Als Co-Vorsitzende der AfD stehen Alice Weidel und Tino Chrupalla im Mittelpunkt. Sie sind bekannt, treten im Fernsehen auf und reden bei Wahlkampfveranstaltungen. Doch bei der AfD gibt es eine Tradition: Die wahre Macht liegt oft nicht bei denen, die ganz vorne stehen.
Seit dem Abgang von Jörg Meuthen im Januar 2022, dem damaligen Bundesvorsitzenden, hat sich nach Ansicht vieler Beobachter daran nichts geändert. Meuthen trat unter anderem zurück, weil die Kontrolle innerhalb der AfD bei Netzwerkern lag, die seinen gemäßigten Kurs ablehnten, obwohl er neben Alice Weidel Co-Vorsitzender war.
Netzwerker weiterhin im Hintergrund bedeutend
Heute werden in der AfD häufig die Namen René Springer (45) und Sebastian Münzenmaier (35) genannt. Beide sind Bundestagsabgeordnete und zählen zu den führenden Persönlichkeiten ihrer Landesverbände in Brandenburg beziehungsweise Rheinland-Pfalz. Sie gelten als wichtige Netzwerker und Schlüsselfiguren bei der AfD, die auch für Weidel und Chrupalla von Bedeutung sind.
Münzenmaier, stellvertretender AfD-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, betonte kürzlich, die AfD müsse Wahlen so beeinflussen, dass Länder unregierbar werden. Dadurch, so glaubt er, würde die Abgrenzung der anderen Parteien gegenüber der AfD zusammenbrechen. Auch Springer unterstützt diese Strategie.
Björn Höcke, Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Thüringen, verfolgt eine ähnliche Taktik. Er strebt an, dass die AfD im Osten Regierungsverantwortung übernimmt. Höcke, der nie für den Bundesvorstand der AfD kandidierte, lag lange Zeit im Streit mit mehreren Bundesvorsitzenden, die die AfD zu einer rechtskonservativen Partei mit Koalitionsoptionen machen wollten.
Höcke: Unumstrittener Einfluss in der AfD
Frühere Gegner wie Jörg Meuthen, Frauke Petry und Bernd Lucke sind längst Geschichte. Mit Weidel und Chrupalla hat Höcke keine derartigen Auseinandersetzungen. Nach der Thüringer Landtagswahl im September, bei der die AfD mit 32,8 Prozent gewann, ist seine Position in der Partei gefestigt.
René Springer war früher bei der Bundeswehr und arbeitete als persönlicher Referent für Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD. Heute ist Springer Landesvorsitzender in Brandenburg. Über den Spitzenkandidaten der AfD bei der bevorstehenden Landtagswahl, Christoph Berndt, äußerte sich Springer positiv. Berndt hatte zuletzt ein Betretungsverbot für Asylbewerber bei öffentlichen Veranstaltungen gefordert.
Warum Springer beim Bundesparteitag in Essen nicht für den Parteivorstand kandidierte, beantwortete er mit seiner neuen Rolle als Landesvorsitzender. Sein Ziel: Die AfD in Brandenburg in die Regierungsverantwortung zu führen. Springer vertritt die Ansicht: „Koalitionen, die auf eine Fortführung der bisherigen Politik setzen, werden dem wachsenden Druck der AfD nicht standhalten.“
Unbekannt, aber einflussreich in der zweiten Reihe
Obwohl René Springer und Sebastian Münzenmaier auf Parteiebene wichtige Rollen spielen, sind sie auf Bundesebene weniger bekannt. Das Gleiche gilt für Matthias Moosdorf, den Cellisten aus Leipzig, der 2021 in den Bundestag einzog. Als außenpolitischer Sprecher der AfD lehnt er die deutsche Unterstützung der Ukraine strikt ab. Moosdorf gehört wie Springer und Münzenmaier zu den einflussreichen Akteuren der AfD-Bundestagsfraktion.
Während es in der AfD keine überregionale Vernetzung von Frauen gibt, ist die Zahl der weiblichen Mitglieder in Führungspositionen ohnehin gering. Im Landesvorstand Sachsen ist nur eine Frau vertreten, ebenso wie im Spitzengremium von Baden-Württemberg. Alice Weidel ist derzeit die einzige Frau im AfD-Bundesvorstand.
Verfassungsschutz bleibt kritisch gegenüber AfD
Vor dem Bundesparteitag der AfD im Juni in Essen erklärte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, dass insbesondere in Ostdeutschland führende AfD-Mitglieder dem solidarisch-patriotischen Lager um Björn Höcke zuzurechnen seien. Haldenwang betonte, dass in der Partei nur wenige versuchten, das völkische Denken zurückzudrängen.
Zwar stehe diese Denkweise nicht im Grundsatzprogramm der AfD, doch laut Haldenwang gebe es Äußerungen, die klar zeigten, dass Teile der Partei gegen die Verfassung und insbesondere gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen. Mitte Mai entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft. Dies erlaubt dem Verfassungsschutz weiterhin die Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln.