Wirtschaft

Vier-Tage-Woche: Revolution der Arbeitszeit oder Risiko für die Wirtschaft?

Im zweiten Quartal dieses Jahres erlaubten 11 % der deutschen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern kürzere (Vier-Tage-)Arbeitszeiten, so eine neue Umfrage des deutschen ifo Instituts und des Personalvermittlungsunternehmens Randstad. Zwei Prozent planen die Einführung dieser Option, weitere fünf Prozent ziehen sie in Erwägung und ein Drittel gibt an, dass sie in ihrem Unternehmen nicht durchführbar ist.
15.09.2024 06:04
Lesezeit: 3 min

Wir haben uns angesehen, was die deutschen Arbeitgeber sagen und wie ein Pilotprojekt zur Einführung eines viertägigen Arbeitstages in Portugal verlaufen ist.

Nur ein Zehntel der Unternehmen behält den vollen Lohn für weniger Arbeitsstunden

In Deutschland sind kleinere Unternehmen (14 % der Befragten) eher für kürzere Arbeitszeiten und finden es einfacher, sich anzupassen. Bei den großen Unternehmen (mehr als 500 Beschäftigte) nutzen sieben Prozent der Befragten kürzere Arbeitszeiten.

Und für welches Modell haben sich die Unternehmen entschieden, die einen Vier-Tage-Arbeitstag eingeführt haben oder dies planen? Knapp die Hälfte (47 %) gibt an, dass die Einführung kürzerer Arbeitszeiten auch zu Lohneinbußen geführt hat. Ein Zehntel der Unternehmen hat den vollen Lohn bei weniger Wochenstunden beibehalten. Zwei Fünftel (39 %) der Unternehmen haben sich für eine Vier-Tage-Woche entschieden, aber die Arbeitnehmer arbeiten nicht weniger, sondern haben 40 Stunden an vier Tagen gearbeitet und haben einen Tag pro Woche frei.

Ein gutes Drittel der Unternehmen ist pessimistisch, was die Verkürzung des Arbeitstages angeht

Eine beträchtliche Anzahl der befragten Unternehmen (37 %) gab an, dass sie von der Verkürzung der Arbeitszeit keine positiven Auswirkungen erwarten. Aber 35 % der Arbeitgeber sind der Meinung, dass dies dazu beitragen könnte, Mitarbeiter zu halten. Knapp ein Drittel glaubt, dass kürzere Arbeitszeiten die Motivation der Mitarbeiter erhöhen würden. Rund ein Viertel erwartet, dass sie dadurch für Bewerber auf dem Arbeitsmarkt attraktiver werden.

Worüber sich die deutschen Arbeitgeber am meisten Sorgen machen

Die Mehrheit der befragten Unternehmen (59 %) geht davon aus, dass sie aufgrund der kürzeren Wochenarbeitszeit zusätzliches Personal einstellen müssen, und die Einführung würde auch einen erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich bringen. Weniger als die Hälfte befürchtet auch Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft insgesamt, und weniger als ein Fünftel befürchtet eine Verschlechterung der Arbeitsqualität.

Die Arbeitgeber befürchten vor allem, dass die Arbeitszeitverkürzung die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wo ein erheblicher Fachkräftemangel herrscht, weiter verschärfen würde. Am besorgtesten sind die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes.

Wie läuft das deutsche Pilotprojekt zur Kurzarbeit?

Im Februar nahmen 45 deutsche Unternehmen an dem Pilotprojekt der 4-Tage-Woche teil, zumeist kleinere Unternehmen (67 %), vor allem aus dem Dienstleistungssektor. Ein Unternehmen verschob die Umsetzung um ein Jahr und zwei stiegen nach zwei Monaten aus dem Projekt aus.

Die deutschen Arbeitgeber sind bei der Verkürzung des Arbeitstages eher zurückhaltend und haben sich meist nicht für die Standardprojektregel entschieden: 100 % Produktivität für 80 % der Arbeit bei vollem Lohn. Nur 38 % der Teilnehmer taten dies. Im Übrigen reduzierte etwa die Hälfte der Unternehmen ihre Arbeitszeit um weniger als ein Zehntel, 15 Prozent um 11 bis 19 Prozent.

Zu Beginn des Projekts stießen sie auch auf einige organisatorische Schwierigkeiten beim Übergang zu kürzeren Arbeitszeiten und benötigten mehr Zeit als ursprünglich geplant. Die Unternehmen haben auch ihre Arbeitsweise geändert, zumeist durch die Einführung von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz, die Anpassung von Sitzungen, Kommunikation, Optimierung von Geschäftsprozessen usw.

Zu den Vorteilen zählen die deutschen Arbeitgeber, die an dem Projekt teilgenommen haben, bisher einen Anstieg der Zahl der Bewerbungen von Kandidaten in Einstellungsverfahren (die Qualität der Bewerbungen hat sich nicht verändert), und sie haben auch mehr Motivation und Eigeninitiative bei den Mitarbeitern festgestellt, die mehr Ideen und Initiativen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe einbringen.

Portugiesisches Projekt: Zurück zur Fünftagewoche mit mindestens 20 % Lohnerhöhung

In Portugal hat sich die Regierung jedoch auch an einem Pilotprojekt beteiligt, an dem 41 Unternehmen der Initiative beteiligt sind. Das Projekt begann im vergangenen Juni, und in den ersten drei Monaten haben mehr als 1 000 Beschäftigte ihre Arbeitszeit um 13,7 % und in sechs Monaten um 19 % reduziert. Während die Hälfte der Befragten es zuvor als schwierig empfand, Arbeit und Freizeit miteinander zu vereinbaren, war dies nach sechs Monaten nur noch bei acht Prozent der Fall. Die Mehrheit der befragten Arbeitnehmer gab an, dass sie nur dann wieder fünf Tage pro Woche arbeiten würden, wenn ihr Gehalt mindestens 20 % höher wäre.

Nach Einschätzung von 80 % der Führungskräfte hat das Projekt bisher keine zusätzlichen Kosten verursacht, und ein Unternehmen musste eine zusätzliche Person einstellen. Fehlzeiten und Fluktuation sind zurückgegangen und das Engagement der Mitarbeiter ist gestiegen.

Die Zahl der Beschäftigten ging um weniger als ein Zehntel zurück, während der Rückgang um 15 % zwischen 11 und 19 % lag.

Nach sechs Monaten haben die meisten portugiesischen Unternehmen beschlossen, die Teilzeitwoche beizubehalten, während vier Unternehmen zu einer Fünf-Tage-Woche zurückgekehrt sind.

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Eilmeldung Washington DC: Schüsse nahe dem Weißen Haus - Zwei Nationalgardisten angeschossen
26.11.2025

In der Nähe des Weißen Hauses in Washington sind zwei Nationalgardisten von einem Schützen angeschossen worden. Sie befinden sich in...

DWN
Politik
Politik Deutsche Bank gegen Verband der Familienunternehmer: Mietvertrag gekündigt auf Grund der Einladung eines AfD-Politikers
26.11.2025

Der Verband „Die Familienunternehmer“ lädt einen AfD-Politiker ein – entgegen der politisch gewollten Brandmauer der etablierten...

DWN
Politik
Politik Bündnis Sahra Wagenknecht: AfD unterstützt Neuauszählung der Bundestagswahl
26.11.2025

An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei eine...

DWN
Politik
Politik Grüngasquote für Energiewende: Mehr Umweltschutz und mehr Kosten für Industrie und Verbraucher
26.11.2025

Die schwarz-rote Regierung plant eine Quote, um die schleppende Wasserstoffwirtschaft und Energiewende in Deutschland weiter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz bei GOVECS – das Ende der elektrischen Schwalbe
26.11.2025

Das Münchner Unternehmen Govecs stellt unter dem Namen der in der DDR populären Moped-Marke seit einigen Jahren Elektroroller her. Nun...

DWN
Politik
Politik Chatkontrolle: EU-Staaten setzen auf freiwillige Maßnahmen statt Pflichtkontrollen
26.11.2025

Die EU ringt seit Jahren darum, wie digitale Kommunikation geschützt und zugleich besser überwacht werden kann. Doch wie weit sollen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarz Group plant Lidl-Rechenzentrum: Milliardenprojekt für Deutschlands KI-Infrastruktur
26.11.2025

Die Großinvestition der Schwarz Group verdeutlicht den wachsenden Wettbewerb um digitale Infrastruktur in Europa. Doch welche Bedingungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobs wandern nach Südamerika: Faber-Castell will 130 Stellen in Deutschland streichen
26.11.2025

Hohe Kosten und eine schwache Nachfrage: Der fränkische Schreibwarenhersteller will Fertigung nach Südamerika verlagern und dafür...