Unternehmen

Was wusste Winterkorn? Dieselgate-Prozess vor dem Start am Dienstag

Nicht wenige würden aus heutiger Sicht sagen: Mit den Betrügereien im VW_Konzern bei den Abgasmessungen begann der Niedergang Deutschlands als führender Industriestandort. Dieselgate wird nun vor Gericht verhandelt – EX-VW-Chef Martin Winterkorn muss sich verantworten.
01.09.2024 10:11
Lesezeit: 2 min

Die Justiz hält an ihrem Plan fest – fast genau neun Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals bei Volkswagen soll die Rolle vom früheren Konzernboss Martin Winterkorn endlich detailliert aufgearbeitet werden. Das Landgericht Braunschweig hat für den Strafprozess fast 90 Termine bis September 2025 angesetzt. Beginnen soll das Verfahren am kommenden Dienstag. Berichte über die Gesundheit des 77-Jährigen ließen zuletzt aber Zweifel an der Planung aufkommen.

Erst vor wenigen Wochen, im Juli dieses Jahres, musste Winterkorn nach einem medizinischen Notfall erneut am Knie operiert werden. Der Eingriff sei gut verlaufen, Winterkorn körperlich aber stark geschwächt, hieß es damals aus seinem Umfeld. Ein Aufenthalt in einer Reha-Klinik wurde nötig. Die Frage, ob der frühere Vorstandschef tatsächlich bald nahezu jede Woche von Bayern nach Niedersachsen reist, um sich für zwei Tage auf die Anklagebank zu setzen, ist naheliegend. Vor allem, weil die Gesundheit die Planungen der Justiz schon mehrmals durcheinanderwirbelte.

Winterkorn fehlt im ersten großen Betrugsprozess

Gemeinsam mit vier anderen Ex-VW-Managern sowie -Ingenieuren sollte Winterkorn eigentlich ab September 2021 in einem Braunschweiger Gerichtssaal sitzen. Die Anklage für das Verfahren – das nach drei Jahren Verhandlung längst nicht beendet ist – lautete auf gewerbs- und bandenmäßigen Betrug mit dem Täuschungsprogramm. Kurz vor Beginn attestierte aber ein Gutachten Winterkorn fehlende Verhandlungsfähigkeit nach mehreren Hüftoperationen. Um dennoch mit der Aufarbeitung von „Dieselgate“ voranzukommen, trennte der Richter den Winterkorn-Komplex von diesem Verfahren ab und erntete dafür reichlich Kritik.

Nun also ein weiterer Versuch, das Wirken und Wissen von „Mr. Volkswagen“ vor Gericht zu verhandeln. Um die Erinnerung für die breite Öffentlichkeit wiederherzustellen, trug die Wirtschaftsstrafkammer jüngst die gebündelten Vorwürfe auf einer sechsseitigen Vorschau zusammen. Es geht um gewerbsmäßigen Betrug, Marktmanipulation und eine uneidliche Falschaussage. Winterkorn soll VW-Käufer über die Beschaffenheit der Autos getäuscht und in den entscheidenden Septembertagen 2015 den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er dann vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags uneidlich falsch dazu ausgesagt haben.

Rund neun Millionen Fahrzeuge in Europa und den USA betroffen

„Dieselgate“ war im September 2015 durch Nachforschungen von US-Umweltbehörden und Wissenschaftlern aufgeflogen. Nach Angaben des Gerichts waren von den Dieselmanipulationen etwa neun Millionen Fahrzeuge in Europa und den USA betroffen, den Käufern soll ein Vermögensschaden von mehreren 100 Millionen Euro entstanden sein. Die Affäre stürzte VW in die schwerste Krise der Firmengeschichte und kostetet Milliarden Euro für die juristische Aufarbeitung. Winterkorn trat zurück und sagte später, er habe zu akzeptieren, dass sein „Name verbunden ist mit der sogenannten Dieselaffäre“.

Eine strafrechtliche persönliche Verantwortung wies er aber stets von sich. Anfang 2024 äußerte sich Winterkorn erstmals als Zeuge vor Gericht. „Ich halte diese Vorwürfe für unzutreffend", sagte der frühere Konzernlenker im milliardenschweren Zivilprozess von Investoren gegen VW vor dem Oberlandesgericht Braunschweig. Winterkorn bezog sich dabei auf die beiden Strafverfahren wegen Betrugs und Marktmanipulation von der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die Anklage wegen Falschaussage im Deutschen Bundestag kommt von Berliner Strafverfolgern.

Gesundheitlich angeschlagener Winterkorn braucht Pausen

In seinem Statement als Zeuge sagte Winterkorn, er sei in die Entscheidungen zur Manipulations-Software nicht eingebunden gewesen. „Ich habe diese Funktion weder gefordert noch gefördert oder ihren Einsatz auch nur geduldet.“ Bei der anschließenden Befragung über vier Tage wurde vor allem deutlich, dass die Operationen Spuren hinterließen. Winterkorn wirkte gesundheitlich angeschlagen und brauchte immer wieder längere Pausen. Das dürfte auch für den Strafprozess gelten, wenn dieser wie geplant startet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsbau zieht an: Zahl der Genehmigungen steigt deutlich
19.11.2025

Nach dem schwachen Vorjahr stehen die Zeichen beim Wohnungsbau auf Erholung: Die Zahl der Genehmigungen steigt kräftig. Besonders eine...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer und Verschonungsregelung: Wirtschaftsweise fordern Steuerreform für Unternehmen
19.11.2025

In Zeiten der Wirtschaftskrise bleiben Milliardenerbschaften oft steuerfrei.: Der Sachverständigenrat Wirtschaft schlägt jetzt eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zeitweise unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist am Dienstag zeitweise tief gefallen und hat weltweit Unruhe unter Anlegern ausgelöst. Der Fear-and-Greed-Index warnt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...