Politik

Staatskanzlei, Kanzleramt, Bellevue? Die Alternativen für den Machtpolitiker Söder

Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten der Union begleitet CSU-Chef Söder, wohin er auch geht. Seine Chance auf den Karrieresprung wirkt eher klein. Gut, dass es noch andere Gerüchte um neue Posten gibt. Nur das mit dem Superminister in Berlin dürfte schwierig werden - unter Friedrich Merz.
12.08.2024 06:01
Lesezeit: 4 min
Staatskanzlei, Kanzleramt, Bellevue?  Die Alternativen für den Machtpolitiker Söder
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, wird auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU Sachsen in Dorfchemnitz von einer Besucherin für ein Selfie gebeten. (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Ernsthaft rechnet im Sommer 2024 auch in der CSU niemand mehr so richtig mit der Kanzlerkandidatur von Markus Söder. Mehr als drei Jahre nach dem für die Union verheerenden Machtkampf des Franken mit dem damaligen CDU-Chef Armin Laschet präsentiert sich die Stimmungslage bei Christsozialen und Christdemokraten deutlich klarer: Alles andere als die Kandidatur des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz wäre eine faustdicke Überraschung.

Das wissen sie auch in Söders engstem Umfeld. Trotzdem wäre es ein Fehler, die Frage als entschieden anzusehen. Mehr noch: In der gegenwärtigen Gerüchteküche in Berlin wie München geht es um viel mehr Posten als den des Bundeskanzlers. Es gibt auch noch andere einflussreiche oder repräsentative Posten neu zu besetzen. Doch könnte Söder als Bundespräsident überhaupt glücklich werden – und entspannt. Daran haben viele politische Beobachter ihre Zweifel.

Söder selbst sagt: „Kanzler oder Ministerpräsident“

„Es bleibt dabei: Kanzler oder Ministerpräsident“, fasst Söder die Situation aus seiner Sicht zusammen und sagt damit im Grunde sehr deutlich, dass er nicht freiwillig auf den größten Sprung seiner politischen Karriere verzichten will. Söder – und da sind sie sich in der CSU sicher – ist wie im April 2021 der festen Überzeugung, dass er der beste Kandidat wäre.

Gespeist wird die Meinung nicht nur durch sein enormes Selbstbewusstsein, sondern auch durch seine Umfrageergebnisse. Regelmäßig überflügelt er bei der Frage „Wen würden Sie direkt zum Bundeskanzler wählen“ den CDU-Chef und alle anderen Mitbewerber. In den USA hätte Söder mit seinen Werten die Kandidatur sicher, daran haben seine Getreuen keine Zweifel. Damit Söder (auch außerhalb Bayerns) auf dem Radar der Menschen bleibt, ist er nicht nur Döner essend in den sozialen Netzwerken aktiv – auch tanzend im Stockholmer ABBA-Museum oder singend bei Inas Nacht im Fernsehen generiert er fortlaufend Aufmerksamkeit.

„Gläserne Decke“ bremst Karrierepläne aus

Doch ähnlich wie die „gläserne Decke“ als unsichtbare Barriere die Karriere vieler Frauen ausbremst, spürt auch Söder (wie 2021), dass der eigene Wille, die eigene Überzeugung und eine große Zahl von Unterstützern nicht immer ausreichen. Nur wenn Merz als Chef der großen CDU Söder den Vortritt ließe, würde sich für ihn die Chance ergeben. Aber warum sollte Merz das machen? Wie groß dessen Macht- und Gestaltungswille ist, zeigt sich schon darin, dass er sich dreimal um den CDU-Chefposten beworben hat. Kein Wunder, dass Söder seine Chancen als „extremst unwahrscheinlich“ einschätzt.

Eine letzte Variable in der Gleichung sind die Landtagswahlen im Herbst in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Würde die CDU hier schlecht abschneiden, könnte dies die Rufe nach Markus Söder auch in Reihen der CDU wieder lauter werden lassen. Es gibt ihn immerhin, den Söder-Fanclub in der CDU.

Hat Söder noch Lust auf weitere Jahre als Ministerpräsident?

Was bleibt also für Söder? Weitere Jahre als Ministerpräsident in Bayern und CSU-Chef? Es gibt für Machtpolitiker sicher schlimmere Aussichten, doch wer Söder beobachtet, sieht auch, dass er nicht undankbar über eine neue Herausforderung wäre. In der CSU meinen einige Getreue, erkennen zu wollen, dass ihm verglichen mit der Zeit vor 2021 ein wenig die Euphorie für das Amt in der Staatskanzlei verloren gegangen ist. Zumindest an der Masse seiner Termine kann das aber definitiv nicht abgeleitet werden.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Söder – sollte die Union wieder in der Bundesregierung sein – mehr bundespolitischen Einfluss bekommt. Seit Monaten häufen sich die Themen, die er dann anpacken will – von der Rückabwicklung des Atomausstiegs über die Abschaffung von Bürgergeld und Ampel-Wahlrecht bis hin zu Steuersenkungen. Und auf landespolitischer Ebene würde es ihn auch sicher reizen, den in den vergangenen Jahren immer stärker gewordenen Freien Wähler wieder einige Prozentpunkte abzunehmen.

Söders Karriere ist an entscheidendem Punkt angekommen

Mit aktuell 57 Jahren ist Söder – so wird es auch in seinem Umfeld gesehen – in jedem Fall an einem entscheidenden Punkt seiner Karriere angekommen. Vor seinem 50. Geburtstag sprach der fleißige Franke gerne davon, dass bald die „Zeit der Ernte beginnt“. Nachdem er aber im Freistaat alles abgeerntet und gefühlt jedes Bierzelt mehrfach besucht hat, würde ihn ein politischer Karrieresprung zwangsläufig nach Berlin führen.

Super-Minister in Berlin unter Merz weckt Erinnerungen

Doch als Bundesminister, auch als Super-Minister, sieht sich Söder überhaupt nicht. „Für die CSU ist die Doppelrolle Ministerpräsident und Parteivorsitzender die stärkste Kombination“, betont er und erklärt, dass er auch als Wirtschafts- oder Finanzminister in Berlin „eindeutig“ nicht mehr Einfluss hätte. In der Tat ist es schwer vorstellbar, wie Söder im Kabinett unter einem Kanzler Merz agieren würde. Schon als bayerischer Minister unter Regierungschef Horst Seehofer hat Söder gelernt, dass zwei Alphatiere in einem Kabinett viel Ärger verursachen können. Ebenfalls problematisch: Das letzte Wort hätte dann immer Merz.

Exit-Option Bellevue?

Immer wieder geistert aber noch eine andere Exit-Option für Söder durch die Welt – und so kurios sie zunächst klingt und so viele Argumente auch dagegen sprechen – auch diese Idee hat schnell Anhänger gefunden: 2027 könnte er als Unionskandidat Bundespräsident werden und im Schloss Bellevue einziehen. Dass er dies auf jeden Fall ablehnen würde, sehen sie in seinem Umfeld nicht. Jedoch könne er dann keine gestaltende Politik eines Regierungschefs mehr machen, sondern habe nur noch die repräsentative „Macht der warmen Worte“.

Sein Amt als CSU-Chef müsste Söder dann auch aufgeben. Zudem müsste er sich – heißt es auch – möglicherweise bei Gesetzen, die er als Staatsoberhaupt unterschreiben müsse, zu oft auf die Zunge beißen, wolle er keinen Unionsstreit verursachen. Problematisch sei auch, dass er sich auf diese Zukunftsoption im aktuellen Machtpoker nicht verlassen kann. Merz ist weder gezwungen, Söder hier zu unterstützen noch kann irgendwer ihm garantieren, dass die Union bei der Wahl des Bundespräsidenten in der Bundesversammlung die nötigen Stimmen auch liefern kann. Es bleibt also spannend. Und das dürfte ganz in Söders Sinne sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...