Verteidigungsminister Boris Pistorius hat in einer Rede vor dem litauischen Parlament vor Gefahren durch die Aufrüstung Russlands gewarnt. „Wir erleben, wie Russland schnell seine Waffenproduktion hochfährt und seine Streitkräfte dramatisch aufbaut. All das lässt keinen Zweifel: Für Russland, (Wladimir) Putins Russland, ist die Ukraine nur der Anfang“, sagte der SPD-Politiker in der litauischen Hauptstadt Vilnius.
Gleichzeitig versuche die Führung in Moskau, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Staaten der EU und der Nato zu untergraben und setze dabei hybride Mittel ein - also Störmethoden und Cyberangriffe. Für den russischen Präsidenten Putin sei die freie und demokratische Lebensart der eigentliche Feind. „Die Ukraine war ein Weckruf, vielleicht der letzte, den wir bekommen“, sagte Pistorius, dessen Rede an mehreren Stellen beklatscht wurde.
Gefechtsbereite Brigade soll bis 2027 stehen
Die Bundesregierung hat dem Nato-Partner Litauen zugesagt, einen gefechtsbereiten und eigenständig handlungsfähigen Kampfverband fest in Litauen zu stationieren. Diese Brigade soll bis 2027 einsatzfähig sein. Der Schritt ist eine Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und trägt der veränderten Sicherheitslage in Europa Rechnung.
Vorgesehen ist eine dauerhafte Präsenz von bis zu 5.000 Soldaten, deren feste Standorte Rudninkai und Rukla sein sollen. Zunächst soll eine Übergangslösung in litauischen Kasernen nahe der Hauptstadt Vilnius greifen. Es gab wiederholt Zweifel, ob Litauen mit seinen eigenen Vorbereitungen im Zeitplan liegt.
Der neue Heeresverband in Litauen wird als Panzerbrigade 45 aufgestellt. Am Montag hatte der designierte neue Kommandeur, Brigadegeneral Christoph Huber, seinen Dienst in dem Nato-Land angetreten. Er führt einen Aufstellungsstab und soll Vorbereitungen zur Stationierung der Panzerbrigade im ersten Halbjahr 2025 abschließen. Im nächsten Jahr sollen etwa 500 deutsche Soldaten in Litauen sein. Pistorius begrüßte den Brigadegeneral am Donnerstag im Parlament.
Russland stockt Streitkräfte immer weiter auf
Mitte September hatte Putin zum dritten Mal seit Beginn des von ihm befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Truppenstärke seiner Streitkräfte angehoben. In einem Dekret des Präsidenten hieß es, die Zahl der beim Militär Beschäftigten solle von Dezember an bei 2,389 Millionen Menschen liegen, darunter 1,5 Millionen Soldaten.
Erst im Dezember vorigen Jahres hatte Putin die Soll-Truppenstärke bei den Streitkräften auf 2,2 Millionen Personen, darunter 1,33 Millionen Soldaten erhöht. Zu Kriegsbeginn 2022 lag die Zahl der Soldaten in Russland bei etwas mehr als einer Million.
Militärhilfe für Ukraine ist für Deutschland im nationalen Interesse
Pistorius sicherte in seiner Rede in Vilnius zu, dass Deutschland auch die militärische Unterstützung der Ukraine fortsetzen werde. „Das ist in unserem nationalen Interesse und eine Angelegenheit, die mir persönlich wichtig ist“, sagte er.
In Litauen stünden bald deutsche Soldaten „Schulter an Schulter mit den litauischen Streitkräften, bereit, das Land zu verteidigen“. Pistorius sprach von einer „unerschütterlichen Zusage“ und sagte: „Ihre Sicherheit ist unsere Sicherheit. Ihre Freiheit ist unsere Freiheit.“
Er versicherte zudem: „Die deutschen Streitkräfte sind bereit, eine zentrale Säule der konventionellen Abschreckung und Verteidigung in Europa zu werden.“ Dabei nannte er auch die Rolle als Drehscheibe, um Truppen schnell vom Atlantik an die Ostflanke verlegen zu können.
Pistorius: Nato-Partner sollen mehr als zwei Prozent für Verteidigung ausgeben
Er arbeitet zudem nach eigenen Worten entschlossen daran, die deutschen Verteidigungsausgaben dauerhaft über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu heben - das Nato-Ziel. Alle Nato-Partner müssten über die zwei Prozent hinaus bereitstellen.
Dabei ging er auch auf seine Pläne zur Einführung eines neuen Wehrdienstmodells in Deutschland ein. Die Zeiten hätten sich geändert. „Deutschland muss eine neue Form des Wehrdienstes einführen. Nur damit können die Streitkräfte im Kriegsfall bestehen“, sagte Pistorius.
Litauen grenzt an das mit Russland verbündete Belarus sowie an Russlands Ostsee-Enklave Kaliningrad, das frühere ostpreußische Königsberg. Zwischen beiden Ländern verläuft von Litauen ein schmaler Landkorridor westlich nach Polen - die sogenannte Suwalki-Lücke. Angenommen wird, dass es um die Landpassage im Falle eines Angriffs zu Kämpfen kommen könnte. Die Litauer sehen in der deutschen Truppenstationierung eine Rückversicherung der Nato-Beistandsverpflichtung.
Im Oktober wird in Litauen gewählt
Litauen wählt im Herbst ein neues Parlament. Die erste Runde der Abstimmung findet am 13. Oktober statt, die zweite Runde zwei Wochen später. Umfragen deuteten zuletzt auf einen möglichen Regierungswechsel hin - viele Litauer zeigten sich aber auch noch unentschlossen.
Unabhängig vom Wahlausgang dürfte Litauen außen- und sicherheitspolitisch aber weiter klar auf EU- und Nato-Linie bleiben und an seiner entschlossenen Unterstützung der Ukraine festhalten.