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Energiewende gescheitert: Mit Wissenschaftsberatung in die Irre geführt?

Lesezeit: 9 min
30.07.2024 15:43  Aktualisiert: 01.08.2024 06:03
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Deutschland bereits bis zum Jahr 2030 zu 80 Prozent auf erneuerbare Energien umstellen kann. Die renommierte Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist zwar optimistisch, doch eine aktuelle Studie von DWN-Gastautor Artur Redeker zeigt: Selbst bei optimalem Ausbau wird dieses Ziel verfehlt - und die Energiewende steht auf wackligen Beinen.
Energiewende gescheitert: Mit Wissenschaftsberatung in die Irre geführt?
Es fehlt an entscheidenden technischen Lösungen und realistischen Planungen, um eine stabile, kosteneffiziente Energieversorgung zu gewährleisten (Foto: iStock.com, F. Doerschem).

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Einleitung mit einem Irrtum

„Man kann sehr schnell sein, wenn man die erneuerbaren Energien möglichst zeitnah zubaut. Ganz sicher ist es möglich, eine Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 zu erreichen.“

Dieses Zitat der Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin e.V. zeigt eine weit verbreitete Haltung in der Politik, die sich auch in der aktuellen Energiewendeplanung widerspiegelt.

So wie sie derzeit geplant ist, kann sie ihre Ziele aber nicht erreichen. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung des Autors, die kürzlich bei Frontiers in Energy Research, Lausanne veröffentlicht wurde. Näheres dazu am Schluß.

Es geht dabei nicht um den verspäteten Ausbau von Solarpanels, Windrädern und Leitungsnetz. Deutschland wird die Ziele Erneuerbarer Energien (EE) auch dann verfehlen, wenn das Geplante zeitig aufgestellt wird. Die Zielkalkulationen des Wirtschaftsministeriums gehen von denselben falschen Voraussetzungen aus, denen auch ein Politikberatungs-Dokument des DIW unterliegt.

Bevor darauf näher eingegangen wird, schauen wir auf einige andere Aspekte, die den Erfolg unabhängig davon vereiteln werden, wenn wir sie weiter so sträflich vernachlässigen wie bisher.

Die wirklich wichtigen Dinge sind nicht im Blick

„Kunst kommt von Können, wenn es von Wollen käme, hieße es Wunst“ hat Karl Valentin schon gesagt. Einen großen Flughafen in Zeit und Budget zu bauen, ist möglich, aber man muss es können. Als die Politiker entschieden, Berlin-Brandenburg selbst zu bauen, war ihr Problem dasselbe wie das unserer Energiewendeplaner. Weil sie es nicht hören wollten, hatten sie keine Ahnung von dem, was sie alles nicht wussten. Die klassische Kombination von Ignoranz und Inkompetenz.

Die Energiewende hat noch eine zusätzliche Herausforderung. Wie ein Flughafen funktionieren soll, ist überall zu betrachten. Ein zu 100% auf erneuerbaren Quellen beruhendes Energiesystem hat noch kein Land der Welt, und viele begreifen erst jetzt, dass es nicht mit dem Tausch einer Sorte Erzeuger gegen eine andere getan ist. Erzeuger erneuerbarer Energien folgen nicht dem Bedarf der Stromkunden, sondern nur dem Wettergott und ihrem Hauptschalter. Von ihnen kommt stets zu wenig oder zu viel Leistung. Das künftige Stromnetz benötigt eine andere Systemtechnik, weil fossile Erzeuger, die wir loswerden wollen, regelbare Leistung haben, die die neuen nicht mitbringen, ohne die aber kein Netzbetrieb möglich ist.

Zur Lösung bieten sich verschiedene aussichtsreiche Technologien an. Welche sich davon am Ende als zuverlässig und wettbewerbsfähig erweisen, steht heute noch in den Sternen.

Obwohl dies keine Geheimnisse sind, lässt die Art der Planung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ihre Beachtung vermissen. Will man nicht riskieren, einer einzigen unreifen Technologie ausgeliefert zu sein, ist eine schrittweise Weiterentwicklung des Energiesystems mit Rückfallpositionen notwendig. Wer solche Risiken unbedacht eingeht, hat nicht verstanden, dass das Energiesystem das Herz einer Industrienation darstellt. Eingriffe sind möglich, aber nicht ohne lebenswichtige Funktionen zu erhalten.

Volkswirtschaftlich lebenswichtig sind die Steuern aus gewerblicher Tätigkeit, die am Ende auch jeden Krankenpfleger oder jede öffentliche Verwaltung finanzieren. Wenn Industrie und Gewerbe über den Marathon einer Energiewende nicht in jedem Jahr gute Gewinne machen und Steuern zahlen, gibt es nichts für Soziales und künftige Forschung zu verteilen. Ein wirtschaftlich absteigendes Deutschland wird keinen nennenswerten Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten, sondern seine Gesellschaft destabilisieren.

Rückfallpositionen wie lauffähige Kernkraftwerke ohne Not aus dem Betrieb zu nehmen, ist genauso fahrlässig wie der Abbau von Kohlekraftwerken ohne rechtzeitigen Ersatz gesicherter Kraftwerksleistung. Niemand, der klar im Kopf ist, entnimmt einem lebenserhaltenden System Teile, für die kein Backup bereitsteht.

Wo wir heute stehen

In einem Stromnetz müssen die Leistungen aus Erzeugung und Verbrauch stets im Gleichgewicht sein. Die Vorgabe erfolgt durch die Stromkunden, indem sie ihre Verbraucher ein- und ausschalten. Kraftwerke und Netzbetreiber müssen durch Regelung von Turbogeneratoren in jeder Sekunde für die richtige Erzeugung sorgen und stetig nachregeln, wenn Änderungen der Verbraucherleistung oder der EE-Erzeugung das Netzgleichgewicht wieder stören. Zu viel Erzeugung ist ebenso Gift wie zu wenig. Das heißt auch, dass bis heute keine Kilowattstunde EE ohne aktive Hilfe der Fossilkraftwerke ins Netz gelangt.

Welche Gewalten da balanciert werden, und was droht, wenn die außer Kontrolle geraten, kann ein einfacher Vergleich vermitteln. Das Rheinkraftwerk Iffezheim erzeugt seine Leistung von 150 Megawatt aus 1500 Tonnen Wasser pro Sekunde, die dort 11 Meter tief herabstürzen. Dagegen pendelt die Leistung im deutschen Netz im Tagesverlauf zwischen etwa 55 bis 75 Gigawatt (GW), also um das 300- bis 500-fache von Iffezheim.

Solange die Erzeugung aus EE klein genug war, konnte sie durch das klassische Stromsystem zu mäßigen Kosten integriert werden. Nach fast 30 Jahren ist sie aber nicht mehr klein. Das Verfahren ist in hohem Maße ausgereizt, weil die EE-Leistung zunehmend oft die Aufnahmegrenze des Netzes überschreitet, oberhalb der schlagartig andere Gesetze gelten. Schon heute kostet die Abregelung der nicht nutzbaren EE-Mengen mehrere Milliarden pro Jahr, Tendenz progressiv steigend. Weil aber im Gegensatz zu einem immer noch verbreiteten Glauben kein Turbinenkraftwerk durch EE-Erzeuger eingespart werden kann, bauen wir zunehmend eine Doppelstruktur auf, die ebenfalls den Strom teurer macht.

  • Wir sparen zwar bereits 50% der Brennstoffkosten, aber unter den Industriestaaten, mit denen wir im Wettbewerb stehen, haben wir dennoch einen der höchsten Strompreise. Die Zeit der preiswerten Integration erneuerbarer Energie liegt hinter uns, was noch kommt, wird teurer.
  • Für ein künftiges Stromsystem, das große EE-Anteile managen kann, haben wir bisher so gut wie nichts getan, außer dazu ungeeignete Erzeuger aufzustellen. Solange sich das nicht ändert, wird jeder zusätzliche Ausbau von Erzeugern einen immer geringeren energetischen Beitrag liefern, aber weiter zunehmende Kosten verursachen.

Allein daraus muss sich die Bundesregierung fragen, was den Optimismus rechtfertigt, dass demnächst die Zeiten billiger EE anbrechen.

DIW Politkempfehlung mit offensichtlichen Widersprüchen

Im DIW-Wochenbrief verweist Claudia Kemfert auf ein von ihr und mehreren Mitautoren verfasstes Papier mit dem Titel „DIW Politikberatung kompakt 167“. Es beschreibt Vorgaben zu einem Energiesystem, das „100% Erneuerbar und zur Vollversorgung Deutschlands geeignet“ sowie „technisch möglich, ökonomisch effizient und in kürzester Zeit machbar“ sei, wenn die Erzeuger schnell genug aufgestellt würden. Dies soll ohne Abstriche an Versorgungssicherheit funktionieren, was der grafische Erzeugungs-Zeitverlauf einer Januarwoche belegen soll, der als „Zeitpunkt geringster Erzeugung im Jahr“ benannt ist.

Details dieses Zeitverlaufs lassen vermuten, dass das DIW von einem falschen Bild der Verteilung erneuerbarer Energie im Jahresverlauf ausgeht. Man scheint zu glauben, dass tiefe Erzeugungslücken durch die Aufstellung vieler Erzeuger geschlossen werden können. Diese Widersprüche gaben Anlass, das Szenario genauer zu untersuchen, insbesondere das Thema Fluktuationen.

Untersuchungsziel und Verfahren

Ein Energiesystem wurde nach den Vorgaben des DIW simuliert, wobei auf die Versorgung mit EE-Erzeugungsverläufen Wert gelegt wurde, wie sie in Deutschland real vorkommen. Dazu wurden Erzeugungsdaten der Netzagentur aus einem Referenzjahr auf die künftigen Installationen hochgerechnet, inklusive erwartbarer technischer Fortschritte. Die Simulation betrachtet nur wesentliche physikalische Bedingungen, wie das Netzgleichgewicht. Motto: optimistisch für die Energiewend, es gibt keine Netzengpässe, jede Energie erreicht jeden Verbraucher verlustfrei, Speicher, Wasserstoffwandler und -turbinen sind mit Wirkungsgraden nach bestem Stand der Technik angenommen. Das Ergebnis wird daher besser sein als in der Realität möglich.

Die Studie begann Mitte 2022, als Referenz wurde das jüngste verfügbare Jahr 2021 ausgewählt. Das System wurde daher mit Erzeugungsverläufen aus erneuerbaren Energien geprüft, wie sie mit dem Wetter von 2021 aus den Installationen von 2040 folgen, bestehend aus 35.040 Viertelstundenwerten. Ebenso ist die Verbraucherkurve mit typischen täglichen und saisonalen Schwankungen auf das Szenario-Ziel hochgerechnet. Zur Einordnung des Referenzjahres 2021 wurde später dasselbe noch mit den Wetterjahren 2019, 2020 und 2022 gemacht.

Die Simulation macht im Viertelstundentakt das, was die Netzregelung des zukünftigen Stromsystems tun muss. Dem geforderten Verbrauch wird stets eine gleichgroße Erzeugung gegenübergestellt. Überschüsse werden gespeichert, fehlende erneuerbare Energie den Speichern entnommen. Letztere sind die vom DIW vorgegebene Kombination von elektrischem Speicher und Wasserstoffspeicherung mit Rückverstromung über Turbinen. Die Versorgung der Verbraucher ist so über das ganze Jahr gegeben. Wenn das DIW-System seine Ansprüche erfüllt, muss dessen Speicherstand am Jahresende gleich oder höher sein als zu Beginn.

Überraschende Resultate

Bereits vor der Simulation zeigte eine einfache Querprüfung der Jahressummen nach Erfahrungswerten, dass das DIW-Szenario erheblich unterversorgt ist. Dies trotz der Annahme, dass bis 2040 alle Windräder durch eine neue, höher bauende Generation mit besseren Auslastungsfaktoren ersetzt sind.

Eine Anfrage an das DIW wurde von einem der Autoren beantwortet, der zugab, dass man Wind an Land mit 3500h Vollaststunden für ganz Deutschland „vielleicht etwas optimistisch“ gerechnet habe. Eine starke Untertreibung, der Wert liegt tatsächlich um 40% höher als die Einschätzung einer Studie des Interessenverbandes der Windanlagenbetreiber.

Obwohl damit klar war, dass in der Simulation eine Unterversorgung herauskommen musste, löste das Ausmaß des Defizits zunächst Ungläubigkeit aus.

Nach planmäßiger Lieferung von Strom und Wasserstoff ergab die Jahresbilanz des DIW-Systems einen Fehlbetrag, der fast so groß war wie die gesamte Jahreserzeugung. Das war eher eine Energievernichtungsmaschine. Um Fehler im Untersuchungsverfahren auszuschließen, erfolgte ein sorgfältiges Review mit unabhängiger Beteiligung. Die genaue Verfolgung der Energieflüsse klärte den Verbleib aller Energiekomponenten und damit auch die Ursachen für das Versagen von „DIW Politikberatung 167“.

Die Vermutung, dass die DIW-Politikempfehlung von einem falschen Fluktuationsbild ausgeht, bestätigte sich. Wäre der in der Dunkelflaute gezeigte Leistungswert wirklich die „niedrigste Erzeugung im Jahr“, dürfte er nicht zu anderen Zeiten unterschritten werden. Eine statistische Analyse der Erzeugungsverläufe des DIW-Systems unter vier verschiedenen Wetterjahren (2019-2022) zeigte jedoch, dass dieser Wert in jedem der Jahre mehr als 100 Mal unterboten wird. Die Gesamtdauer der EE-Erzeugung unterhalb dieser Marke betrug im ertragsstärksten Jahr etwa drei Monate, im schwächsten sogar vier Monate. Die DIW-Simulationen haben daher nichts mit der Realität zu tun.

Die Ursachen für das Systemversagen in der Reihenfolge ihres Defizitbeitrags:

  1. Die Addition der Erzeugungsziele von 1070 Terawattstunden (TWh) für Strom und 139 TWh Wasserstoff zu 1209 TWh Gesamtbedarf ist falsch. Um diese Menge Gas (Brennwert) aus EE-Strom zu erzeugen, sind etwa 235 TWh aufzuwenden. Hier wurden 100 TWh zu wenig in das elektrische Versorgungsziel aufgenommen.
  2. Das Szenario ist an allen Stellen einseitig überoptimistisch. An der energetisch wichtigsten Stelle, dem Ertrag von „Wind an Land“, ist selbst für Fachleute verdeckt ein völlig überhöhter Auslastungswert angenommen worden. Hieraus erklären sich weitere 200 TWh.
  3. Der Löwenanteil von ca. 700 TWh resultiert aus den Verlusten aufgrund der nicht beachteten zeitlichen Verteilung der erneuerbaren Energien über Deutschland. Die große Anzahl von Perioden im Jahresverlauf, in denen Sonne und Wind gleichzeitig schwach sind, führt vorwiegend aufgrund von Speicherverlusten zu einer verheerenden Bilanz. Nahezu ein Drittel des Jahresverbrauchs kann nicht direkt von EE-Erzeugern erreicht werden.

Spannend wird es beim nahenden Meilenstein 2030

Nach diesen Ergebnissen war es naheliegend, auch das näherliegende 80%-Ziel für 2030 zu untersuchen. Es ist mit der EEG-Novelle 2023 in Kraft gesetzt worden und im gleichen Stil formuliert wie das DIW-Szenario. Der Strombedarf soll zur Versorgung von E-Mobilität und Heizungswärme auf 750 TWh ansteigen, von denen 80%, also 600 TWh, aus Erneuerbaren kommen sollen.

Die Fehler Nr. 2 und 3 des DIW-Szenarios sind auch hier gemacht worden. Die Abschätzung mit Nutzungsgraden kommt durchaus in die Nähe von 600 TWh, sieht aber keinerlei Reserven für Abregelung oder Speicherung vor. Genauso führt die Simulation mit natürlichen EE-Erzeugungsverläufen auch hier zu einer Zielverfehlung, statt bei 80% landet man nur bei 65% EE-Anteil.

Dramatischer zeigt der Gegen-Check, welche Installationen erforderlich sind, um den Anteil von 80% Erneuerbar im Verbrauch zu realisieren. Alles, was bis 2030 aufgestellt werden soll, müsste noch einmal um das 1,6-Fache gesteigert werden. Warum so viel? Weil ein progressiv wachsender Teil der zusätzlichen Erzeugung als nicht nutzbare Übermengen anfällt. Das Versagen der Energiewende ist in deutscher Gründlichkeit bereits fest im Gesetz verankert.

Fazit

Die Energiewende plant auf einer energetisch falschen Grundlage, bereits das Nahziel 2030 ist unerreichbar.

DIW Politikberatung 167 ist Irreführung von Entscheidungsträgern ohne wissenschaftliche Grundlage.

Wenn ein Drittel des Strombedarfes nicht direkt von Erneuerbaren erreicht wird und diese Menge über Wasserstoffspeicherung in die Bedarfszeiten verschoben werden soll, wird dafür etwa die Drei- bis Vierfache Menge benötigt. Das verdoppelt die Kosten allein aufgrund der erforderlichen Energiemenge, Kosten der zusätzlichen kapitalintensiven Doppelstrukturen aus Turbinen, Wasserstoffwandlern und Elektrospeichern nicht inklusive. Ein Blick auf die Kostenumlagen des Netzausbaus lässt erahnen, was da im Strompreis noch auf uns zukommt.

Die Energiewende wurde bisher als Projekt zum Austausch von Erzeugern betrachtet. Die kostenintensiven Herausforderungen liegen auf der Systemebene, wir haben sie noch komplett vor uns.

Dieser falsche Fokus ist bereits im EEG angelegt, das einseitig auf die Förderung von EE-Betreibern ausgerichtet ist. Ihre Subventionierung wird bis 2030 nahezu 500 Milliarden € an Betriebskostenzuschüsse für Erzeuger verschlungen haben, die allein nicht lebensfähig sind. Für ein funktionierendes Gesamtsystem liefert das EEG weder Anreiz noch Beiträge. Für solche Innovation ist eigentlich der Klimatransformationsfond (KTF) gedacht. Die Verwendung der leichtsinnig hineingemogelten Corona-Restbudgets wurde vom Verfassungsgericht unterbunden. Das politische Manöver, die jährlichen 25 Milliarden EEG-Umlage aus den Augen der Wähler in den KTF zu verschieben, hat dessen Lage erneut pervertiert, in dem man ihm mit den jährlichen konsumptiven Ausgaben des EEG die Zukunftsinvestitionen absaugt. Das EEG ist komplett außer Kontrolle.

Wenn sich EE-Erzeugung nach 25 Jahren und bald 400 Milliarden € Bezuschussung immer noch nicht ohne Subventionierung rechnet, wird billige EE unwahrscheinlich. Je länger wir dessen grundlegende Reform hinauszögern, umso schlimmer wird es, da es jedes Jahr neue Verbindlichkeiten mit 20-jähriger Laufzeit generiert.

Konsequenzen

Es braucht eine neue Klimastrategie. Wenn Deutschland zur Lösung des Klimaproblems beitragen will, darf es seine Wettbewerbsfähigkeit nicht aktiv zerstören. Gleichzeitig aus Kohle und Kernkraft auszusteigen grenzt an Selbstmord. Wir brechen Brücken nach hinten ab, ohne etwas Tragfähiges nach vorn zu haben. Bei klarem Verstand tut man so etwas nur, wenn man nichts mehr zu verlieren hat.

Eine verantwortungsvolle Regierung sollte genauer hinsehen, von wem sie sich beraten lässt. Die augenblickliche Energiewendestrategie ist naiv, weil sie einfache Maßstäbe klaren Denkens missachtet. Wirtschaftsgeschichte lehrt uns, dass viele geniale Erfinder von Beginn an gewusst haben, wie es im Prinzip gehen muss. Dennoch, kommen auf jeden Erfolgreichen unzählige Gescheiterte. Es gibt viele mögliche Wege, aber keinen guten Grund, warum es ausgerechnet der Plan eines ideologisch getriebenen und von aktivistischer Wissenschaft beratenen Staatssekretärs sein soll, der am Ende erfolgreich ist.

Die Erneuerbaren können ein wertvoller Baustein einer neuen Strategie sein, wenn sie so eingesetzt werden, dass ihre Integration erschwinglich bleibt. Andere Wege, auch CO2-Abscheidung von Kohlekraft, sollten wir ohne Vorbehalte prüfen. Es könnte zumindest eine Übergangstechnologie sein, die uns Zeit verschafft, um die Reifung eines neuen Systems zur Wirtschaftlichkeit durchzustehen. Auch eine neue Reaktorgeneration ideologisch zu verdammen, anstatt an ihrer Erforschung teilzunehmen, ist ein Luxus, den wir uns als Industrienation nicht erlauben dürfen. Die Diskussion muss vorbehaltlos geführt werden, bevor unsere Wirtschaft weiter nachhaltig beschädigt wird, ohne dabei globales CO2 einzusparen.

Das Hauptproblem ist global und unser Hebel kurz. Wir werden es nicht lösen, wenn wir uns ruinieren. Nur wenn es uns gelingt, etwas Bezahlbares mit Signalwirkung zu schaffen, das auch für diejenigen attraktiv ist, die sich in Paris zu nichts verpflichtet haben, leisten wir für das Klima und den Rest der Welt einen wertvollen Beitrag.

Mehr zur Studie: Hier der Link zur Veröffentlichung

„Why Germany’s Energiewende may fail to meet its goals“ wurde bei „Frontiers in Energy Research“, Lausanne einem Peer-Review unterzogen und publiziert. Die Veröffentlichung steht als sogenannter Open Access-Artikel zum Download bereit.

Neben dem Papier selbst sind alle Annahmen, Datenquellen, Algorithmen und Resultate ebenfalls herunter zu laden. Jeder, der es überprüfen oder auch widerlegen will, kann die Fakten der Veröffentlichung überprüfen.

                                                                            ***

Artur Redeker, Dr.-Ing., ist freier Unternehmensberater. Er war techn. Geschäftsführer von Aerodata Flugmesstechnik GmbH; Geschäftsführer von Navigations- und Flugführungssysteme GmbH; Vizepräsident von Fighter Aircraft MRO & Upgrade, EADS De­fense and Space; Geschäftsbereichsleiter von Technik und Zivilflugzeuge, RUAG Aerospace AG; Geschäftsführer von Rockwell Collins Deutschland GmbH. Heute arbeitet er für ArConsulting in Achern/BW.


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