Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) schützt Personen, die Rechtsverstöße oder Missstände in Unternehmen oder Behörden melden als sogenannte Whistleblower vor Repressalien. Es ist in Deutschland am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Jeder Unternehmer ist verpflichtet, eine interne Meldestelle für Hinweisgeber einzurichten, um die Meldung solcher Verstöße zu ermöglichen.
Im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten teilt Daniel Weigert, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht und Geschäftsführer der Kanzlei Dr. Daniel Weigert, seine fundierte Kritik am neuen Hinweisgeberschutzgesetz. Er erläutert die möglichen Nachteile für Unternehmen und bietet wertvolle Tipps, wie diese den Anforderungen des Gesetzes besser gerecht werden können.
DWN: Herr Weigert, Sie haben einen sehr kritischen Blick auf das Hinweisgeberschutzgesetz. Inwiefern sehen Sie es als problematisch für Unternehmen?
Daniel Weigert: Das Hinweisgeberschutzgesetz ist nicht nur problematisch, sondern unsinnig und schädlich. Es führt nicht zu mehr Transparenz oder einer besseren Unternehmenskultur, wie einige erhoffen. Vielmehr eröffnet es kriminellen Unternehmern und Arbeitnehmern neue Möglichkeiten, um das System zu ihrem Vorteil zu missbrauchen.
Ein Beispiel: Früher hätte ein Mitarbeiter, der von einer Straftat im Unternehmen weiß und sie aufdecken will, direkt die Behörde informiert. Jetzt geht der Hinweis erst an die Meldestelle – also oft an den Anwalt des Unternehmens, bevor die Behörde davon erfährt. Das gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, eine Straftat unter den Teppich zu kehren, Beweise zu vernichten oder sich durch Zahlungen an den Hinweisgeber aus der Situation zu befreien. Das ist eine Einladung zur Beweisbeseitigung.
DWN: Das klingt, als würde das Gesetz eher denen helfen, die etwas zu verbergen haben. Ist das wirklich so extrem?
Weigert: Absolut. Ein Buchhalter, der von Steuerhinterziehung weiß, meldet das nicht mehr dem Finanzamt, sondern der Meldestelle. Die Meldestelle – also der Berater, teilweise sogar Anwalt des Unternehmens – erfährt davon und gibt dem Unternehmen genug Zeit, um zu reagieren, also etwa Beweise zu beseitigen. Oft sind Hinweisgeber auch Arbeitnehmer in Trennungsverhandlungen, die eigentlich nur wollen, dass man für ihr Schweigen die Abfindung erhöht. Anstatt Straftaten effektiv zu verhindern, führt das Gesetz also dazu, dass Vergehen vertuscht werden können. Besonders perfide ist, dass das Gesetz den Hinweisgebern das Gefühl vermittelt, die Meldestelle habe irgendwelche Sanktionsbefugnisse, obwohl sie in Wirklichkeit nur Empfehlungen ausspricht.
DWN: Sie haben auch die Rolle der betrügerischen Mitarbeiter angesprochen. Können Sie das weiter ausführen?
Weigert: Hier wird es noch problematischer. Das Gesetz gibt unredlichen Mitarbeitern ein mächtiges Werkzeug an die Hand. Zum einen können sie durch kleine, vielleicht sogar erfundene Meldungen ihren Kündigungsschutz erheblich stärken. Nehmen wir an, jemand sieht sich kurz vor einer Kündigung. Mit einer Scheinmeldung an die Meldestelle kann er dafür sorgen, dass er vor einer Kündigung geschützt wird, weil das Unternehmen nun nachweisen muss, dass die Entlassung nichts mit der Meldung zu tun hat. Das ist in vielen Fällen fast unmöglich zu beweisen. Schlimmer noch: Solche Mitarbeiter können das System nutzen, um sich eine höhere Abfindung zu erpressen bzw. zu „verhandeln“. Es handelt sich hier um einen legalisierten Missbrauch, der Unternehmen massiv schadet.
DWN: Sie haben Hinweise im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes in drei Kategorien unterteilt: Querulatorische, interessante und gefährliche Hinweise. Können Sie uns dazu mehr sagen?
Weigert: Natürlich. Die meisten Meldungen, die über das Hinweisgebersystem eingehen, kommen von Querulanten. Das sind Leute, denen im Unternehmen niemand zuhört – vielleicht noch nicht einmal der Betriebsrat. Sie nutzen das System, um ihren Frust loszuwerden, ohne dass dahinter eine Rechtsverletzung steht. Diese Art von Hinweisen ist in 99 Prozent der Fälle Spam und muss aussortiert werden. Dann gibt es interessante Hinweise. Damit meine ich Hinweise, die das Unternehmen wissen will. Das kann zum Beispiel der Hinweis sein, dass ein krankgeschriebener Kollege im Freizeitpark gesehen wurde – also wohl blau macht. Solche Hinweise bereiten wir sorgfältig auf. Sie sind jedoch selten, da die meisten Mitarbeiter, die dem Unternehmen wohlgesonnen sind, sich damit direkt an die Personalabteilung wenden.
Die gefährlichen Hinweise sind die wirklich relevanten. Das sind Meldungen über Pflichtverletzungen des Unternehmens. In solchen Fällen rufen wir unseren Ansprechpartner im Unternehmen an und klären ab, ob der Verstoß bekannt ist und ob überhaupt ein Interesse daran besteht, diesen zu beheben. Wenn nicht, tun wir nichts weiter. Es ist schließlich nicht unsere Aufgabe, Mandanten gegen ihren Willen in rechtliche Probleme zu verwickeln.
DWN: In der Vorbesprechung fiel die Formulierung: „Maul halten“. Was meinen Sie damit?
Weigert: Ganz einfach: Als Anwälte sollten wir Mandanten nicht mehr Angst einjagen als notwendig. Viele Berater nutzen das Hinweisgeberschutzgesetz, um Unternehmen in eine Art Dauerzustand der Nervosität zu versetzen, um Folgeprodukte zu verkaufen. Das ist unseriös. Bei uns gibt es das nicht. Wir halten uns an das Wesentliche, erfüllen die gesetzlichen Vorgaben und belasten das Unternehmen nicht mit unnötigen Details. Es geht darum, das Problem zu lösen – nicht künstlich aufzubauschen.
DWN: Was empfehlen Sie Unternehmen, um mit dem Hinweisgeberschutzgesetz effizient umzugehen?
Weigert: Mein Rat ist simpel: Erfüllen Sie die Mindestanforderungen und machen Sie nicht mehr, als notwendig ist. Rechtlich ist eine Meldestelle notwendig, sonst bringt sie nichts. Es geht nur darum, Bürokratie und Kosten klein zu halten. Finden Sie einen verlässlichen Partner, der die Verwaltung der Meldestelle übernimmt und sicherstellt, dass Sie keine Bußgelder erhalten – that’s it.