Politik

Baerbock stärkt Habeck den Rücken: Grünen-Spitzenteam formiert sich

Lesezeit: 3 min
30.09.2024 07:34
Die Grünen stehen vor einer Neuaufstellung: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck führt die Partei als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf, unterstützt von Außenministerin Annalena Baerbock. Gleichzeitig sorgen Spannungen für Unruhe, darunter der Rücktritt des Vorstands der Grünen Jugend Schleswig-Holstein und Agrarminister Cem Özdemirs kritische Migrationspolitik. Staatssekretär Sven Giegold erwägt zudem die Kandidatur als Politischer Bundesgeschäftsführer. Die Partei steht nun vor der Entscheidung: Teamarbeit oder starke Führungsperson?
Baerbock stärkt Habeck den Rücken: Grünen-Spitzenteam formiert sich
Robert Habeck erhält Rückendeckung von der ehemaligen Grünen-Kanzlerkandidatin und kann mit neuem Team in den Bundestagswahlkampf ziehen. (Foto: dpa)
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Grünen-Spitzenmann Robert Habeck kann mit Rückendeckung der ehemaligen Grünen-Kanzlerkandidatin und neuem Team in den Bundestagswahlkampf ziehen. Außenministerin Annalena Baerbock will Habeck „in diesem herausfordernden Bundestagswahlkampf“ unterstützen, kündigte sie in der ARD an. Habecks Staatssekretärs Sven Giegold erwägt die Kandidatur für die Bundesgeschäftsführung der Grünen.

Baerbock, die Kanzlerkandidatin von der Bundestagswahl 2021, lobt Habeck im „Bericht aus Berlin“ als „den richtigen Mann für uns“. Gleichzeitig gehen die Verwerfungen in der Partei mit dem Rücktritt eines weiteren Grüne-Jugend-Landesvorstands weiter. Aufgeschreckt sind vor allem linke Grüne. Agrarminister Cem Özdemir vom Realoflügel zieht mit einem kritischen Beitrag zur Migration harte Kritik aus dem linken Flügel auf sich.

Linker Christ will Grüne führen

Giegold, ein hochrangiger Beamter in Robert Habecks Wirtschaftsministerium, erwägt eine Kandidatur als Politischer Geschäftsführer der Grünen. Das machte der 54-Jährige bei einem Treffen des linken Parteiflügels in Berlin deutlich, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr.

Giegold habe angeboten, dass er sich beim von den Grünen ersehnten Neuaufbruch aus tiefer Krise an führender Stelle einbringen könne. Ins Feld geführt habe der Partei-Linke etwa sein vom christlichen Menschenbild geprägten humanistischen Asylkurs und seine organisatorische Erfahrung. Giegold ist Wirtschaftswissenschaftler, Gründungsmitglied von Attac Deutschland und machte auch von sich reden als Bewohner eines alten Bauernhofs in einem Projekt alternativen Lebens und Arbeitens.

Als Bundesgeschäftsführer, in anderen Parteien Generalsekretär genannt, wäre Giegold automatisch Mitglied im Parteivorstand. Die Neuwahl des kompletten Vorstands soll Mitte November auf einem Bundesparteitag in Wiesbaden stattfinden.

Habeck-Team komplett?

Bei einem Erfolg würde Giegold Nachfolger von Emily Büning, der als Politische Bundesgeschäftsführerin Farblosigkeit vorgeworfen wird. Für den Parteivorsitz hatten Franziska Brantner und Felix Banaszak ihre Kandidatur angekündigt. Wahlkampfmanager voraussichtlich ohne Sitz im Vorstand wird Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch.

Giegold gilt als versierter Experte bei der politischen Gestaltung von Klimaschutz, dem zentralen Grünen-Thema. Er saß zwölf Jahre im Europaparlament und gilt als exzellent vernetzt. Bei Parteitagen trägt der Sammler von Plüschtieren schon mal tagelang ein solches mit sich herum – ideal für Small Talk und Vernetzung.

Richtet der designierte Kanzlerkandidat Habeck mit der wahrscheinlichen Personalie Giegold die Grünen weiter auf sich aus? Das wäre nicht im Sinne vieler Parteilinker. Brantner ist wie Giegold Staatssekretärin in Habecks Ministerium, er beamteter, sie parlamentarische. Aber anders als Brantner gilt Giegold nicht als persönlicher Habeck-Vertrauter: Er arbeite nur gut mit ihm zusammen, heißt es in Parteikreisen weiter.

Baerbock sagte im ARD-„Bericht aus Berlin“: „Robert Habeck ist derjenige, der uns in den Bundestagswahlkampf führt.“ Aber vor allem im Team seien die Grünen stark. Es gelte: „Da braucht es keine Einzelkämpfer.“ Sie selbst wolle im Team Habeck als Spitzenpolitikerin mitkämpfen.

Nachwuchs in Aufregung

Dennoch herrscht bei jungen und linken Grünen Aufregung. Der Vorstand der Grünen Jugend Schleswig-Holstein erklärte nahezu geschlossen seinen Austritt aus der Partei. Sieben der acht Mitglieder des aktuellen Landesvorstands und drei der vorigen Führung hatten sich dazu entschlossen. Es ist der fünfte Landesvorstand, der dem Parteiaustritt des Bundesvorstands der Nachwuchsorganisation folgt. Die Landessprecher Katharina Kewitz und Lars Brommann erklärten, statt sich mit Konzernen anzulegen, trügen die Grünen Asylrechtsverschärfungen mit.

Özdemir schreckt Partei-Linke auf

Für Aufregung sorgte Agrarminister und „Oberrealo“ Cem Özdemir, der sich in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kritisch mit der Migrationspolitik auseinandergesetzt hatte. Seine Tochter werde häufiger „von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert“. Klare Grenzen müssten gezogen werden: „Wer einen wertvollen Teil zu unserem Land beitragen kann und will, ist willkommen. Wer nachweislich Schutz sucht, dem helfen wir. Für alle anderen haben wir keinen Platz.“ Özdemir wird nachgesagt, Winfried Kretschmann als Ministerpräsident Baden-Württembergs nachfolgen zu wollen.

Der Europaabgeordnete Erik Marquardt vom linken Flügel kündigte daraufhin auf X an, die Grünen würden nie rechten Narrativen hinterherlaufen. „Dafür werden wir sorgen.“ Politiker anderer Parteien warfen dem Sohn türkischer Einwanderer Missbrauch der eigenen Rolle und die Verniedlichung von Faschisten vor. Von vielen X-Nutzern erhielt Özdemir aber auch viel Beifall. Baerbock verteidigte Özdemirs Text als Beitrag dazu, vermeintliche Widersprüche offensiv zu thematisieren.

Lang: Nicht nur auf starken Mann setzen

Am Mittwoch hatte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für Mitte November angekündigt. Die Parteispitze zog damit die Konsequenz aus den Misserfolgen der Grünen bei den jüngsten Wahlen.

Lang wies Spekulationen zurück, dass Habeck sie zum Rückzug gedrängt haben könnte. „Nein, das stimmt nicht“, sagte sie in der ARD. Sie warnte ihre Partei zugleich davor, den Teamgedanken zu vernachlässigen, um nur auf einen einzelnen starken Mann an der Spitze zu setzen.


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