Politik

Haushaltsstreit der Ampel-Koalition: Was steckt eigentlich dahinter?

In dieser Woche steht die Ampel-Koalition vor der Herausforderung, noch fünf Milliarden Euro für den Bundeshaushalt 2025 zu finden. Auf den ersten Blick scheint dies eine lösbare Aufgabe, doch der Haushaltsstreit in der Koalition ist längst tiefergehend.
13.08.2024 13:52
Aktualisiert: 13.08.2024 13:52
Lesezeit: 3 min
Haushaltsstreit der Ampel-Koalition: Was steckt eigentlich dahinter?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, rechts), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen, Mitte), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, nehmen an einer Pressekonferenz zum Haushaltsplan 2025 teil (Foto: dpa). Foto: Michael Kappeler

Die Uneinigkeit bleibt bestehen. Vor fünfeinhalb Wochen erklärten die drei Spitzenpolitiker der Ampel-Koalition, dass der Bundeshaushalt für das kommende Jahr feststeht. Doch inzwischen ist klar, dass nicht alles, was beschlossen wurde, funktioniert. Ein Finanzierungsloch von über fünf Milliarden Euro bleibt bestehen. Nun verhandeln Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Vizekanzler Robert Habeck erneut, dieses Mal nicht im Kanzleramt, sondern per Videoschaltung aus dem Urlaub. Telefondiplomatie im Ampel-Stil.

Es geht eigentlich um eine überschaubare Summe. Bei einem Gesamthaushalt von 480 Milliarden Euro wirken fünf Milliarden Euro eher gering. Doch in Wahrheit ist ein Großteil des Geldes durch gesetzliche Verpflichtungen gebunden, was den Spielraum für eigene Prioritäten reduziert. Der Haushaltsstreit der Ampel dreht sich aber längst um mehr als nur um den Etat 2025. Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung der Finanzpolitik zwischen Sparen und Schuldenmachen und auch darum, wer kurz vor der nächsten Bundestagswahl die Oberhand behält.

Besonders Scholz und Lindner, die zu Beginn der Regierungszeit überraschend gut harmonierten, stehen nun auf Kriegsfuß. Am Freitag soll der Entwurf des Bundeshaushalts an den Bundestag gehen. Doch aus ihrem Umfeld heißt es, dass es bisher keine Annäherung gab. Stattdessen gibt es Konflikte, da Lindner vorpreschte, indem er die Interpretation zweier Rechtsgutachten öffentlich machte - woraufhin Scholz ihn auf beispiellose Weise zurückpfiff. Die zentrale Frage lautet daher: Was sind die Positionen der Beteiligten in diesem Haushaltsstreit?

Der Kanzler: Innovativ und hartnäckig

SPD-Politiker Scholz war bereits als Finanzminister dafür bekannt, in schwierigen Situationen unerwartete Lösungen zu finden. Diese Fähigkeit half ihm während der Corona-Pandemie bei der EU-Hilfe. Doch nicht immer ging es gut: Letztes Jahr kippte das Verfassungsgericht den Plan, Corona-Kredite für den Klimaschutz zu nutzen. Dieses Urteil stürzte die Ampel in eine ernsthafte Haushaltskrise, wobei Scholz immer wieder andeutete, dass er das Urteil des Gerichts nicht wirklich nachvollziehen kann.

Auch jetzt ist Scholz überzeugt: "Das geht." Damit meint er Pläne, die Bahn und die Autobahngesellschaft finanziell so zu unterstützen, dass die Schuldenbremse nicht belastet wird. Rechtsexperten halten dies für schwer umsetzbar, aber Scholz fällt es schwer, von seiner Position abzurücken. "Das geht schon irgendwie", könnte man seine Haltung zusammenfassen.

Der Kanzler wird in den Verhandlungen stark von seiner Fraktion getrieben, die nicht nur auf schnelle Entscheidungen drängt, sondern auch auf zusätzliche Schulden aufgrund des Ukraine-Kriegs pocht. Kürzungen bei den Sozialausgaben sind für die SPD tabu. Die aufgestaute Wut in der SPD richtet sich vor allem gegen Lindner, setzt jedoch auch Scholz unter Druck.

Der Finanzminister: Der Hüter der Schuldenbremse

Für den FDP-Chef Lindner wäre eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse eine große Niederlage. Er begründet seine Ablehnung mit den langfristigen Zinszahlungen. Zudem ist die Schuldenbremse eines der wichtigsten Wahlkampfthemen seiner um den Einzug in den Bundestag kämpfenden FDP.

Lindner stellt außerdem klar: Sein Haushalt muss juristisch wasserdicht sein. Er habe sich einmal auf die Ideen des SPD-geführten Kanzleramts eingelassen und dabei eine Klatsche vom Verfassungsgericht bekommen. "Das passiert mir kein zweites Mal", betonte Lindner im ZDF-Sommerinterview. Sollte es auch nur den kleinsten rechtlichen Zweifel geben, will er die Notbremse ziehen.

Öffentlich hat Lindner bisher keine konkreten Lösungsvorschläge präsentiert. Dass er für die Haushaltsverhandlungen die Koalitionsspitzen heranzog, wird ihm von einigen in der Ampel als Schwäche ausgelegt. Andere kritisieren, er entziehe sich seiner Verantwortung.

Der Vizekanzler: Beobachter mit Kopfschütteln

Vizekanzler Habeck, der Dritte im Bunde, hält sich weitgehend aus dem Haushaltsstreit heraus. Zunächst schwieg er, dann zeigte er sich überrascht über die Kommunikationsweise der anderen. Habeck ist sich bewusst, dass er in diesem Haushaltsstreit wenig gewinnen kann. Für die Grünen ist es vor allem wichtig, dass bei den Klimaprojekten keine wesentlichen Kürzungen erfolgen.

Ansonsten überwiegt eher die Ernüchterung: Die Grünen wollen viel mehr investieren und dafür auch Kredite aufnehmen. Sie erkennen jedoch, dass dies in der aktuellen Koalition nicht umsetzbar ist. Das Streitthema Schuldenbremse hebt sich Habeck lieber für den Wahlkampf auf, den er im kommenden Jahr wahrscheinlich als Kanzlerkandidat der Grünen führen wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Brüssels großer Verteilungskampf: Wer zahlt für die Migration?
18.11.2025

Die EU-Kommission will Asylbewerber künftig verpflichtend auf andere Mitgliedstaaten verteilen. Doch Polen, Ungarn und die Slowakei...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schluss mit Shein und Temu? Europa zieht die Notbremse gegen Billigimporte aus China
17.11.2025

Die EU will die Billigimporte aus China schneller als geplant stoppen. Eine neue Zwei-Euro-Abgabe soll schon 2026 kommen. Plattformen wie...

DWN
Politik
Politik Teilzeit steuerfrei aufstocken? Teilzeitaufstockungsprämie ab 2026 für mehr Arbeitsstunden geplant
17.11.2025

Neben der Aktivrente und Überstundenzuschläge plant die Bundesregierung den Arbeitsmarkt ab 2026 auch für Teilzeitkräfte attraktiver zu...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Buffett kauft Google, Bitcoin stürzt ab - beginnt jetzt der große Marktumbruch?
17.11.2025

Die Märkte taumeln und die Nvidia-Aktie wird in wenigen Tagen zum Brennpunkt der globalen Finanzwelt. Kleinanleger überraschen die Wall...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Absturz unter 93.500 Dollar verunsichert Anleger – geht der Krypto-Crash weiter?
17.11.2025

Der Bitcoin erlebt turbulente Tage: Kursabstürze, Liquiditätsstress und widersprüchliche Analystenstimmen prägen die Lage. Während...

DWN
Panorama
Panorama Globale Anti-Tabak-Strategien unter Druck: WHO-Konferenz warnt vor Rückschritten
17.11.2025

Eine weltweite Initiative zur Eindämmung von Tabak- und Nikotinprodukten steht vor Herausforderungen: Trotz internationaler Abkommen setzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Wachstum unter EU-Durchschnitt: Deutsche Wirtschaft 2026 mit vorsichtiger Erholung
17.11.2025

Die deutsche Wirtschaft startet 2026 voraussichtlich wieder durch, bleibt aber hinter dem europäischen Durchschnitt zurück. Laut der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche besucht Golfstaaten: Investitionen, Erdgas und Partnerschaften im Fokus
17.11.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche reist mit einer Wirtschaftsdelegation in die Golfregion, um die bilaterale Zusammenarbeit zu...