Was ist der Mietspiegel?
All eyes on Essen: Die Stadt veröffentlicht alle zwei Jahren einen neuen Mietspiegel. Die aktuellen Zahlen sind publik: In der Millionenstadt kostet der Quadratmeter aktuell zwischen 6,52 und 9,71 EUR. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Erhöhung von mehr als 3%. 2025 ist München an der Reihe. So wird die Frage laut – was wird der Mietspiegel alles verändern? Und was ist der Mietspiegel eigentlich ganz genau?
Der Mietspiegel ist eine tabellarische Ansicht der örtlichen Vergleichsmiete. Der Spiegel wird allem voran genutzt, um Mieter vor unzulässigen Mieterhöhungen zu schützen – oder zumindest darüber zu informieren – sowie den Markt zu regulieren. Auf Basis des Mietspiegels kommen weitere periphere Maßnahmen für bezahlbaren Mietraum zu tragen, darunter auch die Mietpreisbremse, die sich an der Tabelle orientiert.
Die örtliche Vergleichsmiete orientiert sich an den Mietpreisen für vergleichbare Wohnobjekte der letzten 6 Jahren in der jeweiligen Gemeinde oder Stadt. Vergleichbarkeit wird an der Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage der Immobilie gemessen. So erzielt eine Wohnung im Stadtzentrum typischerweise eine höhere örtliche Vergleichsmiete als eine Wohnung am Stadtrand. Es gibt mehrere Wege, die örtliche Vergleichsmiete herauszufinden: Die einfachste Methode ist das Objekt mit zwei ähnlichen Objekten zu vergleichen und einen Durchschnittswert zu errechnen. Es ist auch möglich, einen Sachverständigen mit der Aufschlüsselung der Kosten zu beauftragen. Zudem können Mieterdatenbanken sowie Kalkulationen rund um den Mietspiegel zur Hilfe hinzugezogen werden.
Der Mietspiegel bezieht sich auf die Nettokaltmiete, also die Miete ohne Neben- und Betriebskosten. Mieterhöhungen aufgrund von erhöhter Betriebskosten, zum Beispiel infolge der Energiepreis-Explosion, sowie Kosten für Modernisierungsmaßnahmen, kommen nicht zu tragen. Steigen die Mietkosten aufgrund von energetischer Modernisierungen oder Heizungstausch, gibt es spezifische Regeln laut § 559 Abs. 3a BGB: So darf die Miete in der modernisierten Immobilie nicht mehr als 3 EUR pro Quadratmeter innerhalb von 6 Jahren steigen. Bei einer Miete bis 7 EUR pro Quadratmeter sind es nicht mehr als 2 EUR Erhöhung pro Quadratmeter. Wird die Heizung ausgetauscht, darf die Miete um maximal 50 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche erhöht werden.
Laut Kappungsgrenze darf der Vermieter im Bezug auf § 558 Abs. 3 BGB die Miete innerhalb von 3 Jahren um maximal 20% (15% in hochpreisigen Regionen) erhöhen. Gemeinden haben zudem die Möglichkeit, die Kappungsgrenze auf 15% runterzusetzen, sollte es in Stadt oder Gemeinde an bezahlbarem Wohnungen fehlen.
Seit dem 01. Juni 2022 ist es in jeder Gemeinde mit mehr als 50.000 Einwohnern Pflicht, einen Mietspiegel zu (er)stellen. Bei Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern greift darüber hinaus der sogenannte qualifizierte Mietspiegel. Dieser gibt exakte Zahlen der örtlichen Vergleichsmiete anhand von wissenschaftlichen und juristischen Faktoren wieder. Vermieter müssen in Städten, die einen qualifizierten Mietspiegel haben, der nicht älter als 2 Jahre ist, diesen als Grundlage für eventuelle Mieterhöhungen nehmen.
Was tun, wenn der Mietspiegel missachtet wird?
Trotz Regeln rund um den Mietspiegel kann es dennoch zu unzulässigen Mietpreiserhöhungen kommen. Bauministerin Klara Geywitz sagte bekannterweise in der ARD-Doku “Bau am Gau” aus, dass Deutschland kein “Babysitter-Nanny-Staat” sei, kurzum: Wenn Probleme wie diese bestehen, müssen die Mieter proaktiv dagegen vorgehen und im Notfall auch eine Klage – und einen damit oft verbunden Zerfall der Mietbeziehung – riskieren. Beläuft sich die Miete auf mehr als 10% über dem örtlichen Vergleichspreis, sind Mieter dazu angehalten, den Vermietern einen schriftlichen Widerspruch zu erteilen. Sie dürfen im Zuge dieser Rüge die Mietzahlung auch entsprechend senken. Wichtig ist aber, beim Widerspruch einer Mieterhöhung nur den Teil zu verweigern, der über diesen 10% liegt und nicht die gesamte Erhöhung zu ignorieren. Weigert sich ein Mieter, eine im legalen Rahmen erhöhte Miete zu bezahlen, kann der Vermieter auf Zustimmung klagen.
Bei einer Staffelmiete ist bereits bei der Vertragsunterzeichnung klar, dass sich die Miete in regelmäßigen Abständen erhöhen wird. Die Miete muss pro Abschnitt mindestens ein Jahr lang gleich bleiben und darf nach der Erhöhung die genannte 10%-Grenze nicht überschreiten.
Bei einer Indexmiete dagegen darf der Mietpreis nur einmal pro Jahr anhand von Verbraucherpreisen erhöht werden. Bei der Mietpreisbremse handelt es sich explizit um Neuvermietungen.
Kritik am Mietspiegel
Das Marktforschungsinstitut Kantar wurde damit beauftragt, den neuen Mietspiegel in München zu erstellen. Insgesamt werden maximal 100.000 Münchener Haushalte nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um Stichproben zur aktuellen Lage rund um Mietpreise zu erhalten. Im Rahmen der Mietspiegelreform von 2022 wurde eine Auskunftspflicht eingeführt; wer sich weigert, Angaben zur Miete zu machen, muss mit bis zu 5000 EUR Bußgeld rechnen. Der Grund für die Strenge: In Städten wie München, in denen es einen qualifizierten Mietspiegel gibt, ist die korrekte Auswertung Grundlage für gerichtliche Auflösung von Mietstreitigkeiten.
Hier zeigt sich jedoch die große Schwäche des Mietspiegels. Dieser bezieht sich nämlich nur auf Objekte, bei denen die Miete in den letzten 6 Jahren verändert wurden. Altverträge sind damit außen vor. Beatrix Zurek, Vorsitzende des Münchener Mietvereins, warnt: So stellt der Mietspiegel nicht die ganze Wahrheit dar. "Das führt dazu - und da muss man wirklich kein Meister der Mathematik sein -, dass die Preisspirale immer weiter nach oben geht”, so Zurek. Das Münchner Sozialreferat stimmt zu: Die Auslassung von Altverträgen würde die tatsächlichen Mietpreise “dämpfen”, also als niedriger repräsentieren, als diese tatsächlich sind.
Werkzeuge für bezahlbaren Wohnraum
Der Mietspiegel ist ein Werkzeug, das dazu dienen soll, bezahlbaren Wohnraum, vor allem in Großstädten, zu schützen. Insbesondere der qualifizierte Mietspiegel gibt konkrete Zahlen und Fakten rund um die Miete und soll so auf der einen Seite Mieter vor Überzahlung und auf der anderen Seite Vermieter vor Unterzahlung schützen. Die Möglichkeit, gerichtlich angemessene Mieten zu verhandeln, ist sinnvoll und wichtig. Gleichzeitig muss man sich jedoch die Frage stellen, ob Mieter, allem voran in Krisenstädten wie München, dieses Risiko überhaupt eingehen wollen. Wie man in der ARD-Doku sieht, hat selbst SPD-Politiker Kevin Kühnert in Berlin ein Jahr gebraucht, um überhaupt eine Wohnung zu finden – und das als ein bekannter Prominenter, der sicher mehr finanzielle Mittel zur Verfügung hat, als der durchschnittliche Deutsche. Die Gefahr besteht darin, dass Mieter Mietwucher zulassen, beziehungsweise zulassen müssen, weil es schlichtweg nicht tragbar ist, im aktuellen Wohnungsmarkt seine Wohnung zu verlieren.