Im Süden, wo der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erwartet wird, gilt das Datum als Tag der Trennung und Trauer.
Der Alltag
Die De-facto-Teilung Zyperns ist 50 Jahre her, doch die Wunden sind noch längst nicht verheilt – schon gar nicht in Nikosia, der letzten geteilten Hauptstadt der Welt. Wer durch die engen Straßen der Altstadt zieht, endet immer wieder vor Sackgassen, vor Barrikaden aus Stacheldraht und mit Zement gefüllten Stahltonnen. Oft steht ein kleines Wachhaus des Militärs daneben.
Beim Übergang vom Süden in den Norden der Insel und umgekehrt muss der Pass vorgezeigt werden, und längst nicht jeder erhält Zutritt. Bis heute arbeiten griechisch- und türkisch-zyprische Forensiker daran, verscharrte Opfer des blutigen Konflikts auf Zypern vor 50 Jahren zu finden und zu identifizieren. Sie wollen den Angehörigen eine würdevolle Beisetzung der bis dahin Vermissten zu ermöglichen.
Internationale Bemühungen
Die UN haben über die Jahrzehnte zahlreiche Anläufe unternommen, beide Seiten zusammenzubringen. Ziel war ein föderales System wie das der Bundesländer in Deutschland. 2004 war es fast so weit: 65 Prozent der türkischen Zyprer stimmten für eine Vereinigung beider Inselteile. In letzter Sekunde wendeten sich jedoch die griechischen Zyprer mit mehr als 75 Prozent dagegen, weil Ankara sein Militär nur schrittweise und nicht sofort vollständig abziehen wollte.
Alle weiteren Versuche scheiterten kläglich: Die türkischen Zyprer fürchteten, in solch einem System als Minderheit behandelt zu werden. Vor der Militärpräsenz wiederum fürchteten sich die griechischen Zyprer. So existierte die Türkische Republik Nordzypern (KKTC) weiter, die bereits 1983 proklamiert wurde und bislang weltweit nur von der Türkei anerkannt wird. Noch dazu wurde Zypern dann auf Drängen Griechenlands von der EU aufgenommen. De jure ist die gesamte Insel seither EU-Mitglied, das EU-Recht wird jedoch nur im Südteil angewandt.