Finanzen

Vermögensbesteuerung: Europa schafft nach und nach die letzten Steueroasen ab

Unter den wohlhabenden Steuerflüchtlingen in der Schweiz herrscht neuerdings eine gewisse Anspannung und Unruhe. So mancher Wahl-Steuerbürger, der sich einst kommod im Alpenland eingerichtet hat, fragt sich derzeit, wann es Zeit wird, zu gehen – oder zu zahlen. Es geht um Europas Steueroasen. Immer mehr Länder, die für die Reichen eine Bank waren, machen Kasse. Großbritannien unter Keir Starmer hat die Russen aufgeschreckt. Jetzt diskutiert die Schweiz Pläne ihrer Jungsozialisten.
23.08.2024 14:24
Lesezeit: 5 min
Vermögensbesteuerung: Europa schafft nach und nach die letzten Steueroasen ab
Ex-Finanzminister hat einst die Kavallerie in Sachen Steuerflucht zur Hilfe gerufen: Kaiserulanen beim Geländeritt auf einer Wiese bei Crawinkel. (Foto: dpa) Foto: Martin Schutt

Günter Schwarze* aus Berlin macht derzeit gerade klar Schiff und regelt seinen Nachlass. Er ist gesundheitlich wohlauf, aber die Umstände hätten sich für ihn „kolossal verändert“, verrät er in einem Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Schwarze weiß besser Bescheid, wie das geht, als die meisten. Er ist Vermögensberater und von daher zugleich Alarmmelder für manch reiche Berliner. Für sich selbst ist klar ausgemacht: Sein Sohn in England soll ungeschmälert das väterliche Erbe antreten. „Da gilt es jetzt Vorkehrungen zu treffen“, sagt er vorausschauend.

Wie die Labour-Regierung derzeit „Londongrad“ zur Kasse bittet

Der Grund: Der neue Premier Keir Stürmer braucht Einnahmen und streicht derzeit die Privilegien der Superreichen zusammen, die Großbritannien und vor allem die City of London umgangssprachlich zu „Londongrad“ oder „Klein–Russland an der Themse“ haben anschwellen lassen, während der Ägide der Tories. Das sogenannte Non-Dom-System ermöglichte Ausländern auf der Insel 15 Jahre lang keinerlei Steuern auf ihre Einkünfte und Kapitalgewinne zu zahlen, wenn diese nur jenseits Großbritanniens erwirtschaftet werden. Auch an die Erbschaftssteuer will Labour offenkundig antasten: Ausländische Vermögen, treuhänderisch verwaltet, sind nicht mehr sakrosankt - werden abgeschöpft.

Nach dem Brexit haben erst die Banken den Ausgang gesucht, jetzt sind es die Steuerbürger mit ihren ausländischen Pässen. Damit wird es immer schwieriger, eine sichere und gut erreichbare Steueroase zu erreichen. Panamas Ruf ist ramponiert, seitdem reihenweise Bankdaten zum Fiskus und wohl noch schlimmer an die Presse abflossen („Panama Papers“). Zypern und Malta gelten in dieser Hinsicht eher als unsichere Kantonisten. Singapur oder die einschlägigen Karibikinseln sind weit weg. Das mit Liechtenstein und Luxemburg ist auch schwierig geworden. Bleibt die Schweiz, oder?

Doch offenkundig gibt es auch da Bestrebungen, endlich einen Strich unter die Vergangenheit als Exil undurchsichtiger Spekulanten zu ziehen. Das Steuergeheimnis ist schon länger futsch. Und die einst von Finanzminister Peer Steinbrück angedrohte Kavallerie muss auch nicht mehr einschreiten. Wer Steuern sparen will, wie der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne als prominentes Beispiel, muss schon sein Lebensmittelpunkt in den Bergen wählen.

Der Vorschlag, der nun die Finanzkreise in Zürich und Luzern, in Aufruhr versetzt, sieht ein Referendum über die Einführung von Vermögensabgaben vor. Ob es überhaupt durchdringt und die Zustimmung der wertkonservativen Schweizer findet, ist zwar fraglich.

Erbschaftssteuer-Initiative in der Schweiz beunruhigt die Superreichen

Doch ein Passus irritiert und verunsichert das Geld wie ein scheues Reh. Die Jungsozialisten in der Schweiz haben Pläne für eine Erbschaftssteuer-Initiative vorgelegt. Erbschaften und Schenkungen ab 50 Millionen Euro sollen mit einem Steuersatz von 50 Prozent belastet werden. Darüber sollen die Schweizer schon bald per Volksbegehren befinden.

Die politisch Verantwortlichen sorgt dabei, dass der von den Linken vorgelegte Passus schon ab dem Tag der Abstimmung gelten solle. Für die argwöhnischen Reichen könnte dies zum Vabanquespiel werden. Geht es gut aus, und entscheiden die Bürger mehrheitlich dagegen, bleibt erst einmal alles beim Alten. Doch das Risiko besteht natürlich, dass die Initiative überraschend die Zustimmung der eigenwilligen Schweizer findet. Die Petenten möchten natürlich die blitzartige Verlagerung von Firmensitzen und den Transfer von Gelder verhindern.

Das passt ins Gesamtbild: Die Schweizer nähern sich immer mehr den Anforderungen der EU an und verschärfen ihre Vorschriften zusehends. Im Mai hat der Bundesrat erst eine „Botschaft zur Geldwäscherei-Bekämpfung“ verabschiedet und an das Parlament weitergereicht. Ein nationales Transparenz-Register für Gesellschaften und andere juristische Personen ist darin ausdrücklich enthalten. Die Behörden sollen leichter feststellen, wer hinter einer bestimmten Rechtsstruktur steckt oder sich gar verbirgt.

Wie die Schweiz sich überdies hinaus entscheidet, wenn die EU tatsächlich das schon länger geplante Vermögensregister für natürliche Personen einrichtet, ist noch offen. Gut möglich, dass die Schweiz ihrerseits Informationen zuliefert und das Transparenzgebot der Europäischen Kommission übernimmt. Immerhin teilt die Schweiz längst (im Rahmen des allgemeinen Informationsaustausches mit der EU) ihre Daten über Finanzkonten und Depots mit dem EU-Ausland. Steuerhinterziehung ist auch in der Schweiz mittlerweile kein Gentleman-Vergehen mehr – die Banken sieben unter den Kontogründern mit ausländischem Reisepass gründlich aus.

So kommt es, dass die Superreichen allenthalben über Umsiedlung nachdenken. Jetzt auch in Frankreich, wo die Reichen plötzlich die Einführung einer Vermögenssteuer befürchten müssen und viele von ihnen Notfallpläne für den Tag X schmieden. Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire hat bekanntlich überraschend den ersten Platz bei den Wahlen gewonnen und fordert kämpferisch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Die Menschen reagieren halt überall in Europa ganz ähnlich. Selbst die sonst so gelassenen Norweger haben nach 2022 vielfach einen Wohnsitz in der Schweiz angemeldet, nachdem ihr Land den Kapitalertrag verändert hat.

Italien hat im August Pauschalbesteuerung für ausländische Einkünfte verdoppelt

Selbst Italien verhält sich unterdessen anders, als von den Experten anfangs erwartet: Im August wurde jetzt die Pauschalbesteuerung für im Ausland erzielte Einkünfte plötzlich auf 200.000 Euro verdoppelt.

Eine Entscheidung der Regierung Giorgia Melonis, die im krassen Gegensatz zu den Versuchen der Vorgängerregierung von 2017 steht, wohlhabende Ausländer ins Land zu locken. Davon hatte seinerzeit etwa der portugiesische Fußballstar Cristiano Ronaldo profitiert, der seinen Wohnsitz nach Italien verlegt hatte, als er 2018 bis 2021 für Juventus Turin spielte. Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti gab zu Protokoll, dass sein Land inzwischen gleichfalls den Wettbewerb von Ländern um „steuerliche Vergünstigungen“ ablehnen würde.

Wirtschaftsexperten in Deutschland halten es deshalb auch für naiv, dass die Deutschen anders reagieren als ihre Nachbarn, falls die Steuerstellschrauben auch hier weiter angezogen werden. Dass Geld wie Wasser stets seinen Weg durch Stein und Erden findet, steht im Kontrast zu allen Beteuerungen von Patriotismus. Womöglich wirbt Deutschland bald damit, keine Vermögenssteuer zu erheben.

„Früher blieben die Menschen in ihrem eigenen Land und versteckten ihr Geld in Steueroasen im Ausland“, teilte Pascal Saint-Amans, früherer Chef der einflussreichen OECD-Steuerabteilung, nach dem Ausscheiden seine Erkenntnisse jetzt öffentlich. „Aber das Ende des Bankgeheimnisses und der zunehmende Informationsaustausch haben dazu geführt, dass man ein Land verlässt, wenn man dort keine Steuern bezahlt.“ Nicht das Geld versteckt, die Reichen verstecken sich – solange ihr Geld reicht.

Exodus: Neue Steueroasen wie Dubai entstehen überall auf der Welt

Weltweit hat der Wettbewerb um Wohlhabende deshalb mitnichten nachgelassen, sondern sich stellenweise sogar verschärft. Es sind nur andere Länder, die jetzt die Bemühungen des Westens um Steuer-Harmonisierung konterkarieren und aggressiv in den Wettbewerb der Steueroasen eingetreten sind.

Dubai zum Beispiel spielt eine immer größere Rolle und lockt mit dem Verzicht auf Einkommenssteuer und Kapitalsteuern für Einzelpersonen. Dubai freut und reicht es offenbar bereits, wenn die vielen neuen Immobilien am Golf bezogen werden und die Dienstleister im Wüstenstaat dabei gut verdienen und zum Wachstum der Wirtschaft beitragen. Unzählige deutsche Influencer posten, wie wohl sie sich fühlen.

In London geht bereits das Wort vom „Exodus der Reichen“ um, weil allerorten auf der Welt Investitionen anstehen, um endlich die Verschuldung während der Corona-Pandemie zu überwinden. Viele der Gutbetuchten befürchten deshalb nun, dass ihre Lebensleistung nun leichtfertig herangezogen werde. Die Russen halten wohl nur deshalb still auf der Insel, weil sie sich derzeit wegen des Kriegs mit der Ukraine andere Sorgen machen müssen – die Oligarchen vor allem.

*Name von der Redaktion geändert

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Peter Schubert

Peter Schubert ist stellv. Chefredakteur und schreibt seit November 2023 bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Immobilienthemen. Er hat in Berlin Publizistik, Amerikanistik und Rechtswissenschaften an der Freien Universität studiert, war lange Jahre im Axel-Springer-Verlag bei „Berliner Morgenpost“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ sowie „Welt Kompakt“ tätig. 

Als Autor mit dem Konrad-Adenauer-Journalistenpreis ausgezeichnet und von der Bundes-Architektenkammer für seine Berichterstattung über den Hauptstadtbau prämiert, ist er als Mitbegründer des Netzwerks Recherche und der Gesellschaft Hackesche Höfe (und Herausgeber von Architekturbüchern) hervorgetreten. In den zurückliegenden Jahren berichtete er als USA-Korrespondent aus Los Angeles in Kalifornien und war in der Schweiz als Projektentwickler tätig.

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