Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Solingen hat sich die Bundesregierung auf neue Maßnahmen zum Schutz vor islamistischem Terror, gegen irreguläre Migration und zur Verschärfung des Waffenrechts verständigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach bei der Vorstellung von "weitreichenden" und "harten" Schritten.
Unter anderem soll der Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter eingeschränkt werden. Dazu zählt ein generelles Messerverbot im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen, auf Volksfesten und bei anderen Großveranstaltungen. Darüber hinaus soll für Springmesser ein Verbot kommen, von dem aber Ausnahmen möglich sein sollen - zum Beispiel für Jäger. Die Anforderungen für waffenrechtliche Erlaubnisse sollen erhöht werden, um sicherzustellen, dass Extremisten keinen Zugang zu Waffen und Sprengstoff haben.
Streichung von Leistungen für Asylbewerber
Die Ampel-Regierung einigte sich zudem auf die Streichung von Leistungen für bestimmte Asylbewerber. Dabei geht es um Migranten, für die ein anderer europäischer Staat zuständig wäre, der der Rücknahme zugestimmt hat. Damit soll der Druck zur Ausreise erhöht werden. Faeser betonte aber auch: "In Deutschland wird niemand verhungern und auch nicht auf der Straße schlafen." Leistungen in Deutschland sollten Betroffene dann aber nicht mehr erhalten - dafür sei dann ja das Zielland zuständig.
Menschen sollen künftig einfacher ausgewiesen werden können, wenn sie eine Straftat mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen haben. Zudem sollen Migranten künftig leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können, wenn sie Straftaten begangen haben. "Zukünftig können auch die Schleusungsstrafbarkeit und Straftaten mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtenden Beweggrund zum Ausschluss von der Schutzberechtigung führen", steht im Papier.
Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll zudem nach Möglichkeiten suchen, das Dublin-Verfahren zu verbessern - also die Regelungen zur Abschiebung von Asylsuchenden in andere europäische Staaten, die für sie zuständig sind. Dies war beim mutmaßlichen Attentäter von Solingen der Fall, der eigentlich nach Bulgarien hätte abgeschoben werden sollen.
Wer ohne einen triftigen Grund in sein Heimatland zurückkehrt, soll den Schutz in Deutschland verlieren - beispielsweise bei Urlaubsreisen. Eine Rückkehr etwa zu einer Beerdigung solle aber möglich sein, erklärte die Staatssekretärin Anja Hajduk aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Geflüchtete aus der Ukraine sind davon ausgenommen.
Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden
Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Islamismus sollen ausgeweitet werden. Ermittlungsbehörden sollen künftig öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abgleichen dürfen. Das für Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration (Bamf) soll das ebenfalls dürfen, um die Identität Schutzsuchender zu überprüfen.
Eine neue Taskforce Islamismusprävention, deren Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis kommen soll, soll die Bundesregierung in Zukunft beraten. Das Instrument des Vereinsverbots soll gegen islamistische Vereine weiter genutzt werden.
Buschmann nennt Paket sinnvoll und nützlich
Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem sinnvollen und nützlichen Paket, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern und bei der Migration eine noch verschärfte Realpolitik durchzuführen.
Beim mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hatte ein Angreifer vergangenen Freitagabend auf einem Stadtfest drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Diese hatte die Tat für sich reklamiert. Der mutmaßliche Täter hätte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, was aber scheiterte.
Arbeitsgruppe tagt nächste Woche mit Opposition
Die Arbeit an dem Maßnahmenpaket hatte bereits am Wochenende nach dem Anschlag begonnen. Es solle nun so schnell wie möglich umgesetzt werden, sagte Faeser - jedenfalls nicht erst im nächsten Jahr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zudem am Mittwoch Gespräche mit den Ländern und der Union als größter Oppositionskraft angekündigt. Eine Arbeitsgruppe, der Vertreter aller drei Ampel-Parteien angehören, soll nächste Woche erstmals zusammenkommen.
Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein, sagte die Teilnahme seines Innenministers Roman Poseck (beide CDU) kurz vor der Vorstellung des Sicherheitspakets zwar zu. Gleichzeitig machte er aber klar, dass er den Vorstoß skeptisch sieht. "Wir brauchen jetzt kein Brainstorming mit der Bundesregierung, sondern die Bundesregierung braucht die Bereitschaft zum Schlussstrich. Wir brauchen eine Zeitenwende in der Migrationspolitik – und zwar jetzt", sagte Rhein. Er forderte unter anderem die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, mehr sichere Herkunftsstaaten und den Entzug der Staatsbürgerschaft für Straftäter und Gefährder.
Leistungen für Dublin-Flüchtlinge auf null
Dieser Schritt muss noch noch einmal hervorgehoben werden: Wer als Flüchtling über einen anderen EU-Staat oder sicheren Drittstaat nach Deutschland einreist und hier Asyl beantragt, soll künftig keine staatlichen Leistungen mehr bekommen. Das hat die Ampel-Koalition im Rahmen ihres Maßnahmenpakets zum Terroranschlag von Solingen beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach bei der Vorstellung der Maßnahmen von einer "Reduzierung auf null". Es werde nur noch Leistungen zur Rückreise geben.
Die SPD-Politikerin wies darauf hin, dass nach dem Dublin-Verfahren in diesem Fall der Staat für den Asylantrag und damit auch für Leistungen zuständig ist, über den der Flüchtling in die Europäische Union gekommen ist. Im Fall des Attentäters von Solingen wäre dies Bulgarien gewesen. Einschränkend sagte Faeser allerdings: "In Deutschland wird niemand verhungern und auch nicht auf der Straße schlafen."
Ampel will Gesichtserkennung erlauben
Zur besseren Bekämpfung von islamistischem Extremismus will die Ampel-Koalition künftig auch die umstrittene Gesichtserkennung zulassen. Die Ermittlungsbehörden sollen demnach die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten erhalten, um die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen zu erleichtern. Dies soll nach dem Beschluss der Koalition unter Beachtung der Verordnung für Künstliche Intelligenz und der datenschutzrechtlichen Anforderungen geschehen.
"Es ist ein gewisser Anachronismus, dass das bislang nicht erlaubt war", sagte die Staatssekretärin Anja Hajduk, die bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Maßnahmenpakets Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vertrat. "Insofern ist das eine wichtige und äußerst zeitgemäße Regelung, die wir da einführen." Hajduk betonte: "Wir haben nicht nur ein sehr ausgewogenes und damit vernünftiges, sondern auch ein sehr wirksames Maßnahmenpaket verabredet." Dabei habe sich die Koalition auch davon leiten lassen, das Grundrecht auf Asyl zu bewahren.